Toms Tod
- Autor: Beecher Stowe, Harriet
Legree war außer sich über die Flucht der beiden Frauen. Tagelang hatte er sie gesucht und konnte nicht verstehen, dass sie wie vom Erdboden verschluckt schienen. Als er von einer weiteren Suche ergebnislos nach Hause kam, ließ er sich Tom holen. Tom erschien mit ahnungsvollem Herzen. Legree baute sich vor ihm auf. "Na, Tom? Ich werde dich heute umbringen lassen, wenn du mir nicht sagst, was du von diesen Weibern weißt." Tom schwieg. "Hast du mich nicht gehört? Rede!", donnerte Legree. "Ich habe nichts zu sagen, Herr." "Willst du etwas behaupten, dass du von nichts weißt?" Tom schwieg. "Rede endlich!", schrie Legree völlig außer sich. "Ich weiß es, aber ich kann es nicht sagen. Ich kann nur sterben. Wisst Ihr, Herr, wenn ich Euch retten müsste, ich würde es tun. Herr, Ihr solltet diese Sünde nicht auf Euch nehmen. Wenn Ihr mir das Schlimmste antut, wird meine Qual enden, aber die Eure währet ewiglich." Legree hörte nicht mehr zu. Er schlug Tom. Wieder und wieder. Als Tom am Boden lag, öffnete er noch einmal die Augen. "Mehr kannst du mir jetzt nicht mehr tun, du armer Mensch. Ich vergebe dir!" Dann wurde er bewusstlos.
Toms Verhalten hatte auf Quimbo und Sambo, die bei der Schlägerei dabei gewesen waren, einen wundersamen Eindruck gemacht. "Hoffentlich muss der Herr das büßen und nicht wir!", meinte Sambo. "Es war bestimmt eine schlimme Sünde, was wir da gemacht haben." Und sie wuschen Toms Wunden und legten ihn in den Schuppen, in dem er schon einmal gelegen hatte. Sie flößten ihm Schnaps ein und betteten ihn auf alte Baumwolle. "Wir haben dir Unrecht getan.", weinte Quimbo. Mühsam öffnete Tom die Augen. "Ich vergebe Euch!" Er verlor wieder das Bewusstsein.
Zwei Tage später kam ein leichter Wagen auf der Red River Farm an. Ein junger Mann sprang heraus. Es war Georg Shelby: Der Brief, den Miss Ophelia an die Shelbys geschrieben hatte, war zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt angekommen. Mr. Shelby lag mit dem gelben Fieber danieder und Mrs. Shelby pflegte ihn. Trotz aller Bemühungen starb Mr. Shelby und Georg hatte sich um den Nachlass seines Vaters kümmern müssen. So war fast ein halbes Jahr vergangen, bevor er sich auf den Weg machen konnte, um Tom zu suchen. Nach monatelanger, erfolgloser Suche war Georg schließlich in New Orleans auf einen Mann getroffen, der ihm weiterhelfen konnte. Und so war Georg schließlich doch noch auf die Red River Farm gekommen, um seinen Tom frei zu kaufen.
"Ich habe gehört, dass ihr einen Sklaven namens Tom gekauft habt.", begann Georg das Gespräch mit Legree. "Ja, das habe ich. Er ist der frechste und unverschämteste Sklave, den ich je hatte. Er hat zwei Frauen zur Flucht verholfen. Er hat es selbst zugegeben, aber er will mir nicht sagen, wie er es gemacht hat und wo die Frauen sind. Ich ließ ihn auspeitschen, aber das war ihm egal. Jetzt will er nur noch sterben." "Wo ist er?", stieß Georg heftig hervor. "Lassen Sie mich zu ihm." Legree antwortete gleichgültig: "Er liegt hinten im Schuppen."
Tom lag seit zwei Tagen im Schuppen. Er war zerschlagen und dämmerte meist in einer Art Halbschlaf vor sich hin, aber er war noch nicht tot. Nachts kamen die anderen und taten für ihn, was sie konnten; auch Cassy hatte ihr Versteck auf dem Dachboden schon verlassen, um Tom zur Seite zu stehen. Georg schossen die Tränen in die Augen, als er seinen lieben Onkel Tom in dem elenden Schuppen entdeckte. Rasch kniete er neben ihm nieder. "Oh, lieber Onkel Tom. Wach auf. Ich bin es - Georg. Ich bin gekommen, um dich zu kaufen und nach Hause zu holen." Tom öffnete langsam die Augen. Seine verwirrten Blicke fanden den jungen Mann, der neben ihm im Staub kniete. Ein Lächeln glitt über das freundliche Gesicht. "Herr Georg! Gott sei gepriesen. Das ist alles, was ich mir wünsche. Sie haben mich nicht vergessen. Das tut meinem alten Herzen gut. Jetzt werde ich in Frieden sterben." Georg schluchzte. "Du darfst nicht sterben. Du kommst mit mir nach Hause." Tom lächelte. "Du bist zu spät, junger Herr Georg. Der Heiland hat mich schon gekauft. Ich stehe an seiner Pforte. Der Himmel ist gekommen und der Sieg ist mein! Bitte erzähl' Chloe nicht, wie du mich gefunden hast. Es würde sie nur traurig machen. Sagt ihr, Ihr habt mich in die Herrlichkeit eingehen sehen. Ihr wisst nicht, wie lieb ich euch alle habe. Sag' allen, dass sie mir folgen sollen."
Toms Kräfte schienen am Ende. Sein Atem ging rasselnd, mühsam hob und senkte sich die breite Brust. Dann trat ein friedlicher Ausdruck auf Toms Züge. Er war tot. Georg, der zunächst nichts lieber getan hätte, als Legree zur Rechenschaft zu ziehen, war von dem würdigen Tod des alten Mannes so berührt, dass er seine Rachegedanken beiseite schob. Er ging zu Legree und fragte: "Ihr habt erreicht, was Ihr wolltet er ist tot. Was wollt ihr für den Leichnam haben?" Legree gab sich gleichgültig. "Ich handle nicht mit toten Niggern. Nehmt ihn mit und verschwindet." "Das war Mord! Dieses unschuldige Blut soll nicht ungesühnt bleiben.", drohte Georg. Legree lachte ein freudloses Lachen. "Das will ich sehen. Haben Sie Zeugen? Wie wollen Sie irgendetwas beweisen?" Georg musste Legree Recht geben. Auf diese Plantage würde es niemand geben, der als Zeuge auftreten konnte, denn die Aussage eines Farbigen würde vor keinem südlichen Gericht gegen die Aussage des weißen Farmers standhalten.
So ließ sich Georg einen Spaten geben und bettete Onkel Tom auf seinen Wagen. Jenseits der Plantagengrenze begrub er seinen lieben Onkel Tom an einem sandigen trockenen Platz. Dann kniete er an Onkel Toms Grab nieder. "Gott ist mein Zeuge. Von dieser Stunde an will ich alles tun, was ich kann, um mein Land von der Sklaverei zu befreien."