Hase und Igel
[von Kirsten Großmann]
Als der Igel morgens aufsteht, geht's ihm gut und er ist froh,
Herbstzeit ist's, der Wind weht lau, Sonntag ist heut' sowieso.
Und der Igel singt ein Lied, brummelt leise vor sich hin,
ein Spaziergang auf dem Felde kommt ihm dabei in den Sinn.
Wie er da so friedlich schlendert, seine Steckrüben zu seh'n,
sieht er doch den frechen Hasen nebenan im Kohlfeld steh'n.
"Moin, Herr Nachbar", ruft der Igel, "auch so früh schon auf den Beinen?"
Drauf der Hase: "Schweig von Beinen, denn die deinen sind zum Weinen!"
Das verdross den Igel sehr, alles konnte er ertragen,
aber niemand durft' was Schlechtes über seine Beine sagen.
Diese Beine war'n zwar schief, aber kräftig und mobil,
deshalb ausgelacht zu werden, war dem Igel doch zuviel.
"Woll'n wir um die Wette laufen? Dazu hätt' ich große Lust."
Und der Hase darauf prustet: "Tu ruhig, was du tun musst.
Aber ich werde gewinnen, ich bin stark und ich bin schnell"
Stimmt schon, denkt sich da der Igel, doch dein Kopf ist nicht sehr hell.
"Wart nur eine kleine Weile, denn ich muss erst essen geh'n,
und in einer halben Stunde werden wir uns wieder sehn.
Hör gut zu, ein gold'ner Taler und 'ne große Flasche Wein
Sollen unser Wetteinsatz in dem großen Wettlauf sein."
Und der Igel eilt nach Hause, laut ruft er nach seiner Frau.
"Komm schnell mit auf's Rübenfeld, da gibt's gleich 'ne Riesenschau.
Mit dem Hasen auf dem Acker um die Wette laufen wir,
und ich weiß, dass wir gewinnen, komm schon mit, vertraue mir."
Igels Frau stellt keine Fragen, eilt mit ihm zum Acker hin,
Hase steht schon dort und wartet, glaubt dass Sein schon der Gewinn.
"Bleib du hier am Rande sitzen, ruf' einfach: Ich bin all hier!
Wenn der Has' mit hohem Tempo angelaufen kommt zu dir.
Ich geh' auf die andre Seite und werd' es genauso machen,
wenn es klappt, so wie ich denke, hat der Hase nichts zu lachen."
Spricht der Igel und geht tapfer mit dem Hasen an den Start.
"Bist du fertig?" fragt der Igel, Hase nickt auf seine Art.
"Auf die Plätze, fertig, los!" und der Lauf beginnt,
Hase gibt sich alle Mühe, dass er auch gewinnt.
Aber an der Furche Ende, ruft's "Ich bin all hier!"
Auf den Igel fassungslos starrt das Hasentier.
"Wie hast du denn das gemacht?" ruft der Has' verdutzt.
Igels Frau, die schmunzelt leis', "Hab' die Zeit genutzt!"
"Gleich noch mal!", verlangt der Hase und läuft wieder los,
"Bin all' hier!" tönt's aus der Furche, die Verwunderung ist groß.
Und der Hase läuft und läuft, Acker rauf und runter.
Igel und auch seine Frau rufen jed'smal munter:
"Bin all hier!" Der Hase kann und er will's nicht fassen,
und er kann auch den Gewinn nicht dem Igel lassen.
Dass er hinters Licht geführt wird, merkt der Hase nicht,
Igels Plan letztendlich hält, was er auch verspricht.
Denn am Ende ist der Hase vor Erschöpfung tot,
Igel und auch Igels Frau leiden keine Not.
Haben Taler und den Branntwein, feiern fröhlich nun,
lassen jetzt den dummen Hasen einfach friedlich ruh'n.
Dieses Theaterstück wurde für das Märchen-Schattentheater von Labbé, Best. Nr. 8372 geschrieben. Es kann auch als Bühnenstück gespielt werden.