Till Eulenspiegel

  • Autor: Autor Unbekannt

1. Wie Till dreimal getauft wurde
2. Ein frecher Junge – durch und durch
3. Till lernt Seiltanzen
4. Wie Till ein ganzes Dorf durcheinander wirbelt
5. Till schläft in einem Bienenkorb
6. Die Sache mit Henep und Senep
7. Till heilt Kranke
8. Till wird Bäckergeselle
9. Als Till Eulenspiegel Turmbläser war
10. Till beschlägt sein Pferd ganz „goldig“
11. Till verulkt einen Grafen
12. Till Eulenspiegel wird Soldat
13. Till wird Landbesitzer
14. Wie Till Eulenspiegel einem Esel das Lesen beibrachte
15. Till verärgert die Schneider
16. Till lässt drei Schneider wegwehen
17. Till darf nicht Kürschner werden
18. Till wird Milchhändler
19. Eulenspiegel als Maler unterwegs
20. Till macht Wasser zu Wein
21. Till serviert „gespickten“ Apfel
22. Till verhöhnt den Pfarrer
23. Till Eulenspiegels Testament
24. Eulenspiegel stirbt im Spital
25. Till Eulenspiegels Begräbnis

 

 

1. Wie Till dreimal getauft wurde

Sicher hat ein jeder von euch schon einmal von einem Mann namens Till Eulenspiegel gehört. Das war ein rechter Spaßmacher und hatte sehr viel Freude daran, immer und überall seinen Mitmenschen einen Streich zu spielen.

Meist nutze er deren eigene Dummheit aus, auch wenn diese das nicht wirklich wahrhaben wollten. Geboren wurde Till Eulenspiegel vor 600 Jahren in einem kleinen Örtchen, das Kneitlingen hieß.

Und wie es schon damals Tradition war, sollte der kleine Junge getauft werden. Da es aber in dem kleinen Dorf keine Kirche gab, musste die ganze Taufgesellschaft nebst Hebamme in das Nachbardorf ziehen.

Dort hielt Pfarrer Pfaffenmeyer den Jungen über das Taufbecken und alle hatten ihre Freude an der schönen Feier. Und weil zu einer richtigen Taufe auch ein paar gesellige Stunden gehören, lud Tills Vater die ganze Gesellschaft in die nächste Gastwirtschaft ein.

Dort wurde gut gegessen und das ein oder andere Bierchen getrunken. Besonders gut schmeckte dieses Getränk der Hebamme, die Till die ganze Zeit auf dem Arm trug, weil doch seine Mutter krank geworden war.

Doch jedes Fest hat irgendwann einmal ein Ende, und so machte sich auch Tills Taufgesellschaft auf den Heimweg nach Kneitlingen. Die Strecke führte über einen kleinen Bach, über den ein ziemlich wackeliger Steg führte. Wenn man aber einmal zu tief ins Glas geschaut hat, dann ist es nicht immer ganz einfach, einen Fuß richtig vor den anderen zu setzen.

So erging es also auch Tills Hebamme, die – wie ihr ja bereits gehört habt – dem Alkohol gut zugesprochen hatte. Sie verfehlte den Tritt und purzelte samt Baby, denn das war Till Eulenspiegel zu diesem Zeitpunkt noch, in den Bach. Man kann von Glück sagen, dass weiter nichts passierte, allerdings sah der Junge anschließend ziemlich durchnässt und schmutzig aus.

So musste er, als man Zuhause angekommen war, gleich noch einmal gebadet werden. So kam es, dass Till Eulenspiegel an diesem Tag dreimal getauft wurde. Als Pfarrer Pfaffenmeyer am nächsten Tag davon hörte, da zog er ein besorgtes Gesicht: „Was soll aus dem Jungen nur werden“, sagte er. „Dreimal getauft. Das ist einfach zu viel!“

 

 

 

2. Ein frecher Junge – durch und durch

Till Eulenspiegel war ein ausgesprochen lebhaftes Kind. Schon früh trieb er seine Scherze mit den Dorfbewohnern, die sich immer wieder bei seinen Eltern über die Ungezogenheit des Jungen beklagten.

Doch nie war ihm einer der Streiche nachzuweisen und oft konnten die Eltern gar nicht verstehen, was alle Nachbarn und Freunde gegen den Jungen hatten.

„Ich beweise dir“, sagte Till eines Tages zu seinem Vater, „dass die anderen mich zu Unrecht solcher Streiche beschuldigen. Lass uns durchs Dorf reiten und ich sage dir, obwohl ich brav hinter dir auf dem Pferd sitzen werde, man wird mit dem Finger auf mich zeigen.“

„So wollen wir es machen“, sagte Tills Vater und holte den Gaul aus dem Stall. Er schwang sich auf das Tier, zog Till hinter sich hinauf und ritt stolz mit seinem Sohn, den er ja gut in seiner Obhut wusste, durch Kneitlingen.

Doch Till Eulenspiegel wäre nicht Till Eulenspiegel gewesen, hätte er nicht eine List ersonnen. Kaum nämlich hatte er den Platz hinter seinem Vater eingenommen, da entblößte er schon seinen Popo und zeigte sein nacktes Hinterteil allen, die ihnen entgegenkamen.

Natürlich zeigten alle sogleich mit dem Finger auf Till. Und der Vater, der vorne auf dem Pferd von alledem nichts mitbekam, sah sich darin bestärkt, dass sein Sohn ein braver Junge sei und verstand von diesem Tage an die Mitmenschen nicht mehr, die sich über seinen Sohn beklagten.

 

 

 

3. Till lernt Seiltanzen

Das Dorf, in dem Till Eulenspiegel geboren wurde, wurde den Eltern eines Tages zu eng. Und so beschlossen sie in die Heimatstadt der Mutter zu ziehen, die an einem Flüsschen lag, das Saal hieß.

Doch bald nach dem Umzug starb der Vater und die Mutter blieb mit dem Kind alleine zurück. Sie war eine gute Mutter und hatte Till von Herzen lieb. Doch manchmal war sie eben nicht streng genug mit ihm und belächelte nur viele Dinge, die er tat.

So dachte sie sich auch nichts dabei, als ihr Sohn eines Tages auf einer auf dem Boden liegenden Wäscheleine zu balancieren begann. „Ich übe Seiltanzen“, antwortete er freundlich auf ihre Frage. Tills Mutter dachte sich wenig dabei, wurde aber stutzig, als sie eines Tages aus dem Fenster heraus beobachtete, dass Till die Leine am Hausdach befestigte und sie über das Flüsschen Saal, an dem das Elternhaus gelegen war, zum Nachbarhaus hinüber warf und sie dort ebenfalls am Dach befestigte.

„Das schaue ich mir besser einmal aus der Nähe an“, dachte sich die Mutter und ging hinauf zum Dachboden, von wo aus sie einen herrlichen Blick auf das Geschehen hatte. Und das gleich in unmittelbarer Nähe zu ihrer Zweck entfremdeten Wäscheleine. Denn Till Eulenspiegel, ihr Sohn, tanze über das Seil, so als würde er nie etwas anders tun!

„Na warte, mein Junge“, murmelte die Mutter vor sich hin, nahm ein Küchenmesser aus der kleinen Tasche vorne an der Schürze, die sie für gewöhnlich bei der Hausarbeit trug, und schnitt, schnipp, schnapp, kurzerhand die Leine durch.

Pech nur, dass Till geradewegs die Stelle mitten über dem Fluss erreicht hatte. Und so purzelte der Junge in das kühle Nass hinein.

Die vielen Zuschauer, die sich bereits am Flussufer eingefunden hatten, um seinem Treiben hoch oben auf dem Seil zuzuschauen, brachen natürlich in schallendes Gelächter aus. Triefnass entstieg Till den Fluten der Saal.

„Na wartet“, rief er so laut, dass ihn alle hören könnten. „Euch werde ich es schon zeigen.“

 

 

 

4. Wie Till ein ganzes Dorf durcheinander wirbelt

Till Eulenspiegel hatte immer neue Späße auf Lager. Zumindest hielt er die Dinge, die er tat, für einen echten Spaß.

Eines Tages, wieder einmal hatte er sein Hochseil über das Flüsschen Saal gespannt, da rief er Nachbarn, Freunden und Verwandten zu, sie sollten einmal mit ihm kommen. Neugierig wie alle nun einmal waren, folgten sie dem jungen Mann, zu dem Till inzwischen herangewachsen war.

Am Hochseil angekommen, bat er sie, jeweils den linken Schuh auszuziehen. „Ich will euch ein ganz besonderes Kunststück präsentieren“, erklärte er. Die Umstehenden schauten sich an. Was hatte das nun wieder zu bedeuten, schienen sie sich zu fragen.

„Nun denn“, rief der erste, „dann wollen wir dem Jungen mal den Gefallen tun.“ Er zog den linken Schuh aus. Und 199 andere taten es ihm gleich.

Till freute sich, sammelte die 200 linken Schuhe auf, fädelte sie an einem langen Band zusammen, um sie besser transportieren zu können, und kletterte mit seinem Bündel aufs Seil hinauf.

Als er die Hälfte seiner Wegstrecke – schwer bepackt mit dem Schuhwerk seiner Mitmenschen - hoch oben in der Luft zurückgelegt hatte, da grüßte er einmal freundlich nach unten – und ließ die Schuhe, einen nach dem anderen, aus dieser luftigen Höhe zu Boden fallen.

Dort herrschte schiere Aufregung! „Wo ist mein Schuh?“, „ Her damit, das ist meiner!“, und noch ganz andere Dinge riefen sich die Menschen zu. Jung und Alt purzelten durcheinander und kaum hatte einer einen der 200 Schuhe gefasst, da wurde er im glattweg wieder entrissen!

Eine Rauferei entstand, über die noch Jahre später in der Stadt berichtet wurde. Als nach Stunden jeder seinen eigenen linken Schuh wieder am Fuß trug, da schwor man sich, es Till Eulenspiegel heimzuzahlen.

Doch der war verschwunden und versteckte sich wochenlang in Mutters Stube.

 

 

 

5. Till schläft in einem Bienenkorb

Es war im Jahr die Zeit gekommen, dass in dem Städtchen, in dem Till Eulenspiegel mit seiner Mutter lebte, das Kirchweihfest gefeiert wurde. Dann war mächtig was los in den Straßen. Es wurde gefeiert, getanzt, getrunken.

Auch Till Eulenspiegel hatte sich an diesem Tag einen kleinen Schwips angetrunken. Gegen Mittag wurde er so müde, dass er sich einen Platz zum Schlafen suchte. Auf einer Wiese unweit der Stadt wurde er fündig.

Hier hatte ein Imker seinen Bienen ein Zuhause geschaffen. Doch einer der Bienenstöcke war leer, und den erkor sich Till als Schlafplatz. Sogleich ratzte er ein.

Die Stunden gingen ins Land und inzwischen hatte auch Tills Mutter das Fest verlassen. Sie dachte, Till wäre schon einmal ohne sie nach Hause gegangen. So machte sie sich keine Sorgen um seinen Verbleib. Hätte sie aber vielleicht tun sollen!

Inzwischen war es nämlich Nacht geworden und Till Eulenspiegel schlummerte noch immer friedlich und sanft schnarchend in seinem Bienenkorb. Doch was waren das für zwei finstere Gesellen, die da über die Wiese schlichen?!

Diebe, die in der Nacht den Imker um seine Erträge bringen wollten! „Lass uns den Korb nehmen, der am schwersten ist. Dann ist unsere Beute groߓ, sagte der eine Dieb zum anderen.

Und schon hoben sie sich, weil ja alles ziemlich schnell gehen muss, den Bienenkorb auf die Schultern, in dem Till Eulenspiegel saß. Der wurde durch die unsanfte Bewegung wach – und sehr ungehalten. Wer wird auch schon gerne aus den schönsten Träumen gerissen!?

Doch dann lachte Till verschmitzt, beugte sich aus dem Korb hervor und zog dem, der vorne ging, feste an den Haaren. „Aua, lass das sein“, rief der so Traktierte erbost auf und schaute sich zu seinem Hintermann um.

„Ich hab gar nichts gemacht“, sagte der. Und es stimmte ja auch. Aber Till Eulenspiegel hatte noch niemand entdeckt. Und so ging es hin und her. Mal neckte Till den vorne gehenden Dieb, mal den hinten gehenden.

Die beiden gerieten darüber so sehr in Streit, dass sie irgendwann den Bienenkorb beiseite stellten und sich zu prügeln begannen. Wild und ausgelassen rauften sie.

Und Till? Der kroch lachend aus seinem Versteck heraus und zog hinaus in die Welt.

 

 

 

6. Die Sache mit Henep und Senep

Till Eulenspiegel zog, nachdem er eines Tages seine Heimatstadt verlassen hatte, durch das Land. Er arbeitete mal hier, mal dort, denn auch ein echter Spaßmacher braucht Brot zum Leben.

Eines Tages kam er an eine Burg und erzählte, er sei ein Hofjunge. Der Junker stellte ihn sogleich ein und ritt mit ihm durch das kleine Reich, um ihm alles zu zeigen. Als sie an einem Hanffeld vorbei kamen, da sagte der Junker: „Junge, wenn du solch ein Feld siehst, dann setzte einen dicken Haufen hinein. Denn aus diesem Zeug, das bei uns Henep heißt, werden Stricke für Räuber gefertigt.“

Till nickte. Das konnte er sich gut merken, auch wenn er noch nie einen so seltsamen Begriff wie Henep gehört hatte.

Am nächsten Tag musste er dem Koch in der Küche helfen. Der Junker hatte viele Gäste geladen und es galt ein großes Mahl vorzubereiten. „Geh in den Keller und hole mir eine Schüssel voll Senf“, sagte der Koch. Und fügte noch schnell hinzu: „Nur damit du es weißt, bei uns heißt das Zeug Senep!“

Wieder nickte Till. Im Keller angekommen fielen Till Eulenspiegel wieder die Worte des Junkers ein. „Wenn du an Senep vorbeikommst, dann mache einen großen Haufen hinein!“

Und so tat Till Eulenspiegel wie ihm der Junker gesagt hatte. Er füllte dann den Senep in seine kleine Schüssel ab, zog seine Hose herunter und erledigte sein Geschäft. Anschließend brachte er den Senep in die Küche zurück, wo der Koch schon auf ihn gewartet hatte.

Dieser trug die Schüssel zu den Herrschaften herein. Alles schien in Ordnung. Doch nach wenigen Minuten war ein ohrenbetäubender Schrei zu hören.

„Koch, was servierst du uns da? Das soll Senf sein? Das ist Sch….“ Der Junker war mehr als wütend. Nun wurde Till in den Saal gerufen, in dem der Junker mit seinen Gästen zu Tisch saß.

„Probier das“, befahl ihm sein Dienstherr. Doch Till schüttelte nur den Kopf. „Ich esse das nicht“, sagte er. „Ich habe mein Geschäft darauf erledigt, so wie Ihr es mir befohlen habt.“

„Du Schalk, du Narr“, tönte es Till entgegen. Ich sprach von Henep und nicht von Senep.“ Doch Till Eulenspiegel hörte nicht mehr, was der Junker noch alles zu sagen hatte. Fluchtartig hatte er die Burg verlassen.

 

 

 

7. Till heilt Kranke

Eines Tages kam Till Eulenspiegel nach Nürnberg. An einer Kirchentür hängte er ein großes Plakat auf, auf dem geschrieben stand: „Wunderdoktor in der Stadt“.

Natürlich war auch das wieder eine List des Schelms. Immerhin musste er ja Geld verdienen. Nun kam es, dass es in Nürnberg ein Spital gab, das voll belegt war. Der Direktor des Spitals rechnete sich aus, wie viel Geld er sparen könne, wenn er den Wunderdoktor engagieren könnte, um die vielen Kranken zu heilen.

Und so ließ er Till Eulenspiegel zu sich kommen. 200 Taler handelte man als Verdienst aus, sollte es ihm gelingen, alle Kranken zu heilen. Das war zu damaliger Zeit ein kleines Vermögen!

Till ließ alle Kranken in einem Saal zusammenkommen und bat alle anderen darum, den Raum zu verlassen. Er benötige Ruhe für seine Heilung, gab er zur Erklärung ab. Als alle Ärzte und Schwestern den Raum verlassen hatten, sprach er zu den Kranken.

„Meine Liebe. Es ist so, wer der Kränkste von allen ist, der muss sich für die anderen opfern. Aus ihm stelle ich ein Pulver her, das ich den anderen zur Genesung gebe. Den Kränksten erkenne ich daran, wer zuletzt diesen Raum verlässt, nachdem ich euch aufgefordert habe zu gehen."

Die Kranken atmeten einmal kräftig durch. Dann nahmen sie ihre Krücken und Gehhilfen zur Hand und rannten mir nichts dir nichts aus dem Saal heraus. Selbst diejenigen, die schon zehn Jahre und länger das Bett nicht verlassen hatten, schienen plötzlich kerngesund zu sein.

Nach wenigen Minuten war das ganze Krankenhaus leer. Der Direktor freute sich und händigte sogleich Till Eulenspiegel die 200 Taler aus. „Gut gemacht“, gab er ihm noch mit auf den Weg. Till aber verließ sofort die Stadt.

Und das war auch besser so. Denn drei Tage später war das Spital so voll wie zuvor. Das kam dem Direktor dann doch komisch vor. Er fragte seine Patienten, warum sie denn schon wieder da seien. Und als sie ihre Geschichte erzählt hatten, da wusste der Direktor, dass auch er auf Till Eulenspiegel reingefallen war.

 

 

 

8. Till wird Bäckergeselle

In Braunschweig war es, da kam Till Eulenspiegel eines Tages an einer Bäckerstube vorbei, aus der es köstlich roch. „Ei“, dachte er, „das kann nett werden.“ Er ging in die Backstube hinein und gab sich dort als Bäckergeselle aus, was den Meister sehr freute, denn er suchte gerade eine helfende Hand.

Zwei Tage ging alles gut, dann sagte des Nachts der Bäckermeister zu Till, er möge die Arbeit nun alleine verrichten, er wäre zu müde und würde nun ins Bett gehen.

„Was soll ich backen“, fragte Till. Doch sein Chef war ein griesgrämiger Geselle und so fuhr er Till unwirsch an: „Eulen und Meerkatzen! Du bist doch Geselle, da musst du wissen, was du backen sollst.“ Und er verschwand.

Till tat, wie man ihm gesagt hatte. Er backte die ganze Nacht hindurch. Als am nächsten Morgen der Meister in der Tür stand, da traute er seinen Augen nicht. Nirgendwo war auch nur ein Brötchen oder gar Brot zu finden, nur Eulen und Meerkatzen sah er.

Da trieb er Till Eulenspiegel aus dem Haus, befahl ihm aber noch, den verbrauchten Teig zu bezahlen und packte ihm alle Meerkatzen und Eulen schleunigst ein. Die wollte er nicht in seinem Laden haben!

Nun war es aber so, dass am nächsten Tag Nikolaus gefeiert wurde. Und so stellte sich Till mit seinem Backwerk vor die Tür der Kirche, um seine köstlichen Leckereien den Kindern anzubieten. Die nahmen ihm das Naschwerk gerne ab und bald hatte Till viel mehr verdient, als er je für den Teig ausgegeben hatte.

Als das der Bäckermeister hörte, da wollte er sich glatt das Geld wieder geben lassen. Doch Till Eulenspiegel war längst über alle Berge.

 

 

 

9. Als Till Eulenspiegel Turmbläser war

Wenn Till Eulenspiegel einen Dienst übernahm, dann konnte sein Arbeitgeber darauf rechnen, verulkt zu werden. Dafür war der Mann, der stets mit einer auffälligen Kopfbekleidung durch die Gegend wanderte, bekannt.

Aber natürlich wusste man nicht überall über seine Späße Bescheid, so dass er immer wieder jemanden fand, den er hereinlegen konnte. Dabei machte Till Eulenspiegel keine Unterschiede: ob arm oder reich, wen er sich auserkoren hatte, der war dran.

So beispielsweise auch der Graf von Anhalt. Der lebte auf einer großen Burg, hatte viele Reichtümer und sah sich stets von irgendwelchen Raubrittern bedroht. Bei ihm trat Till Eulenspiegel den Dienst eines Turmbläsers an. Das heißt, er musste den lieben langen Tag hoch oben im Turm der Burg sitzen und Ausschau nach Feinden halten. Wenn er sie sah, so sollte er laut in sein Horn blasen.

Da saß der arme Till nun Tag um Tag und schaute sich in der Gegend um. Doch während sein Dienstherr mit seinen Rittern stets gutes Essen auf dem Tisch hatte, vergaß man Till Eulenspiegel vollkommen. Und so laut der auch rief, niemand da unten im Burghof hörte ihn. Aber es war Till Eulenspiegel bei größter Strafe verboten, den Turm zu verlassen.

Was also tun? Da sah er am Horizont schon die Feinde kommen! Doch dieses Mal tat er nicht, wie man ihm befohlen hatte. Er blies nicht in sein Horn, um vor den Feinden zu warnen. Schon hatten die Raubritter alles gestohlen, was sich ihnen in den Weg stellte, noch ehe der Graf und seine Gefolgschaft ausziehen konnten.

Kaum aber war der Angriff vorbei, da stürmte der Graf in voller Rüstung auf den Turm hinauf, auf dem Till Eulenspiegel mit seinem Horn saß. Natürlich stellte der Graf ihn sofort zur Rede: „Warum hast du uns nicht vor den Feinden gewarnt?“, fragte er ziemlich böse. Doch anstatt auf die Frage zu antworten, sagte Till Eulenspiegel nur: „Warum hast du mir kein Essen geschickt? Bevor man nicht gegessen hat, kann man auch nicht ins Horn blasen.“

 

 

 

10. Till beschlägt sein Pferd ganz „goldig“

Manche Fürsten und andere hohe Herren umgaben sich gerne mit Till Eulenspiegel. Sie hatten Freude an seiner Narretei – solange sie nicht selbst davon betroffen waren.

Einer von denen war der König von Dänemark, der hatte Till wirklich fest in sein Herz geschlossen. Eines Tages da geschah es, dass Till Eulenspiegels Pferd neu beschlagen werden musste.

„Bezahl“, was zu bezahlen ist“, sagte der König zu seinem Hofschreiber. „Was Till Eulenspiegel braucht, soll er bekommen.“ Till freute sich, ging sogleich zu einem Goldschmied und ließ seinem Pferd neue Hufeisen aus reinem Gold anpassen. Das gefiel ihm sehr!

Dann präsentierte er dem Hofschreiber des Königs gleich die Rechnung: 100 Taler seien zu zahlen, stand da geschrieben. Der Schreiberling eilte gleich zum König und berichtete. Der König war natürlich außer sich. „100 Taler“, rief er, „da kann ich ja die Pferde einer ganzen Armee beim Hufschmied vorführen.“

Er wandte sich an Till: „Warum ist die Rechnung so hoch“, fragte der König. Und Till berichtete, dass er mit seinem Pferd bei einem Goldschmied und nicht bei einem Hufschmied gewesen sei.

„Ihr habt gesagt, Majestät, was ich brauche solle ich auch bekommen. Und mein Pferd braucht nun mal goldene Hufe.“ Da sah der König von Dänemark ein, dass auch er von Till Eulenspiegel zum Narren gehalten worden war. Trotzdem blieben die beiden Freunde – bis an ihr Ende.

 

 

 

11. Till verulkt einen Grafen

Bei einem Grafen von Anhalt hielt es Till Eulenspiegel sogar einmal recht lange aus. Der nämlich hatte Till als Turmbläser angestellt. Und das war wirklich eine angenehme Tätigkeit, sah man davon einmal ab, dass der Graf stets vergaß, seinem Mann auf dem Turm Essen zu schicken.

So war es auch an jenem Tag gewesen, als er selbst mit seinen Rittern im Burghof ein großes Fest feierte und einen ganzen Ochsen am Spieß hatte. Welch ein köstliches Mahl, dachte Till Eulenspiegel, bis zu dem hinauf der köstliche Duft des Bratens gestiegen war.

So blies er schnell in sein Horn. Graf und Ritter ließen alles stehen und liegen, stürmten zu ihren Pferden und ritten aus dem Burgtor hinaus, um sich tapfer den Feinden des Reiches – vor denen Till Eulenspiegel mit seinem Horn gewarnt hatte – entgegenzustellen.

Kaum aber hatten diese den Burghof verlassen, stürmte Till Eulenspiegel von seinem Aussichtspunkt hoch oben im Turm die Treppen hinunter, füllte sich im Burghof sämtliche Taschen mit Köstlichkeiten, die Graf und Ritter bei ihrem unverhofften Aufbruch einfach liegen gelassen hatten, und nahm in jede Hand noch ein saftiges und großes Stück Ochsenfleisch, denn der hatte geradewegs die richtige Reife auf den Feuer erhalten. Dann kehrte er zu seinem Arbeitsplatz zurück.

Als Graf von Anhalt merkte, dass sein Turmbläser falschen Alarm gegeben hatte, wurde er wütend und stellte ihn noch am gleichen Tag oben im Turm zur Rede. „Bis du noch ganz bei Trost, Alarm zu geben, wenn gar kein Feind zu sehen ist“, wollte er von Till wissen.

Der jedoch, voll gefuttert mit all den vielen Leckereien, die den Herrschaften zuvor entwendet hatte sagte nur: „Dann muss ich wohl fantasiert haben. Das hat wohl der Hunger gemacht, den ich geschoben habe, weil ihr mir nichts zu essen gebracht habt.“

Natürlich wurde Till sofort entlassen.

 

 

 

12. Till Eulenspiegel wird Soldat

Viele Berufe hat der Spaßvogel Till Eulenspiegel ausgeübt. Eines Tages, da war er sogar mal Soldat. Doch als die ersten Feinde vor den Stadttoren erschienen, da war Till der letzte, der der Stadt verließ, um sie zu verteidigen.

Aber, so wird bereichtet, er war auch der erste, der wieder in der Stadt eintraf, nachdem die Feinde in die Flucht geschlagen worden waren. So geschah es auch beim zweiten, dritten und vierten Überfall auf das kleine Städtchen.

Irgendwann hatte sein Oberst genug davon und stellte ihn zur Rede. „Ich habe lange Zeit nicht genug zu essen bekommen“, sagte Till frechweg. "Wenn ich wirklich als erster auf die Feinde zulaufen würde, dann würde es mir sehr schwer fallen, auch als Erster wieder in der Stadt zu sein, denn das würde ungeheure Energien kosten. Und überhaupt, diese ganze Rennerei ist nichts für mich und meine Gesundheit.“

Klar doch, dass Till Eulenspiegel von nun an kein Soldat mehr war und die Stadt sofort verließ.

 

 

 

13. Till wird Landbesitzer

Till Eulenspiegel wurde im Laufe seines Lebens nicht nur von einem Fürst aus dem Land gejagt. Nein, da gab es eine ganze Menge, die ihn am liebsten nur von hinten sahen.

So auch der Herzog von Lüneburg, den Till Eulenspiegel eines Tages ganz böse veralbert hatte. Als der Herzog das merkte, da schmiss er Till aus seinem Land heraus und drohte ihm, würde er es je wieder betreten, dann würde er ihn hängen lassen. So gekränkt war der Mann.

Natürlich sah Till Eulenspiegel zu, dass er schnell aus Lüneburg verschwinden konnte, doch wie das Leben so spielt. Kaum waren ein paar Jahre ins Land gezogen, da musste Till bei einer Reise genau dieses Gebiet wieder durchqueren.

Vorsichtshalber hatte er sich einen Wagen besorgt, der von einem klapprigen Gaul gezogen wurde. Und hinten, auf dem Fuhrwerk, da transportierte er eine ganze Menge Erde, in die sich Till Eulenspiegel so tief hinein gegraben hatte, dass nur noch sein Kopf mit seiner auffälligen Mütze herausblitzte.

Und es kam, wie es kommen musste: er begegnete dem Herzog von Lüneburg, der ihn natürlich sogleich erkannte. „Hatte ich dir nicht gesagt, dass du ein toter Mann bist, wenn du dich noch einmal in meinem Land sehen lässt?“, schrie der Herzog Till förmlich an.

Doch der blieb ruhig. „Herzog“, sagte er, „seht ihr denn nicht, dass ich gar nicht in eurem Land sitze, sondern in meinem eigenen? Die Erde hier, in der ich sitze, habe ich von einem rechtschaffenen Bauern zu einem fairen Preis erworben. Das ist meine Erde, mein Land.“

Der Herzog war sprachlos. So viel Dreistigkeit war ihm noch nicht untergekommen. „Sehe ich doch noch einmal“, sagte er, „dann lasse ich dich samt Pferd und Wagen aufhängen.“

 

 

 

14. Wie Till Eulenspiegel einem Esel das Lesen beibrachte

Manche Leute dachten tatsächlich, dass sie einem Mann wie Till Eulenspiegel gewachsen seien. Doch in der Regel behielt der Spaßvogel stets die Oberhand.

Ein paar ganz Schlaue verlangten eines Tages von ihm, dass er einem Esel das Lesen beibringen solle. Natürlich nahm Till Eulenspiegel die Herausforderung an, sagte aber, dass er wohl rund 20 Jahre dafür brauchen würde. Das sahen die Leute, die ihm den Auftrag erteilt hatten, wohl ebenso. Und schnell war man sich einig darüber, was Till als Lohn bekommen solle. 500 Taler sogleich, 500 Taler, sobald der Esel lesen könne.

Von nun an übte Till jeden Tag mit dem Tier. Er legte dazu ein großes altes Buch in die Futterkrippe, zwischen dessen Seiten er jedes Mal etwas Hafer legte. Das hatte der Esel bald spitz und so lernte er tatsächlich, mit seinem Maul Blatt für Blatt umzublättern, so dass es für Außenstehende aussah, als würde er lesen.

Nach einer Woche Übung ließ Till Eulenspiegel seine Herausforderer im Stall antanzen. „Seht“, sagte er zu ihnen, „was der Esel nur in sieben Tagen gelernt hat.“ Er legte das alte Buch in die Krippe, allerdings hatte er dieses Mal keinen Hafer zwischen den Seiten versteckt und zudem dem Esel einen ganzen Tag lang nichts zu fressen gegeben.

Das hungrige Tier stürzte sich auf das Buch, blätterte, so wie es gelernt hatte, die Seiten mit dem Maul um. Zwei, drei, doch als sich auch hinter der vierten Seite noch immer keine Belohung versteckte, da wurde der Esel ungeduldig und rief so laut er konnte: „I-a. I-a.“

Till Eulenspiegel sah die Männer an. „Seht ihn nun, zwei Buchstaben hat er bereits gelernt. Morgen beginne ich mit dem O und dem U.“ Als die Herausforderer diese Worte hörten, da wussten sie, dass auch sie nicht schlau genug für Till Eulenspiegel gewesen waren. Doch noch ehe sie ihn zur Rede stellen konnten, da war er wieder einmal verschwunden.

 

 

 

15. Till verärgert die Schneider

Als Till Eulenspiegel einmal in Rostock war, da kam er auf die Idee, alle Schneider aus der Umgebung anzuschreiben, um sie zu einem Seminar in die Stadt zu bitten. Dabei wollte er ihnen von ganz Bahn brechenden Dingen des Schneiderhandwerks berichten.

Natürlich nahmen alle Schneider der Umgebung die Einladung an. Wer möchte so einen Vortrag schon verpassen! Als sie zur verabredeten Stunde in dem Saal, den Till dafür eigens angemietet hatte, eingetroffen waren, da begann Eulenspiegel sogleich mit seinen Ausführungen.

„Meine Herren“, sagte er, „ich möchte euch gerne berichten, dass ihr nur eine Schere, einen Faden, einen Fingerhut und ein gutes Stück Stoff benötigt, um euer Handwerk auszuüben. Aber vergesst nie, in den Faden nach dem Einfädeln in das kleine Nadelöhr einen Knoten zu machen, denn sonst rutscht er euch wieder raus.“

Die Schneider sahen sich irritiert an. War das nicht das, was sie sowieso jeden Tag taten? Wo waren die Neuigkeiten, was sollten sie hier lernen?

Einem der Schneider wurde es schließlich zu bunt: „Das alles wissen wir seit 1000 Jahren“, rief er aus dem Zuschauerraum Till Eulenspiegel zu. „Wie alt bist du?“, wollte dieser wissen. Der Gefragte antwortete: „45 Jahre.“ „Wie kannst du das alles dann hier schon seit 1000 Jahren wissen“, fragte Till nun. Da war der Schneider sehr verdutzt.

Und alle sahen sehr schnell ein, dass auch sie von Till Eulenspiegel veralbert worden waren. Als sie ihn aber aus der Halle jagen wollten, da war er schon weg.

 

 

 

16. Till lässt drei Schneider wegwehen

In der Stadt Brandenburg hielt es Till Eulenspiegel ganze 14 Tage aus. Er hatte eine schöne Herberge, ganz nahe beim Marktplatz. Und wären da nicht die drei Scheidergesellen aus dem Nachbarhaus gewesen, dann wäre Till sicher noch länger in der Stadt geblieben.

Doch diese drei Gesellen hatten es auf Till abgesehen. Jedes Mal, wenn er an ihnen vorbeiging, dann machten sie sich über sein Aussehen lustig. Dazu muss man wissen, dass diese jungen Schneider stets draußen vor dem Laden arbeiteten, solange das Wetter das zuließ. Dazu holten sie jeden Morgen ein großes Brett aus der Werkstatt und legten es auf vier stabile Holzpfosten, die sie irgendwann einmal in den Boden eingelassen hatten – des sicheren Stands wegen.

Nach einigen Tagen Verhöhnerei wurde es Till Eulenspiegel zu bunt. In der Nacht, als alle schliefen, schlich er aus dem Haus und sägte alle vier Holzpfosten an. Davon hatte natürlich niemand etwas bemerkt und so legten am nächsten Morgen die drei frechen Schneidergesellen wieder ihr Brett auf die Pfosten und nahmen ihren Platz ein. Alles ging gut.

Zumindest so lange, bis der Schweinehirt kam und auf seinem Horn blies, um alle Schweine aus den Häusern zu locken. Und weil an diesem Tag Markt war und die Straßen voll gestopft mit Menschen, da suchten sich die Schweine den einfachsten Weg – unterhalb des Brettes hindurch, auf dem die Schneider saßen.

Und wie Schweine nun einmal so sind, sie stießen natürlich an die angesägten Pfosten, die sofort nachgaben und der Reihe nach umfielen. Die drei Schneider flogen und purzelten durcheinander. Das war ein komisches Bild. Alle Umstehenden lachten herzhaft, denn es sah aus, als wären die drei weggeweht worden. Doch niemand brachte diesen Spaß mit Till Eulenspiegel in Verbindung, denn keiner hatte ihn an diesem Morgen in der Stadt gesehen. Konnte auch niemand, denn die hatte er längst verlassen.

 

 

 

17. Till darf nicht Kürschner werden

In manche Stadt war Till Eulenspiegels Ruf im Laufe der Zeit schon vorgedrungen. So weigerten sich die Kürschner Leipzigs doch partout, ihm eine Arbeit zu geben! Sie waren nämlich von den Kollegen aus einer Nachbarstadt vor dem Schelm gewarnt worden.

Es war aber so, dass Fastnacht kurz bevor stand und sich die Kürschner Leipzigs zu einem Hasenessen treffen wollten. Till hatte davon gehört, sich ein Hasenfell besorgt und eine Katze gefangen, die er fein säuberlich in das Fell des Hasen einnähte. Dann machte er sich auf den Weg zu einem der Kürschner und bot – in Verkleidung versteht sich – dem Mann einen Hasen an. Er hätte von dem geplanten Essen gehört, sagte er.

Der Kürschner war sehr froh, dass der fahrende Händler, denn für einen solchen hielt er den verkleideten Till Eulenspiegel, das Tier anbot. So musste er nicht selbst auch noch zum Markt gehen, um einen Hasen für das Festmahl zu besorgen. Er bezahlte und ging mit dem Tier zum Stammtisch in die Kneipe, wo seine Kollegen bei einem Glas Bier beisammen saßen.

Einer von denen hatte seinen Jagdhund dabei, der sofort, als er die Katze im Hasenfell roch, unruhig wurde. Er begann zu bellen, was wiederum die Katze unruhig machte. Sie sprang dem Kürschner einfach vom Arm, rannte hinaus, er hinterher. Die Katze sprang auf den nächst besten Baum – und dort begann sie kläglich zu miauen. Nun wusste der Kürschner, dass Till Eulenspiegel auch ihn erwischt hatte?

Oder gab es tatsächlich miauende Hasen?

 

 

 

18. Till wird Milchhändler

Till Eulenspiegel reiste von Stadt zu Stadt. Von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. Auch in Bremen, hoch oben im Norden, machte er eines Tages Station. Dort rollte er, man mag es kaum glauben, einen riesengroßes Fass auf den Marktplatz.

Und als die Bäuerinnen mit ihren Milcheimern kamen, deren Inhalt sie gut verkaufen wollten, da sprach er die Frauen einfach an. „Füllt eure Milch hier in mein Fass“, sagte er. „Ich will es euch gut entlohnen.

Die Bäuerinnen hofften auf ein gutes Geschäft und eine nach der anderen entleerte ihren Eimer in Tills Fass. Als das Fass randvoll war, da richtete Till Eulenspiegel das Wort an alle Anwesenden. „Liebe Frauen“, begann er, „ich habe heute leider kein Geld bei mir, so dass ich eure Milch gar nicht bezahlen kann. Seid doch so lieb und kommt in zwei Wochen wieder, dann will ich eure Milch bezahlen.“

Das wollten die Frauen natürlich nicht und protestierten laut: „Gibt uns unsere Milch sofort zurück“, schrieen sie ihm entgegen. „Nehmt sie euch doch“, lachte Till. Und nun begann eine Rangelei unter den Frauen, die so in Bremen noch keiner gesehen hatte. Jede wollte die erste an dem großen Fass sein und ihren Anteil wieder aus dem Bottich holen. Die eine schubste die andere weg, und bald lag mehr Milch auf dem Boden als in den Eimer.

Zwei Bäuerinnen aber stritten so heftig, dass schließlich sogar das ganze Fass umkippte – und sich der Inhalt, die kostbare Milch, wie ein See über den ganzen Marktplatz verteilte. Und wo war Till Eulenspiegel? Natürlich verschwunden.

 

 

 

19. Eulenspiegel als Maler unterwegs

Als Till Eulenspiegel eines Tages den Landgrafen von Hessen kennen lernte, da fragte dieser ihn, welchen Beruf Till ausübe. „Ich bin Künstler“, sagte Till Eulenspiegel und wurde dabei noch nicht einmal rot. Nun freute sich der Landgraf mächtig, denn er dachte, einen Artisten vor sich zu haben. Denn diesen Eindruck macht Till Eulenspiegel ja in seinem bunten Gewand.

Als er Till aufforderte, das ein oder andere Kunststück zu zeigen, da klärte Eulenspiegel das Missverständnis schnell auf. „Ich bin ein Maler!", verkündete er nicht ohne Stolz. „Dann zeig mir einige deiner Werke“, entgegnete der Landgraf. Till zögerte einen Augenblick, zog dann aber aus der Satteltasche seines Pferdes einige Bilder flämischer Maler heraus, die er günstig erworben hatte. Diese gefielen dem Landgrafen prächtig, und so forderte er Till Eulenspiegel auf, auch ihm ein solches Kunstwerk zu schaffen.

Till versprach`s, ließ sich Staffelei, Farbe und Leinwand kommen und bat sich jede Störung aus. Dann schloss er sich in dem Saal, den ihm der Landgraf zu Hessen zur Verfügung gestellt hatte, ein. Die Wochen vergingen, ohne dass auch nur irgendjemand das Bild Till Eulenspiegels zu sehen bekam. Nach 21 Tagen ließ sich der Landgraf nicht mehr abwimmeln, er bestand darauf, sofort sein Bild sehen zu dürfen.

Und Till? Der willigte ein, führte den Landesherren vor die Staffelei, auf der das Bild, mit einem großen, weißen Laken bedeckt, stand. „Ich habe“, so sagte Eulenspiegel, „euren Urgroßvater mit seiner Frau und den Kindern, euren Großvater, euren Vater und gar euch selbst auf diesem Gemälde verewigt. Allerdings birgt es ein kleines Geheimnis. Wer nämlich unehelich geboren wurde, der wird nur eine große weiße Fläche sehen.“

Dann zog er das Laken von dem Bild ab. Und der Landgraf, der sah nichts. Nur eine große weiße Fläche. Da er nun aber nicht zugeben wollte, dass er unehelich geboren sei, da schwärmte er in höchsten Tönen von dem Bild.

Auch seine Frau, die Landgräfin, sah, als man sie mit ihrer Gefolgschaft gerufen hatte, natürlich nichts auf dem Bild. Wie hätte sie denn auch was sehen können. Till Eulenspiegel hatte ja nichts gemalt! Doch auch ihr und den Frauen, die bei ihr waren, erzählte der Schalk die Geschichte, wer unehelich geboren sei, der könne auf dem Bild nichts erkennen. Nun lobten alle, wie sie da standen, das Bild Eulenspiegels in den höchsten Tönen.

Nur eine nicht, aber die galt wenig in dem erlauchten Kreis der Hofdamen. Sie aber sagte: „Ich sehe rein gar nichts. Und ich kann ruhig zugeben, dass ich unehelich geboren bin, das weiß eh ein jeder.“ Nun kamen auch den anderen große Zweifel. Doch als sie von Till Eulenspiegel eine Erklärung wollten, tja, da war er schon wieder weg.

 

 

 

20. Till macht Wasser zu Wein

In Lübeck lebte einst ein Wirt, den mochten die Leute nicht gerne, weil er sie immer wieder betrog. Als Till Eulenspiegel davon hörte, machte er sich auf den Weg, um dem Mann ein Schnippchen zu schlagen.

Dazu führte er einen leeren Krug und einen Krug gefüllt mit Wasser mit sich. Den vollen Krug trug er unter seinem Hemd verborgen, den leeren offen im Arm. Als Till nun bei besagtem Wirt ankam, da bat er ihn, ihm einen Krug Wein zu verkaufen. Der Wirt schickte Till in den Weinkeller, er möge sich seinen Krug selbst füllen, was der auch ohne Zögern tat – er hatte ja schließlich den leeren Krug bei sich.

Dann aber sollte Eulenspiegel die Ware bezahlen und tat entrüstet, als er den Preis hört: „Zehn Taler, nein, die zahl ich nicht. Sechs würde ich euch geben für den Krug Wein.“ Der Wirt lachte. „Sechs Taler. Nie und nimmer gebe ich meinen edlen Tropfen dafür her. Gib den Krug zurück, ich fülle den Wein wieder in sein Fass.“

Unbemerkt vom Wirt hatte Till Eulenspiegel nun die Krüge getauscht, denn unter seinem Hemd trug er immer noch den, der mit Wasser gefüllt war. Und genau diesen gab er dem Wirt zurück, der hochmütig den vermeintlichen Wein ins Fass gab. Till schlich sich unterdessen weg – und hatte an diesem Abend ein wirklich köstliches Getränk.

 

 

 

21. Till serviert „gespickten“ Apfel

In Antwerpen lernte Till Eulenspiegel eines Tages in der Gaststube seiner Herberge einen Holländer kennen, der ein wahrer Witzbold war. Allerdings war Till an diesem Tag nicht zu Späßen aufgelegt, er fühlte sich krank und hatte sich deshalb Eier weich kochen lassen, die er nun verzehren wollte.

Als der Holländer die Eier sah, da sprach er Till Eulenspiegel an: „Hey du, magst du das Essen in diesem Wirtshaus nicht?!“ Und ehe sich Till Eulenspiegel versah, hatte der Mann ihm die Eier schon entrissen und – mir nichts dir nicht – verspeist. Nun gut, dacht Till, auch du wirst dein Fett abbekommen.

Am nächsten Tag besorgte er sich einen herrlich großen Apfel, den er fein säuberlich aushöhlte und mit Fliegen, Maden und Larven bestückte. Dann briet er den Apfel und bestäubte ihn herrlich rund herum mit Ingwer. Welch ein Duft!

Auf einem Teller trug Till Eulenspiegel den köstlich angerichteten Apfel am Abend in die Gaststube. Und gerade als er Messer und Gabel zur Hand nehmen wollte, um ihn zu verspeisen, da stürzte der Holländer auf Till Eulenspiegel zu und entriss ihm den Apfel, den er sogleich mit zwei oder drei Bissen verspeiste.

Aber dann kam es: Na ja, ein paar Minuten später rannte der Holländer nämlich wie der geölte Blitz aus der Gaststube heraus und übergab sich – mehr als einmal wie man hörte.

 

 

 

22. Till verhöhnt den Pfarrer

Natürlich gehen auch an einem Till Eulenspiegel die Jahre nicht spurlos vorüber. Immer älter wurde er und eines Tages, da lag er krank zu Bett in seinem Haus, da dachte er so vor sich hin, es wäre doch sicher gut, wenn er seine Sünden dem Pfarrer beichten würde bevor er sterben müsse.

So ließ er den Pfarrer kommen und der eilte sogleich herbei, denn wenn ein Till Eulenspiegel beichten will, dann gibt es sicher einiges zu hören. Der Pfarrer setzte sich an das Bett des Kranken und hörte seine Geschichten. Dabei ging ihm durch den Kopf, dass Eulenspiegel doch in seinem ganzen Leben jede Menge Geld angesammelt haben müsste.

Und da der Pfarrer keine Scheu kannte, fragte er ganz unverhohlen nach dem Geld. Till Eulenspiegel sagte: „Du sollst deinen rechtmäßigen Anteil haben. Komme morgen wieder.“ So geschah es auch. Derweil aber hatte Eulenspiegel einen Krug hergerichtet. Hinein hatte er – er war schließlich Till Eulenspiegel – einen dicken Haufen gelegt, auf den er, so dass man den Kot nicht mehr sehen konnte, einige Geldscheine gelegt hatte.

Als nun der Pfarrer kam, da reichte Eulenspiegel ihm das Gefäß und der Pfarrer, begierig wie er war, griff natürlich sofort hinein. Die ersten Geldscheine fischte er schnell heraus, doch wie veränderte sich sein Gesicht, als er in Tills Exkremente fasste. Da wusste er, dass Eulenspiegel ihn sogar noch auf dem Totenbett geneckt hatte.

 

 

 

23. Till Eulenspiegels Testament

Als die Zeit kam, das Till Eulenspiegel sterben musst, weil er alt und krank war, da machte natürlich auch er ein Testament. In drei gleiche Teile teilte er sein Vermögen auf: ein Teil, so verfügte er es, sollte an seine Freunde gehen, der zweite Teil an den Rat der Stadt und der dritte Teil schließlich an die Kirche.

Aber, und auch das verfügte Eulenspiegel, die Truhe, in der sich das Geld befinde, dürfe erst vier Wochen nach seinem Tod geöffnet werden. Außerdem müsse sein Leichnam natürlich auf einem geweihten Fleckchen Erde auf dem Friedhof begraben werden. Gerne stimmten seine Erben zu, denn sie waren sicher: Wer sein Leben lang nur von der Narretei gelebt hatte wie Till Eulenspiegel, der musste einfach ein schönes Sümmchen Geld im Laufe seines Lebens angehäuft haben.

Till Eulenspiegel also starb, wurde zu Grabe getragen und vier Wochen später, trafen sich die Erben, damit jeder sein Drittel des Vermögens mit nach Hause nehmen könne. Erstaunt aber waren alle, dass die Kiste, die Eulenspiegel ihnen hinterlassen, vollkommen leer war. Und da niemand an einen Streich von Eulenspiegel dachte, denn der war ja tot, da beschuldigten sich die Erben eben gegenseitig, das Geld gestohlen zu haben und gingen schließlich im Streit auseinander. Aber natürlich hatte Eulenspiegel nie Geld in die Kiste hinein gegeben.

 

 

 

24. Eulenspiegel stirbt im Spital

Sein Leben lang hatte Till Eulenspiegel Schabernack getrieben. Auch sein Abschied von dieser Welt hatte ganz besondere Dimensionen. Eulenspiegel starb in einem Krankenhaus, das man früher noch Spital nannte. Sein Leichnam wurde auf eine Bahre gelegt und im Flur abgestellt, so dass sich seine Freunde in Ruhe von ihm verabschieden konnten.

Doch kaum stand er dort, da bahnte sich auch schon das Spitalschwein mit seinen Ferkelchen einen Weg durch das Haus. Und siehe da, Tills Leichnam purzelte von der Bahre und die kleinen Ferkel wuselten um ihn herum.

Weil aber ein Toter so nicht liegen bleiben kann, nahmen seine Freunde den toten Till Eulenspiegel und legten ihn zurück auf die Bahre. Weil alles so schnell gehen musste, übersahen sie aber, dass sie ihn auf den Bauch – und nicht auf den Rücken, so wie es sich für einen Toten gehört – gelegt hatten.

Da mussten sie trotz ihrer Traurigkeit lachen. „Auch im Tod macht er noch Späße mit uns“, sagten sie, „und zeigt uns ganz deutlich, dass er nicht so begraben werden möchte wie jeder andere.“

 

 

 

25. Till Eulenspiegels Begräbnis

Till Eulenspiegel starb in hohem Alter. Doch auch sein Begräbnis war noch mehr als wunderlich. Denn als man den toten Spaßmacher, der sein ganzes Leben lang die Menschen nur verhöhnt hatte, zu Grabe trug, da ereignete sich etwas Seltsames.

Als man nämlich den Leichnam in die Gruft hinunter lassen wollte, da riss das Seil, an dem der Sarg befestigt war und purzelte in das Grab hinein. Allerdings nicht in Waage, so wie es sich gehörte, sondern es war so, dass Till Eulenspiegel quasi auf seinen Füßen zu stehen kam.

Da sagten alle, die der Beerdigung beiwohnten: „Lasst ihn so stehen. Er ist wunderlich gewesen in seinem Leben, lasst ihn wunderlich sein im Tod.“

Und so warfen sie das Grab zu und ließen Till Eulenspiegel auch im Tod auf seinen Füßen stehen. Die Freunde kauften einen Grabstein, den setzten sie ihm oben auf sein Grab. Und wer die Inschrift lesen will, der findet sie noch heute:

„Diesen Stein soll niemand erhaben, hier steht Eulenspiegel begraben“.