Robin Hood
- Autor: Pyle, Howard
Vorwort - Robin Hood
1. Robin Hood und der Kesselflicker
2. Preisschießen in Nottingham
3. Die braven Kameraden retten Will Stutley
4. Robin wird Metzger
5. Little John auf dem Jahrmarkt von Nottingham
6. Little John auf der Burg des Sheriff
7. Der Gerber von Blyth
8. Robin und Will
9. Midge, der Müller und ein lustiges Abenteuer
10. Allan a Dale
11. Der Mönch zu den Quellen
12. Robin vereint zwei Liebende
13. Robin hilft einem Ritter
14. Sir Richard bezahlt seine Schuld bei dem Prior von Emmet
15. Little John als Barfüßer
16. Robin als Bettler
17. Das Wettschießen auf dem Finsbury-Feld
18. Robin Hood wird gejagt
19. Guy von Gisbourne sucht Robin Hood
20. Hoher Besuch im Sherwood-Forest
21. Nachwort
Vorwort - Robin Hood
Einst lebte ein Straßenräuber im Sherwood-Forest unweit der Stadt Nottingham als König Heinrich II. England regierte. Sein Name war Robin Hood. Er war der geschickteste Bogenschütze weit und breit. Sieben Gefährten durchstreiften mit ihm die Wälder und es hatte nie freiere Männer gegeben als diese. Sie lebten tief im Sherwood-Forest. Sie ernährten sich von des Königs Wild, tranken frisches Bier und übten sich im Bogenschießen und im Stockkampf.
Sie alle waren Strauchdiebe. So wie sie gemeinsam lebten, so raubten und plünderten sie gemeinsam. Doch sie wurden vom Volk geliebt, da sich ein jeder Hilfe suchend an Robin Hood und seine Männer wenden konnte.
Robin war nicht immer ein Geächteter und Gesetzloser gewesen. Er zählte gerade einmal achtzehn Jahre, als es ein Wettschießen gab, das der Sheriff von Nottingham ausrichtete. Der beste Schütze sollte ein Fass Bier gewinnen und Robin fand, dass dies gerade das Richtige für ihn war. So machte er sich mit seinem Eibenholzbogen und gut zwei Dutzend Pfeilen auf, um von Locksley nach Nottingham zu wandern.
Wie junge Burschen es oft tun, war Robin in Gedanken an sein Mädchen versunken als er mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen in den warmen Maitag hineinwanderte. Auf seinem Weg nach Nottingham stieß er auf einige Förster, die unter einem großen Baum saßen und sich an Fleischpastete und Bier erfrischten. Sie waren gut gekleidet und als Robin herankam, sprach einer der Männer ihn an. "Na Kleiner? Hast du deinen Spielzeugbogen dabei? Wo willst du denn damit hin?" Die Männer lachten über den plumpen Scherz ihres Gefährten. Robin wurde wütend und antwortete: "Mein Bogen und meine Pfeile sind genauso gut wie Eure. Ich bin auf dem Weg nach Nottingham, dort will ich als bester Schütze das Fass Bier gewinnen."
Die Männer lachten laut und äußerten Ihre Zweifel, ob Robin überhaupt einen Bogen spannen könne. "Ich wette um zwanzig Taler, dass ich bei einer Zielscheibe auf dreihundert Fuß Entfernung genau das Zentrum treffe.", fauchte Robin. "Das kann jeder sagen.", versetzte einer der Männer. "Nur, dass wir gerade keine Zielscheibe in der Nähe haben." Robin wurde sehr böse und sah sich um. "Seht ihr das Rudel Hirsche dort drüben. Es ist mehr als dreihundert Fuß entfernt. Ich wette um zwanzig Taler, dass ich den besten Hirsch treffe." Einer der Förster sprang auf und rief: "Abgemacht. Ich halte dagegen. Ich wette zwanzig Taler, dass du überhaupt keinen Hirsch triffst." Robin spannte seinen Bogen, zielte und schoss. Mit einem hellen Sirren schnellte der Pfeil durch die Luft und der beste Hirsch des Rudels fiel tot zu Boden.
"Wie hat Euch der Schuss gefallen?", triumphierte Robin. "Schade, dass wir nicht um mehr Geld gewettet haben." Der Förster der Wette verloren hatte, wurde nun seinerseits wütend. "Diese Wette gilt nicht.", schrie er erbost. "Sieh zu, dass du weiterkommst, bevor ich dich windelweich prügele." Ein andere fügte hinzu: "Du hast einen Hirsch des Königs geschossen. Dafür werden dir die Ohren abgeschnitten. Los, Männer. Packt ihn." "Lasst ihn laufen. Er ist doch noch so jung.", mischte sich nun ein dritter Förster ein. Robin sah von einem zum anderen. Dann machte er wortlos kehrt und ging seines Weges.
Alles wäre gut gegangen, wenn die Förster nicht so viel Bier getrunken hätten. Der Erste, der das Wort an Robin gerichtet hatte, fühlte sich durch seinen guten Schuss bloßgestellt. Er griff nach seinem Bogen und sagte: "Dir werde ich Beine machen." Er schickte mit unsicherer Hand einen Pfeil dem davongehenden Robin hinterher. Er verfehlte ihn, aber Robin drehte sich um und schickte einen Pfeil zurück. "Auch ich bin ein Bogenschütze!", rief er. Der Förster sank getroffen zu Boden und war auf der Stelle tot. Robin verschwand so schnell er konnte im Wald, ehe die anderen Förster überhaupt zur Besinnung kamen. Sie verzichteten darauf, ihm nachzusetzen und legten stattdessen ihren Toten auf eine Bahre, um ihn nach Nottingham zu bringen.
Robin lief durch den Wald. Er hatte einen Menschen getötet. Dieses Wissen lag ihm nun schwer auf der Seele. "Wenn sie das Wort nicht an mich gerichtet hätten, wäre nichts geschehen. Nun muss ich hier im Wald bleiben, denn manche Dinge kann man einfach nicht mehr ändern."
Robin blieb also im Wald, der im Laufe der Jahre seine Heimat werden sollte. Er war nun geächtet und die fröhlichen Tage mit den jungen Mädchen und Burschen aus Locksley gehörten der Vergangenheit an. Er war ein Wilderer und ein Mörder dazu. Auf seinen Kopf wurde ein Kopfgeld von zweihundert Pfund ausgesetzt. Derjenige, der Robin vor das königliche Gericht brächte, würde dieses Geld erhalten. Es war der Sheriff von Nottingham, der Robin höchstpersönlich ergreifen wollte, denn der getötete Förster war ein Verwandter von ihm gewesen. Außerdem wollte er gern das Kopfgeld in seinen Beutel füllen.
Ein Jahr hielt Robin sich im Sherwood-Forest versteckt. In dieser Zeit kamen immer mehr Männer in die Wälder, die wie Robin geächtet und ausgestoßen waren. Sie scharten sich um Robin und machten ihn zu ihrem Anführer. Sie leisteten einen Schwur, den Bedrückern alles abzuknöpfen, was diese den Armen durch ungesetzliche oder ungerechte Steuern oder Strafen abgenommen hatten. Alle Armen jedoch sollten bei ihnen Hilfe und Schutz finden. Diesem Schwur blieben die Männer treu und das Volk merkte bald, dass es von Robin und seinen Männern nichts zu befürchten hatte. Diese halfen ihm sogar in Notzeiten mit Geld oder Nahrung. So wurden die Männer vom Sherwood-Forest die Helden des einfachen Volkes.
Eines Morgens rief Robin Hood seine Gefährten zusammen und verkündete: "Ich mache mich auf, um ein Abenteuer zu suchen. Seit 14 Tagen ist nichts mehr passiert und ich bin unruhig. Ihr bleibt hier. Achtet auf meinen Ruf. Vielleicht brauche ich Hilfe und dann werde ich dreimal in mein Horn stoßen." Damit ging er davon und wanderte durch den Wald. Er suchte ein Abenteuer, aber zunächst traf er nur ein dralles Mädchen an einem Feldweg, dem er flüchtig zulächelte. Auch eine feine Dame hoch zu Pferd und ein fetter Mönch mit einem Esel mit vollen Satteltaschen, die er von Ferne sah, reizten seine Abenteuerlust nicht. Ein Ritter in glitzernder Rüstung und ein Bürger aus Nottingham kreuzten ebenso seinen Weg, aber ein Abenteuer waren auch sie nicht.
Schließlich schlug Robin einen schmalen Pfad ein, der hinunter zu einem Bach führte. Ein Baumstamm diente als Brücke, um das andere Ufer zu erreichen. Robin betrat eben den Baustamm, als er von der anderen Seite einen hoch gewachsenen Fremden auf den Baustamm zukommen sah. Robin ging schneller, ebenso der Fremde, denn jeder wollten als Erster über den Bach.
"Halt!", rief der Fremde mit lauter Stimme. "Mach du Platz, und lass den besseren Mann zuerst hinüber." , versetzte Robin. "Mach selber Platz! Warte, denn der bessere Mann bin ich!", antwortete der Fremde. "Wir werden gleich sehen, wer der bessere Mann ist. Bleib da stehen, oder ich schieße dir einen Pfeil zwischen die Rippen." sagte Robin. "Was bist du doch für ein Feigling! Du hast einen Bogen und ich nur einen Stock, mit dem ich dir gleich das Fell gerben werde." Robin zuckte zusammen. "Niemand nennt mich einen Feigling! Warte nur, ich hole mir einen Stock und dann können wir kämpfen." "Ich bin gespannt.", rief der Fremde. "Ich warte auf dich." Robin eilte davon und schnitt sich einen ungefähr sechs Fuß langen Eichenstock. "Nun komm, Großmaul.", schrie er zu dem Fremden hinüber, der pfeifend auf seinen Stock gestützt wartete. Robin fand, dass er noch nie einen kräftigeren Mann gesehen hatte. Er überragte ihn selbst um Haupteslänge und obwohl Robin breitschultrig war, war der Fremde bestimmt um eine Elle breiter. "Wer zuerst im Bach liegt, hat verloren.", rief Robin.
Hart schlugen die Stöcke aufeinander. Robin hatte keine Angst, denn er war mit dem Stock fast so geschickt, wie mit dem Bogen. Er hatte aber seinen Gegner unterschätzt. Der Fremde war ein großartiger Kämpfer und so standen die beiden wohl eine Stunde und keiner wich auch nur einen Fingerbreit zurück. Jeder dachte für sich, dass der andere wahrlich ein guter Stockfechter sei, aber keiner bat um Gnade oder dachte daran, in den Bach zu fallen. Es gelang Robin, den Fremden zwischen den Rippen zu treffen. Er taumelte und wäre fast ins Wasser gestürzt, fing sich aber wieder und schlug heftig zurück. Der Stock krachte auf Robins Kopf, so dass das Blut spritze. Robin stürzte in den Fluss und versank. "Wo bist du?", rief der Fremde lachend in den Bach hinab. "Im Wasser.", antwortete Robin, der gerade wieder auftauchte und über sich selbst lachen musste. "Komm, hilf mir heraus.", forderte er den Fremden auf. "Mein Schädel brummt und ich muss zugeben, dass du ein tapferer Kämpfer bist."
Robin kroch ans Ufer und setzte sein Horn an die Lippen. "Du bist aber auch ein guter Stockfechter.", sagte der Fremde, als es plötzlich im Unterholz raschelte und knackte.
Robins Männer eilten herbei, allen voran Will Stutley. "Robin, ist dir was passiert? Du bist ja ganz nass. Hat er dich verletzt?" "Dieser Bursche hier hat mich verprügelt und mich dann ins Wasser geworfen.", erklärte Robin gut gelaunt. "Dann soll ihm das Gleiche geschehen.", rief Will und stürzte sich mit seinen Gefährten auf den Fremden. Robins Männer waren geschickt und schnell, aber der Fremde wehrte sich wacker und so mussten alle eine Menge Hiebe einstecken, bevor sie ihn überwältigen konnten.
Robin lachte so sehr, dass ihm der Bauch wehtat. "Lasst gut sein. Ihm soll nichts geschehen. Wie sieht es aus, Fremder. Willst du dich uns anschließen? Wir bieten dir ein grünes Wams und vierzig Taler. Dazu Wildbret und Bier. Sei meine rechte Hand. Du bist wahrlich ein besonderer Stockfechter." Der Fremde sah Robin böse an, denn es passte ihm nicht, dass man ihm das Fell gegerbt hatte. "Beim Stockfechten kannst du mir nicht das Wasser reichen. Unter einem Freibauern verstehe ich etwas anderes. Ich bleibe nur, wenn einer von euch besser mit dem Bogen umgehen kann als ich."
"Das ist sicher nicht schwer.", meinte Robin. "Siehst du dort die Eiche? Stutley wird ein Stück Rinde herausschneiden, sagen wir, vier Finger breit. Triffst du dieses Ziel, nenne ich dich einen Schützen." Der Fremde antwortete nicht, suchte sich den besten Bogen aus, zielte und schoss. Er traf das Ziel genau in der Mitte, warf Robin einen Blick zu und sagte: "Kannst du es besser?" Robin schaute zu der Eiche hin und lobte den guten Schuss des Fremden. Dann nahm er selber seinen Bogen und einen Pfeil, zielte und schoss. Er spaltete den Pfeil des Fremden genau in der Mitte. Während Robins Männer jubelten und grölten, trat der Fremde auf Robin zu. "So einen Schuss habe ich noch nie gesehen. Ich bin Euer Mann, wenn Ihr mich noch wollt." "Also ein neuer Mann für unsere Gefolgschaft.", lachte Robin. "Sag' uns nun deinen Namen." "Man nennt mich John Little.", antwortete der Hüne und sah die Männer trotzig an, die in lautes Lachen ausbrachen. Auch Robin musste lachen. "Also, ich glaube, wir werden dich Little John nennen.", grinste Will Stutley. "Ich werde dein Taufpate sein, weil du so klein und zart bist." "Mach dich ja nicht lustig über mich, sonst wird es dir noch Leid tun.", brauste John Little auf. Robin beruhigte die Männer. "Lass gut sein, der Name passt. Du bist Little John und dabei bleibt es. Nun müssen wir dieses unschuldige Kind nur noch taufen. Lasst uns also schnell ins Lager zurückkehren."
Die Männer gehorchten und bald hatten sie das Lager in den Tiefen des Waldes erreicht. Hier hatten die Männer Hütten aus Zweigen und Baumrinden gebaut. Weiche Binsen lagen unter Dammwildfellen. In der Mitte stand eine große Eiche unter deren ausladenden Zweigen Feste gefeiert wurden. Hier saß die andere Hälfte der Gefolgschaft und briet auf einem großen Feuer einige Rehgeißen. Man stach ein Fass Bier an und alle setzten sich. Little John saß zur Rechten Robins, denn er sollte fortan in der Schar der zweite Mann sein. Nach dem Essen rief Will Stutley zur Taufe und suchte sich die sieben kräftigsten Männer aus. Little John sprang auf und röhrte: "Wer mich anfasst, wird es bereuen."
Die Männer lachten und stürzten sich auf Little John. Sie packten ihn an Armen und Beinen und schleppten ihn im Kreis herum. Einer der Männer hatte eine Glatze, deshalb sollte er den Priester spielen. Mit einem Krug Bier in der Hand trat der falsche Priester vor und fragte in salbungsvollem Ton: "Wer bringt dieses Kind und wie soll es heißen?" "Ich bringe es und sein Name soll Little John sein.", grinste Will Stutley. Der Priester nickte. "Nun gut, Little John. Hast du bisher John Little geheißen, ist dies nun vorbei. Von nun an wirst du leben und dein Name sei Little John. So sei es, weil ich dich nun taufe." Mit diesen Worten schüttete er das Bier über Little Johns Kopf. Dieser wollte erst böse sein, aber als er sah, dass alle anderen lachten, konnte er auch nicht anders als fröhlich sein und in ihr Gelächter mit einzustimmen.
Robin nahm Little John beiseite und kleidete ihn in das grüne Tuch der Männer vom Sherwood-Forest. In Little John hatte Robin einen seiner treuesten Weggefährten gefunden, der seine rechte Hand wurde. So kam es also, dass Robin als Geächteter eine Schar Männer um sich im Sherwood-Forest versammelte. Hier endet das Vorwort und ich werde euch nun erzählen, wie der Sheriff von Nottingham dreimal versuchte, Robin einzufangen und dreimal scheiterte.
1. Robin Hood und der Kesselflicker
Zweihundert Pfund waren auf Robins Kopf ausgesetzt und der Sheriff von Nottingham hatte geschworen, sich persönlich um Robins Ergreifung zu kümmern. Der Sheriff wusste nicht, dass Robin im Wald viele Gefolgsmänner gefunden hatte, deshalb glaubte er, Robin eine Vorladung zustellen zu können. Eine Vorladung wurde jedem zugestellt, der das Gesetz übertrat. Die Leute in und um Nottingham aber lachten, denn sie kannten Robin Hood besser. Keiner wollte die Vorladung zustellen. "Seltsam.", wunderte sich der Sheriff. "ich habe achtzig Goldpennys für diesen Botengang geboten. Warum hat sich bisher denn niemand gemeldet?"
"Robin Hood hat viele Freunde um sich versammelt und aus einer Vorladung macht er sich sicherlich gar nichts.", sagte einer der Gefolgsmänner des Sheriffs. "Niemand wird sich für diesen Botengang melden, denn niemand möchte seine heilen Knochen riskieren." Der Sheriff war wütend. "Sind denn alle Männer hier Feiglinge?", tobte er. "Derjenige, der eine Vorladung von König Heinrich missachtet soll vierzig Ellen hoch gehängt werden. Und wenn die Männer von Nottingham so feige sind, dann finde ich einen Mann von echtem Schrot und Korn eben anderswo."
Bald schon schickte der Sheriff einen Boten nach Lincoln, der dort versuchen sollte jemanden zu finden, der Robin Hood die Vorladung zustellen wollte. Der Weg von Nottingham war trocken und staubig. Auch die Kehle des Boten war trocken. Als er auf halben Weg das Schild des Wirthauses "Zum blauen Eber" entdeckte, war er froh. Erleichtert sprang er vom Pferd, um ein bisschen zu rasten. Um seinen Durst zu löschen, bestellte er ein Bier und genoss den Schatten der hohen Eichen.
Er war nicht allein in dem Wirtshaus. Vor dem Gasthaus saßen ein Kesselflicker, zwei Barfüßer-Mönche und sechs Förster des Königs. Sie sangen und tranken und lachten. Der Lauteste und Lustigste unter ihnen war der Kesselflicker. Tasche und Hammer hatte er an einen Baum gehängt und sein Stock, der so dick wie ein Handgelenk war, lehnte in der Nähe.
Einer der Förster prostete dem Boten zu und rief: "He, Wirt! Ich gebe eine Runde aus. Und du, setz dich zu uns." Der Bote nahm die Einladung gern an, denn sein Becher war schon leer. "Nun?", fragte der Förster, als der Bote sich gesetzt hatte. "Was bringst du für Neuigkeiten?" Der Bote war ein Angeber und ein Großtuer, der nur zu gern seine Neuigkeiten vor den Männern ausbreitete. Er erzählte die ganze Geschichte von Anfang an; wie Robin den Förster totgeschossen hatte und in den Wald fliehen musste, wie er nun gesetzlos und vom Wild des Königs lebte. Er erzählte auch, dass Robin von Rittern, Junkern oder Äbten Wegezoll verlangte und dass der Sheriff - der Himmel segne ihn, da er dem Boten jeden Sonnabend sechs Penny, zum Michaelisfest ein Fass Bier und eine fette Gans zu Weihnachten zahle, Robin nun eine Vorladung zustellen lassen wolle. In ganz Nottingham habe man keinen Mann gefunden, der diese Aufgabe übernehmen wollte, weil alle um ihre heilen Knochen fürchteten. Nun suche der Sheriff einen mutigen und tapferen Mann in Lincoln, um Robin die Vorladung zu überbringen.
Die Förster, die Barfüßer-Mönche, der Kesselflicker und auch der Wirt und die Wirtin lauschten dem Boten mit gespannten Gesichtern. Schließlich sagte der Kesselflicker: "Ich komme aus Banbury. Weder in Nottingham noch in Sherwood gibt es einen, der sich mit mir messen könnte. Ich habe Simon aus Ely auf dem Jahrmarkt zur Herford besiegt. Ich habe noch nie von diesem Robin Hood gehört. Er mag zwar ein Draufgänger sein, aber ich bezweifle, dass er stärker ist als ich. Ich glaube auch nicht, dass er schlauer ist. Man nennt mich Wat mit dem Knotenstock und ich werde diesem Tunichtgut das Handwerk legen. Ich werde ihm die Vorladung überbringen und wehe, wenn er sie missachtet! Dann werde ich ihm ein paar Schläge auf den Schädel verpassen, dass er sich nicht mehr rühren kann. Darauf trinken wir noch einen!"
Der Bote sprang auf. "Ich glaube, du bist der richtige Mann für diesen Auftrag. Am besten kommst du gleich mit nach Nottingham." Der Kesselflicker schüttelte den Kopf. "Ich komme nur aus freien Stücken mit und nicht, weil es mir irgendjemand befiehlt." Der Bote nickte zustimmend. "Das verstehe ich. Der Sheriff hat achtzig Goldpennys für denjenigen ausgesetzt, der die Vorladung überbringt. Ich bin sicher, einen so tapferen Mann wie dich kann man zu nichts zwingen." Der Kesselflicker sah den Boten gierig an. "Nun, tapfer bin ich. Und achtzig Goldpennys sind nicht zu verachten. Lass mich nur rasch meinen Beutel, meinen Hammer und meinen Stock holen. Dann komme ich mit dir und werde diesem Robin schon zeigen, dass man eine Vorladung des Königs nicht zu missachten hat." Der Kesselflicker holte seine Sachen und der Bote bezahlte die Rechnung. Dann saß er auf und lenkte sein Pferd wieder in Richtung Nottingham. Der vorlaute Kesselflicker lief mit langen Schritten neben dem Pferd her.
Nicht lange darauf wanderte Robin nach Nottingham. Pfeil und Bogen trug er auf dem Rücken und an der Hüfte baumelte sein Jagdhorn. Auf seinem Weg begegnete er einem Kesselflicker, der ein fröhliches Lied auf den Lippen hatte. Auf dem Rücken trug er Hammer und Beutel und in der Hand hatte er einen festen Eichenstock mit einer Länge von sechs Fuß. "Hallo, guter Freund.", grüßte Robin höflich, aber der Kesselflicker sang weiter, als habe er Robin nicht bemerkt. "Hallo!", wiederholte Robin seinen Gruß, aber der Kesselflicker sang unbeirrt weiter. "Bist du taub? Ich habe dich gegrüßt.", rief Robin nun ärgerlich. Der Kesselflicker hörte zu singen auf und sah Robin an. "Und wer bist du, dass ich für dich mein schönes Lied unterbrechen soll? Gut Freund? Wer weiß! Ich hoffe es, sonst wird es schlimm für dich enden." "Lass uns gute Freunde sein.", beschwichtigte Robin den Kesselflicker. "Woher kommst du?" "Ich komme aus Banbury." "Wirklich?", rief Robin. "Von dort habe ich ja schlimme Nachrichten gehört. Zwei Kesselflicker sollen im Gefängnis sitzen, weil sie betrunken waren." "Ach, halt doch den Mund.", schimpfte der Kesselflicker. "Aber es ist schon traurig, wenn zwei ehrliche Gesellen im Gefängnis sitzen müssen." Robin lachte. "Ich glaube, du verstehst nicht. Schlimm ist, dass nur zwei Kesselflicker im Gefängnis sitzen und der Rest immer noch frei herum laufen darf." "Lass deine schlechten Witze.", fauchte der Kesselflicker. "Warum läufst du denn noch frei herum, wenn man Leute, die Bier trinken, einsperrt?"
Robin lachte wieder. Dann sagte er: "Du hast gut pariert. Du hast Recht, ich liebe das Bier und deshalb wollen wir nun zusammen trinken. Komm mit mir in den "Blauen Eber". Wenn du so trinken kannst, wie du aussiehst, dann wird dir das Bier dort gut schmecken." Der Kesselflicker lachte nun auch und antwortete: "Du bist ein feiner Kerl, auch wenn deine Witze schlecht sind. Gerne komme ich mit dir in den "Blauen Eber"."
Die beiden machten sich auf den Weg und Robin fragte: "Was gibt es für Neuigkeiten? Kesselflicker sind doch immer volle Neuigkeiten, oder?" "Natürlich sind wir das.", grinste der Kesselflicker. "Ich habe schon Neuigkeiten, aber eigentlich sollte ich sie für mich behalten. Aber ich will nicht so sein. Also: ich habe einen wichtigen Auftrag. Ich bin hier, um den Räuber Robin Hood zu finden, der in dieser Gegend sein Unwesen treibt. Ich habe eine Vorladung für ihn hier in meinem Beutel, die soll ich ihm überbringen und ich werde ihm alle Knochen im Leibe zerbrechen, wenn er sie missachtet. Sag, guter Freund, kennst du diesen Robin Hood?"
"Ja, ich kenne ihn.", antwortete Robin. "Ich habe ihn heute Morgen sogar noch gesehen. Pass nur auf, denn die Leute sagen, dass er ein gerissener und gemeiner Dieb ist. Zuletzt stiehlt er dir noch die Vorladung aus deinem Beutel!" "Wehe ihm!", rief der Kesselflicker aufgebracht. "Wenn er auch ein Schlitzohr ist, ich bin auch ausgeschlafen! Was ist er denn für ein Mensch, dieser Robin?" "Eigentlich ist er nicht viel anders als ich.", meinte Robin. "Er ist ungefähr so groß wie ich, ungefähr so alt wie ich und ich glaube, er hat auch blaue Augen, so wie ich." "Übertreibe nicht.", brummte der Kesselflicker gutmütig. "Du bist ja noch ein Grünschnabel, eine halbe Portion. Robin Hood aber muss ein kräftiger Kerl sein, sicher hat er einen struppigen Bart und ist riesig groß. Schließlich haben alle Leute Angst vor ihm." Robin schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Er ist nicht so alt und riesig wie du denkst. Außerdem soll er gut mit dem Fechtstock sein." Der Kesselflicker schnaubte nur und murmelte etwas davon, dass er ja schließlich Simon aus Ely besiegt habe und ebenfalls gut im Fechten sei. Dann sagte er: "Wenn du Robin Hood kennst, kannst du mich dann nicht zu ihm führen? Ich bekomme achtzig Goldpennys für den Auftrag, davon sollst du zehn haben, wenn du mich zu ihm bringst."
Robin tat so, als überlege er. "Zeig mir doch erst einmal die Vorladung, damit ich weiß, dass du kein Aufschneider bist." Der Kesselflicker wehrte erschrocken ab. "Nein, nein! Die Vorladung darf ich niemandem zeigen." Robin zuckte mit den Schultern und lächelte: "Wem willst du diese Vorladung zeigen, wenn nicht mir? Aber sieh' nur: wir sind beim "Blauen Eber" angekommen. Nun werden wir uns zuerst einmal das Bier schmecken lassen!"
Der "Blaue Eber" war der netteste Gasthof in Nottinghamshire. Er stand inmitten hoher Eichen und es rankten sich Efeu und Waldreben an ihm empor. Das Bier war das beste Bier weit und breit. Und im Winter, wenn der Nordwind heulte, war es im "Blauen Eber" am gemütlichsten, weil das Feuer so prächtig prasselte. Robin Hood und seine Männer waren im "Blauen Eber" wohl bekannte Gäste. Oft hatten sie im "Blauen Eber" gesessen und getrunken. Der Wirt war verschwiegen, denn Robin und seine Männer waren seine besten Kunden. Sie tranken viel, zahlten bar und ließen nie etwas anschreiben. Auch jetzt ließ der Wirt sich nicht anmerken, dass er Robin kannte. Robin bestellte zwei Krüge Bier und sagte zum Kesselflicker. "Setz dich nur schon hin. Ich will sehen, dass der Wirt uns auch sein bestes Bier gibt. Er bekommt es aus Tamworth." So ging er hinein zum Wirt und bat ihn, in das Bier für den Kesselflicker auch einen gehörigen Schuss flämischen Schnaps zu mischen. Der Wirt tat, was Robin wünschte. So tranken Robin und der Kesselflicker Bier, bis dem Kesselflicker die Zunge und der Kopf schwer wurden. Schließlich schlief der Kesselflicker sturzbetrunken ein.
Robin holte rasch die Vorladung aus dem Beutel des Kesselflickers. Er bezahlte beim Wirt die Zeche und bedankte sich. "Fordere noch einmal zehn Schilling von dieser Schnapsdrossel, wenn sie erwacht. Wenn er nicht zahlen will, dann behalte seinen Hammer und seinen Beutel. Das ist meine Strafe für alle, die hierher kommen und mir etwas Böses wollen. Und du Wirt, kannst die Zeche zweimal bekommen." Dann eilte er davon. Spät am Abend erwachte der Kesselflicker und war verwirrt und böse. "Ich muss Robin Hood finden!", schrie er. "Aber du hast doch vorhin mit ihm gezecht und geschwatzt.", antwortete der Wirt und tat ganz erstaunt. "Das habe ich nicht gewusst. Das war Robin Hood?", brauste der Kesselflicker auf. "Warum hast du mir das nicht gesagt? Gleich bekommst du meinen Eichenknüttel zu spüren!" "Ich konnte doch nicht wissen, dass du Robin nicht kanntest.", verteidigte sich der Wirt. "Spar dir deine Worte.", knurrte der Kesselflicker. "Ich muss jetzt weiter." "Aber nicht, ohne die Zeche zu bezahlen.", sagte der Wirt und stellte sich dem Kesselflicker in den Weg. "Aber... ich habe gar kein Geld.", gab der Kesselflicker nun kleinlaut zu. "Das ist nicht meine Sorge.", versetzte der Wirt. "Wenn du kein Geld hast, lass mir deinen Beutel und dein Wams hier. Das ist zwar keine zehn Schilling wert und ich werde bei diesem Geschäft drauf zahlen, aber so sei es denn. Mach' schon oder ich hetze den Hund auf dich." Der Kesselflicker sah ein, dass Robin Hood ihn überlistet hatte. Und mit Hunden hatte er schlechte Erfahrungen gemacht. Also gehorchte er. Er zog das Wams aus und legte den Beutel dazu. Dann verließ er die Schenke, während der Wirt ihm freundlich nachwinkte.
Einige Tage später traf der Kesselflicker erneut auf Robin. Zunächst standen sich die beiden schweigend gegenüber. Dann knurrte der Kesselflicker: "Wie gut, dass ich dich treffe. Ich möchte dir gern sämtliche Knochen im Leibe brechen und wenn ich es nicht kann, dann darfst du mir den Fuß in den Nacken setzen." Robin antwortete gelassen: "Das werde ich auch tun. Komm nur und versuche, mir dir Knochen zu brechen." Der Kesselflicker spuckte in die Hände und packte seinen Stock fester. Hart schlug er los, aber er musste nach einigen Hieben feststellen, dass er in Robin seinen Meister gefunden hatte. Der Kesselflicker war sehr wütend und hieb mit immer größerer Kraft auf Robins Stock ein, bis dieser schließlich zerbrach. "Jetzt hat dein letztes Stündlein geschlagen!", brüllte der Kesselflicker. Robin aber hob schnell sein Jagdhorn an die Lippen und blies dreimal hinein.
"Blas du nur!", höhnte der Kesselflicker. "Du musst ja doch mit nach Nottingham." "Das glaube ich nicht.", versetzte Robin. "Ich habe mich noch keinem Mann ergeben und das werde ich auch heute nicht tun. Hier sind meine Freunde. Seht nur, dieser Kesselflicker will mich nach Nottingham führen. Dort will er mich hängen sehen." Little John war zu Robin getreten und hatte ihm aufmerksam zugehört. "Nun, dann werden wir jetzt eben diesen Kesselflicker aufhängen.", schlug er vor und er und die anderen gingen langsam auf den Kesselflicker zu, um ihm ein Leid anzutun.
"Wartet!", fuhr Robin dazwischen. "er ist ein Kesselflicker. Außerdem kann er ziemlich gut singen. Sag, Kesselflicker, willst du dich uns vielleicht anschließen? Du bekommst drei Jacken aus grünem Tuch und zwanzig Taler. Wir führen ein schönes Leben im Sherwood-Forest und kennen keine Sorgen. Willst du mit uns kommen?" Der Kesselflicker blickte von einem zum anderen. "Nun, ich bin ehrlich genug zuzugeben, dass du tapferer und schneller bist als ich. Du hast mich zwar überlistet und mir böse mitgespielt, aber du bist einfach der bessere Mann. Ich werde dir immer gehorchen und ein treuer Diener sein."
Der Kesselflicker ging mit Robin und seinen Männern in den Wald. Dort sang er für sie seine Lieder, bis Allan a Dale zu der Schar stieß, dessen weiche Stimme alle anderen Stimmen übertraf, aber davon werden wir noch berichten.
2. Preisschießen in Nottingham
Die Leute lachten und machten sich über den Sheriff lustig als sie hörten, wie Robin ihn zum Narren gehalten hatte. Das ärgerte den Sheriff sehr. Er schwor, den Kesselflicker zu hängen, wenn er seiner habhaft würde. Dass Robin einer Vorladung nicht gefolgt war, wollte er persönlich dem König berichten. Deshalb bereitete er sich auf eine Reise nach London vor.
Die Eskorte des Sheriffs wurde mit neuen Waffen ausgestattet, so dass bis spät in die Nacht die Schmiedefeuer glühten. Als endlich alles bereit war, brach man auf. Achtundvierzig Stunden später tauchten die Türme der Stadt London vor den Reisenden auf. Der Sheriff und seine Leute ritten in die Stadt und wurden von vielen Menschen auf der Straße wegen ihrer schimmernden Rüstungen und die prächtigen Rüstungen bewundert. Der Sheriff und seine Leute ritten zum Hof von König Heinrich und seiner schönen Frau Eleonore von Aquitanien.
"Was wollt ihr?", fragte der König. Der Sheriff von Nottingham verbeugte sich untertänig. "Mein Herr und König, im Sherwood-Forest treibt ein Räuber sein Unwesen. Sein Name ist Robin Hood. Ich ließ ihm eine Vorladung zu stellen, aber er verprügelte den Boten und entwendete die Vorladung. Er lebt von Eurem Wild und beraubt brave Männer auf Euren Landstraßen."
Der König hörte den Klagen des Sheriffs mit ernster Miene zu. Als dieser geendet hatte, sagte der König: "Ich habe von diesem Robin gehört und muss zugeben, dass mich seine Streiche manchmal zum Schmunzeln brachten. Ich weiß, dass er unverschämt und frech ist, aber er hat auch Charme. Was also soll ich Eurer Meinung tun? Wie ich sehe, sind Eure Männer schwer bewaffnet. Und da wollt Ihr behaupten, Ihr könntet nicht selber für Recht und Ordnung sorgen? Ihr verschwendet meine Zeit. Verschwindet, und seht zu, was Ihr selber gegen diesen Robin ausrichten könnt. Aber bedenkt, dass Ihr kein Sheriff für uns seid, wenn Ihr nicht mit dem Schlitzohr Robin fertig werdet. Und nun fort mit Euch!"
Der König drehte sich um und ließ den Sheriff stehen. Dieser kochte vor Wut und ärgerte sich, dass er so viele Männer mit nach London gebracht hatte. Nun hielt der König ihn für einen Versager, der trotz einer beeindruckenden Schar Recht und Gesetz nicht durchsetzen konnte.
Langsam ritt er mit seinen Männern nach Nottingham zurück und dachte dabei darüber nach, wie er Robin eine Falle stellen könnte. Schließlich hatte er eine Idee. "Ich muss Robin nach Nottingham locken, denn dort kann er mir nicht entwischen. Und wie stelle ich das an? Ganz einfach: Wir veranstalten ein Preisschießen mit einem schönen Preis. Sicherlich könnte ich Robin so dazu verleiten, sich nach Nottingham zu begeben."
Kaum hatte der Sheriff also Nottingham erreicht, da schickte er in alle Himmelsrichtungen Boten aus, die das Preisschießen ankündigten. Eingeladen war jeder, der mit einem Bogen umgehen konnte. Der Preis aber für den besten Schützen sollte ein Pfeil aus reinem Gold sein.
Auch Robin hörte von diesem Preisschießen. Er versammelte seine Männer um sich und sagte: "Der Preis bei diesem Wettbewerb soll ein Pfeil aus Gold sein. Ich finde, einer von uns sollte diesen Preis bekommen. Ein goldener Pfeil ist ein wirklich schöner Pfeil und außerdem hat unser Sheriff diesen Preis gestiftet." Robins Männer lachten. Der junge David aus Doncaster bemerkte: "Robin, das ist eine Falle. Ich komme gerade aus dem "Blauen Eber" und bin mir sicher. Der Sheriff will dich mit diesem Preisschießen in die Falle locken. Bleib lieber hier im Wald, sonst wird es dir noch schlecht ergehen." Robin sah seinen Gefolgsmann freundlich an: "Du bist sehr aufmerksam, David, und ich danke dir für deinen Warnung. Aber ich lasse mir nicht sagen, dass ich mich vom Sheriff von Nottingham einschüchtern lasse. Ich werde an diesem Bogenschießen teilnehmen. Natürlich werden wir zu einer List greifen und uns verkleidet nach Nottingham schleichen. Ich selbst möchte den goldenen Pfeil erringen und wenn ich ihn habe, hängen wir ihn als Siegeszeichen an unsere große Eiche. Seid ihr dabei?" Robin Männer brachen in einen begeisterten Jubel aus. "Wir sind dabei!"
Der Tag des Preisschießens kam heran. Nottingham war prächtig geschmückt. Es gab Tribünen für die Ritter und die Gutsherren samt ihrer Damen. Ein mit bunten Bändern geschmückter erhöhter Sitz stand für den Sheriff und seine Gemahlin bereit. Überall flatterten bunte Fähnchen und Wimpel, wer Durst hatte konnte sich mit Bier versorgen, das für die Schützen bereit stand. Schon früh begannen sich die Tribünen zu füllen und das ärmere Volk lagerte auf der Wiese vor dem Turnierplatz. Die Schützen sollten sich in einem großen Zelt versammeln. Dort sprachen sie über frühere Erfolge und überprüften noch einmal ihre Pfeile und ihren Bogen. Es waren berühmte Bogenschützen unter ihnen, wie Gilbert o' the Red Cap, Diccon Cruikshank und Adam o' the Dell. Aus dem ganzen Land waren diese Schützen angereist, um an dem großen Preisschießen des Sheriffs teilzunehmen.
Der Sheriff erschien, als die Tribünen besetzt waren. Er war prächtig gekleidet und ritt auf einem edlen Ross. Seine Gemahlin war wie er auf das Prächtigste gekleidet und sie ritt eine braune Stute. Als beide ihren Platz eingenommen hatten, blies der Herold in sein silbernes Horn und verkündete dann die Regeln des Wettkampfes. "Der Standplatz ist hundertfünfzig Yard vom Ziel entfernt. Jeder darf einen Pfeil schießen. Die zehn besten Schützen werden ausgewählt und dürfen wieder schießen. Jeder dieser zehn darf zwei Pfeile schießen. Dann werden die drei besten Schützen gegeneinander antreten, die noch einmal drei Pfeile schießen dürfen. Der Beste von diesen letzten Dreien erhält den Preis."
Während der Herold die Regeln erklärte, suchte der Sheriff mit den Augen die Menge ab. Wo war Robin Hood? Hatte er die Falle vielleicht gewittert und war gar nicht erschienen? Der Wettkampf begann. Die Schützen traten gegeneinander an und zeigten wahres Können. Unter den zehn Besten befanden sich dann auch Gilbert o' the Red Cap, Adam o' the Dell, Diccon Cruikshank, William o' Leslie, Hubert o' Cloud, Swithin o' Hertford, des Weiteren zwei Freibauern aus Yorkshire, ein groß gewachsener Fremder aus London und ein Fremder, dessen Gewänder scharlachrot, aber sehr zerrissen waren. Er trug eine Binde über einem Auge.
Der Sheriff ließ seine Augen wandern. "Seht ihr unter diesen zehn etwa den Räuber Robin Hood?", fragte er nervös einen Ritter, der neben ihm stand. Der Ritter schüttelte den Kopf. "Sechs von diesen Männern sind mir persönlich bekannt. Der eine Fremde hat einen braunen Bart und der von Robin ist blond. Außerdem ist er auf einem Auge blind. Der andere Fremde ist zu schmal. Von den beiden Freibauern aus York ist der eine zu groß, der andere zu klein, um Robin zu sein." "Dann ist dieser Robin Hood also auch noch ein Feigling!", schnaubte der Sheriff verächtlich.
Der Wettkampf ging weiter. Drei Schützen durften ihr Glück abermals versuchen. Es waren Gilbert o' the Red Cap, Adam o' the Dell und der zerlumpte Fremde mit den scharlachroten Gewändern. Die Menge jubelte den Schützen zu. "Wenn du gewinnst, gebe ich dir noch hundert Silberpennys obendrein.", rief der Sheriff Gilbert o' the Red Cap zu, denn dieser war ein Mann des Sheriffs. Gilbert nickte und spannte seinen Bogen. Der Pfeil surrte und bohrte sich nur einen Fingerbreit über dem Zentrum in die Zielscheibe. Während die Menge noch jubelte, trat der zerlumpte Fremde vor, spannte seinen Bogen und schoss. Das alles ging so schnell, dass man kaum den Pfeil mit den Augen verfolgen konnte. Und doch traf er viel genauer als vor ihm Gilbert o' the Red Cap.
"Ein vorzüglicher Schuss.", gab der Sheriff zu und beobachtete Adam o' the Dell. Auch dieser traf die Zielscheibe in der Nähe des Zentrums. Beim zweiten Durchgang lag der Fremde wieder vorn. Bei dritten Mal traf Gilbert o' the Red Cap fast das Zentrum und der Sheriff glaubte, damit wäre der Wettkampf schon entschieden. Da trat der Fremde vor, zielte und schoss wie schon zweimal zuvor. Sein Pfeil riss Gilberts Pfeil die Feder fort, bevor er sich genau in das Zentrum der Zielscheibe bohrte. Die Menge hielt den Atem an. Adam o' the Dell schüttelte den Kopf. "Ich schieße heute nicht mehr. Mit diesem Schützen kann sich keiner messen." Damit ließ er seinen Bogen sinken.
Der Sheriff ergriff das Wort. "Nun Fremder, wie ist dein Name? Hier ist dein Preis, den du dir redlich verdient hast." Der Fremde verbeugte sich und antwortete: "Ihr könnt mich Jack o' Teviotdale nennen, denn ich komme aus Teviotdale." "So lass dich feiern, Jack o' Teviotdale. Nie habe ich einen besseren Bogenschützen gesehen. Nicht einmal Robin Hood, der feige Hund, übertrifft dich. Tritt in meine Dienste und du wirst vom Besten essen und trinken. Zu Weihnachten bekommst du achtzig Taler und eine bessere Jacke als die deine." "Ich will frei bleiben und keinen Herren in England über mir wissen.", sagte der Fremde grob. "Was fällt dir ein!", ereiferte sich der Sheriff. "Mach dich fort oder ich lasse dich für deine Unverschämtheit prügeln." Damit ließ er den Gewinner des Preisschießens stehen.
Am Abend saß eine recht bunte Schar unter der Eiche im Sherwood-Forest. Neben vielen Barfüßer-Mönchen sah man Kesselflicker, Bettler und Landleute sitzen und einen zerlumpten Mann, der scharlachrote Gewänder trug. In der Hand hielt einen goldenen Pfeil. Lachend riss er sich die Augenbinde herunter und zog die Lumpen aus. Nun war er grün gekleidet und ohne Zweifel der Herr der Wälder, Robin Hood. "Nie hätte ich geglaubt, dass es so leicht sein würde!". Lachte er. "Ein bisschen Walnusssaft für den Bart und ein schmutziges Gewand mit Augenbinde. Oh, Sheriff, du lässt dich sehr leicht täuschen." Auch die anderen Männer lachten.
Alle setzten sich zu einem feierlichen Mahl zusammen. Robin sagte zu Little John: "Ich würde unseren Sheriff gerne wissen lassen, wer den Pfeil gewonnen hat. Ich bin nicht der Feigling, für den er mich hält." Little John nickt. "Will Stutley und ich werden das übernehmen. Wir werden unserem dicken Sheriff eine unerwartete Botschaft zu kommen lassen."
Der Sheriff saß an diesem Abend an seinem Tisch und verzehrte sein Abendmahl. Mit ihm schmausten rund achtzig Männer aus seinem Gefolge. Sie alle unterhielten sich über das Preisschießen. Am lautesten tönte der Sheriff: "Wer hätte gedacht, dass Robin Hood so ein Feigling ist? Das habe ich wirklich nicht erwartet. Aber wer war der freche Kerl, der es ablehnte in meine Dienste zu treten? Er war sicher nicht immer in Lumpen gekleidet, das konnte ich an seiner Haltung sehen. Aber er war wirklich sehr unverschämt." In diesem Moment klirrte es heftig und die Gesellschaft fuhr erschreckt zusammen. Dann entdeckten sie einen Pfeil, der durch das Fenster geschossen worden war. Er trug ein Pergament mit einer Botschaft.
Unsrem dicken Sheriff ins Angesicht
der freche zerlumpte Schütze spricht.
Wir trinken auf Euer langes Leben,
denn ihr habt Robin den Preis gegeben.
Der Sheriff wurde rot vor Wut.
3. Die braven Kameraden retten Will Stutley
Der Sheriff war verärgert und ratlos als er erkannte, dass auch mit List und Tücke Robin nicht bei zu kommen war. Auch ärgerte er sich, dass er dem König von Robin Hood erzählt hatte. Nun war er gezwungen, Robin das Handwerk zu legen.
Eines Morgens rief der Sheriff seine Konstabler zusammen und befahl ihnen, sich mit jeweils vier Männern an verschiedenen Punkten des Sherwood-Forests auf die Lauer zu legen. "Hundert Pfund Silberpennys für den, der mir Robin Hood bringt. Tot oder lebendig. Vierzig Pfund für den, der ein Mitglied seiner Bande erwischt. Nun geht und macht eure Sache gut.", befahl er.
Sechzig Trupps von je fünf Männern rückten aus und durchkämmten den Sherwood-Forest. Jeder hoffte natürlich, Robin zu fangen und das Geld zu erhalten. Robin war erzürnt darüber, dass der Sheriff ihm Gewalt antun wollte. Dennoch entschied er, dass er und die Seinen sich im Wald versteckt halten wollten, bis die Häscher des Sheriffs fort waren. Nie wieder wollte er einen Menschen töten und damit Schuld auf seine Seele laden. Die Gefährten schüttelten den Kopf. Und obwohl sie dachten, dass alle sie nun für feige halten würden, gehorchten sie Robin und versteckten sich.
So kam es, dass die Männer des Sheriffs keinen einzigen Mann in grüner Kluft zu sehen bekamen. Robin Hood war rechtzeitig vom Wirt des "Blauen Eber" gewarnt worden. Die Männer des Sheriffs brachen ihre Suche schließlich nach sieben langen Tagen und Nächten entmutigt ab und kehrten nach Hause zurück.
Am achten Tag rief Robin seine Männer zusammen und fragte: "Möchte jemand auskundschaften, was die Männer des Sheriffs nun vorhaben?" Alle Männer begannen zu schreien, denn jeder von ihnen wollte gern der Kundschafter sein. Robin sah seine tapferen Männer mit Stolz an. Schließlich fiel seine Wahl auf Will Stutley, da dieser schlau war wie ein Fuchs. Will freute sich sehr und versprach, Neuigkeiten mit zu bringen. Dann schlüpfte er in ein Mönchsgewand, versteckte sein Schwert unter der Kutte und verließ das Lager.
Auf seinem Weg zu "Blauen Eber" traf er einige Männer des Sheriffs. Schnell zog er seine Kapuze tief ins Gesicht und tat so, als wäre er ins Gebet versunken. Als er am "Blauen Eber" ankam, saßen dort ebenfalls Männer des Sheriffs. Will setzte sich in eine Ecke und wartete darauf, den Wirt allein sprechen zu können. Während er so saß, kam eine Katze und rieb sich an seinen Beinen. Dabei rutschte die Kutte nach oben und gab den Blick auf Wills grüne Beinkleider frei. Just in diesem Augenblick blickte der Konstabler auf und sah das grüne Tuch. Will zog rasch seine Kutte herunter aber es war zu spät.
Der Konstabler richtete das Wort an Will. "Ehrwürdiger Bruder, wollt ihr nicht mit uns trinken?" Will schüttelte stumm den Kopf, da er Angst hatte, sich mit seiner Stimme zu verraten. "Nun, ehrwürdiger Vater, dann sagt mir doch wenigstens wohin ihr zieht.", bohrte der Konstabler, der sich sicher war, einen von Robins Männern vor sich zu haben. "Ich bin auf dem Weg nach Canterbury.", antwortete Will mit verstellter Stimme. Nun wurde es dem Konstabler zu bunt. "Sagt doch Vater, warum tragt ihr grüne Beinkleider unter eurer Kutte? Ihr sei einer von Robin Hoods Männern, da bin ich mir sicher. Und wenn ihr auch nur wagt, zu atmen, dann wird mein Schwert euch durchbohren."
Der Konstabler zog sein Schwert und trat auf Will zu, aber dieser hatte ebenfalls das Schwert gezogen. Sein Schlag war so gewaltig, dass der Konstabler zu Boden stürzte. Will versuchte, zu entkommen, aber noch im Fallen klammerte der Konstabler sich an Wills Beinen fest und riss ihn mit sich zu Boden. Die Männer des Sheriffs stürzten sich nun auch auf Will und obwohl dieser sich tapfer wehrte, fesselten sie ihn schließlich an Händen und Füßen und schleppten ihn davon.
Die Tochter des Wirts zum "Blauen Eber" brachte Robin die schlimme Nachricht. Sie berichtete von dem Kampf und davon, wie Will überwältigt worden war. "Sie bringen ihn nach Nottingham und morgen soll er gehängt werden.", schloss sie ihren Bericht. "Das werden wir noch sehen.", knirschte Robin und blies dreimal in sein Horn. Bald kamen die Gefährten aus allen Richtungen. Hundertvierzig Männer versammelte Robin um sich.
"Will Stutley ist gefangen worden. Er hat so oft sein Leben für uns eingesetzt, dass es nun unsere Pflicht ist, das unsere für ihn einzusetzen. Wenn jemand nicht bereit ist, sein Leben für Will zu geben, so möge er hier im Wald bleiben. Ich will niemanden zwingen, mit uns zu gehen. Ich aber komme morgen mit Will zurück oder ich werde mit ihm zusammen sterben."
Auch Little John und die anderen waren bereit, ihr Leben für Will aufs Spiel zu setzen. Am nächsten Tag verließen sie den Wald in kleinen Gruppen und trafen sich kurz vor Nottingham in einem kleinen Tal. Hier wollten sie warten, bis sie wussten, was mit Will Stutley passieren sollte. Sie mussten lange warten, bis jemand die Straße passierte. Es war ein alter Bettelmönch und Robin schickte den jungen David aus Doncaster, um den Mönch auszufragen.
Von ihm erfuhren Robin Hood und seine Männer, dass Will noch am Abend gehängt werden sollte. Achtzig Schritte vom großen Stadttor entfernt, genau dort, wo sich drei Straßen kreuzten. Als Warnung für alle Geächteten in Nottinghamshire hatte der Sheriff genau diesen Platz ausgesucht. Robin rief seine Leute zusammen und erläuterte seinen Plan: "Wir gehen jetzt gleich in die Stadt und mischen uns unter das Volk. Verliert euch nicht aus den Augen und versucht, so nah wie möglich an den Gefangenen und an die Wachen heran zu kommen. Seht zu, dass ihr in keinen Streit geratet. Wenn es aber passiert, dann schlagt so fest zu, dass ein Schlag reicht. Bleibt immer zusammen, das ist das Allerwichtigste."
Die Sonne stand tief als sich das Burgtor öffnete und der Sheriff mit bewaffneten Rittern und einem Karren, auf dem der arme Will saß, erschien. In der Stadt herrschte große Aufregung und die Straßen waren voll mit Menschen. Will hatte den Strick schon um den Hals. Er sah blass aus und mit den Augen suchte er in der Menge nach bekannten Gesichtern. Als er keine fand, senkte er traurig den Blick. Dann wandte er sich an den Sheriff. "Gebt mir ein Schwert, damit ich gegen euch und eure Männer kämpfen kann. Oder löst wenigstens meine Fesseln und lasst mich mit den Fäusten gegen euch kämpfen. Ich will nicht hängen, wie ein Schächer."
Der Sheriffs lachte höhnisch und sagte: "Will Stutley rutscht vor mir auf den Knien. Aber halt den Mund, du wirst doch gehängt, dort wo die drei Straßen sich kreuzen." "Ihr seid nur zu feige, um gegen mich zu kämpfen. Ganz Nottingham lacht über die Spottfigur, die sich Sheriff nennt. Wartet, bis mein Herr euch wieder begegnet." Der Sheriff sah Will kalt und wütend an. "Spottfigur? Ich mache aus dir eine, Will Stutley. Ich lasse dich nun hängen und hinterher vierteilen. Wer lacht dann am Schluss über wen?" Damit wendete er sein Pferd und ritt davon.
Der Karren mit Will rumpelte aus der Stadt hinaus und Will wurde das Herz schwer, als sein Blick über die liebliche Landschaft streifte. Tränen traten in seine Augen und er senkte den Kopf, denn er wollte nicht, dass alle sahen, wie er weinte. Als er den Kopf wieder hob, fiel sein Blick in ein bekanntes Gesicht. Erstaunt sah er sich um und plötzlich erkannte er Robin. Da wusste er, dass seine Gefährten gekommen waren, um ihn zu retten.
Robin und seine Männer drängten sich eng um Wills Bewacher. "Tretet zurück!", riefen diese ein ums andere mal, aber Robins Männer drängten sich immer dichter an Wills Karren heran. Schließlich gelang es Little John, die Reihen der Bewacher zu durchbrechen. "He, Gesindel. Zurück!", brüllte einer der Bewacher. Little John verpasste ihm einen Hieb, dass er sofort zu Boden ging. Nun erkannte der Sheriff Robin und seine Männer. "Vorsicht! Es ist das Diebsgesindel. Reitet sie nieder.", schrie er und ritt auf Little John zu, der sich geschickt duckte und dem Sheriff im nächsten Augenblick das Schwert entriss. "Hier, Will. Der Sheriff leiht dir sein Schwert." Damit sprang er zu Will Stutley auf den Karren und durchschnitt dessen Fesseln. Sofort sprang Will vom Karren herunter und stellte sich dem Kampf mit den Männern des Sheriffs.
Der Sheriff kochte vor Wut. "Reitet sie nieder!", schrie er schrill. Da ertönte ein Hornsignal und ein Pfeilregen ging auf das Kampfgetümmel nieder. Stahl blitzte auf, Schwerter krachten aufeinander. Der Sheriff hatte keine Waffe mehr und befahl den Rückzug. "Verrat! Zurück, Männer. Zurück!", befahl er und trat den Rückzug an. "Bleibt doch!", höhnte Little John. "Ihr solltet Robin lieber jetzt gegenüber treten, sonst fangt ihr ihn nämlich nie!"
Will Stutley sah Little John an und Tränen traten ihm wieder in die Augen. "Danke, Little John! Du bist der aller treueste Freund, den ich je hatte und es gibt keinen Menschen auf der Welt, der mir mehr bedeutet als du. Ich habe nicht mehr geglaubt, dich wieder zu sehen." Little John war so gerührt, dass auch ihm die Tränen kamen und seine Kehle wie zugeschnürt war.
Robin und die tapferen Männer aus dem Sherwood-Forest verzichteten darauf, die Männer des Sheriffs zu erschlagen. Sie ließen sie im Getümmel entkommen und zogen dann selbst gemeinsam in den Sherwood-Forest zurück. Will ging in ihrer Mitte. Der Sheriff schwor sich, Robin von nun an in Ruhe zu lassen. Dreimal hatte er versucht, ihn zu fangen und war gescheitert. Nun fürchtete er um sein Leben, denn er war dem Herrn der Wälder nur um ein Haar entkommen.
4. Robin wird Metzger
Robin gefiel es nicht, dass der Sheriff dreimal versucht hatte, ihn zu fangen und er überlegte, wie er sich an dem Sheriff rächen könnte. Schon seit längerem lebten Robin und seine Männer friedlich im Sherwood-Forest und ließen sich nicht in Nottingham blicken, wo der Sheriff ihnen nach dem Leben trachtete. Aber nach ungefähr einem Jahr fand Robin es sehr eintönig im Wald und es dürstete ihn wieder nach Abenteuern. "Vielleicht lade ich den Sheriff ja einfach zu einem fröhlichen Mahl in den Wald ein.", sagte Robin zu sich. "Das machen wir ja auch, wenn wir einen Baron oder Gutsherren um seine Börse erleichtern. Zuerst wird er fürstlich bewirtet und dann muss er berappen."
Eines Morgens nahm Robin also seinen Wanderstock und machte sich auf, neue Abenteuer zu erleben. Dabei kam ihm ein junger Metzger mit einem neuen und reich bestückten Wagen entgegen. Der Metzger war vergnügt und als Robin ihn darauf ansprach, antwortete er: "Warum soll ich nicht vergnügt sein? Ich bin jung, ich bin gesund, ich habe eine wunderhübsche Verlobte und ich heirate am nächsten Donnerstag in Locksley. Also habe ich doch wohl allen Grund vergnügt zu sein, oder?" Robin lachte und fragte dann: "Du kommst aus Locksley? Ich bin auch in diesem schönen Städtchen geboren. Aber sag an, wohin fährst du?" "Ich fahre zum Markt nach Nottingham. Und wer bist du und wo willst du hin?" Robin sah den jungen Metzger an. "Ich bin der Freibauer Robin Hood." Der junge Metzger riss den Mund auf. "Ich hab' von dir gehört. Ich kenne viele Geschichten, die über dich erzählt werden. Aber bitte raube mich nicht aus, denn ich bin ein ehrlicher Mann und ich habe noch nie jemandem etwas getan."
Robin lächelte und beruhigte den jungen Mann. "Mach' dir keine Sorgen. Mir gefallen dein offenes Gesicht und deine gute Laune. Außerdem willst du am nächsten Donnerstag heiraten. Nein, nein, ich werde dich nicht berauben. Ich will viel mehr von dir wissen, was du für Pferd und Wagen und für deine Ware haben möchtest, denn ich möchte es dir gerne abkaufen." Der junge Metzger überlegte kurz, dann sagte er: "das Ganze mag wohl ungefähr vier Taler Wert sein." Robin sah in seine Börse. "Ich habe sechs Taler in meiner Börse. Die will ich dir geben, wenn ich für einen Tag deinen Platz einnehmen und statt deiner nach Nottingham fahren darf." Robin reicht dem Metzger die Börse und dieser kletterte vom Wagen herunter. Robin legte des Metzgers Schurz um und machte sich auf den Weg nach Nottingham.
In Nottingham schlug Robin seinen Stand auf und begann, das Fleisch zu verkaufen. Dabei rief er fröhlich: "Kommt nur Leute und kauft. Ich habe feste Preise. Ja, das könnt ihr mir glauben. Einem fetten Bruder oder Priester gebe ich das Fleisch für sechs Pennys, würdevolle Ratsherren zahlen drei und fröhliche Damen einen Penny. Einem hübschen Mädchen aber gebe ich das Fleisch umsonst, wenn ich dafür nur einen Kuss bekomme." Die Kundschaft drängte sich lachend um diesen seltsamen Metzger, der sein Versprechen hielt und hübschen Mädchen für einen Kuss das Fleisch schenkte.
Er verkaufte seine Ware sehr schnell und die anderen Metzger blieben auf ihren Waren sitzen. Sie flüsterten untereinander und meinten, dieser seltsame Metzger sei entweder ein Dieb, der seine Ware gestohlen habe oder ein Verschwender, der sein Leben genieße wolle. Um Klarheit zu haben, gingen die Metzger zum verkleideten Robin und sprachen ihn an: "He, du. Wir gehören derselben Zunft an. Komm mit uns, denn der Sheriff hat alle Metzger zu einem Essen in die Zunfthalle eingeladen." Robin nickte erfreut, denn er hatte alles verkauft und konnte seinen Laden schließen.
In der Zunfthalle waren schon viele Metzger versammelt und auch der Sheriff war schon da. Es wurde über den seltsamen Metzger getuschelt und alle schauten immer wieder verstohlen zu ihm. Der Sheriff erkannte Robin in seiner Verkleidung nicht und rief ihn zu sich an den Tisch, da er ein Geschäft zu wittern glaubte. Wenn dieser Metzger so ein Verschwender war, wie alle sagten, dann sollte er mit seiner Verschwendungssucht die Taschen des Sheriffs füllen!
Der Sheriff hatte schon drei Humpen Bier getrunken und war in bester Laune. Robin setzte sich dazu und legte sein Säckchen mit Geld auf den Tisch. "Ich zahle die nächste Runde.", rief er laut und der Sheriff rief sofort nach einem neuen Humpen. Nun begann Robin zu erzählen, von seinem Haus, seinem Hof, seinem Wald und seinem Vieh. Er gab sich als Erbe eines großen Gutshauses aus, der aber nicht so recht wusste, wie viel das alles wert sei. "Hast du denn auch gehörntes Vieh?", fragte der Sheriff und meinte Rinder. "Aber natürlich, so fünfhundert Stück. Und noch viele Morgen Land. Ich habe unseren Verwalter nie gefragt, wie viele Morgen wir haben. Meine Brüder und ich konnten nicht alles verkaufen, deshalb bin ich Metzger geworden." "Nun, ich könnte dir vielleicht dein gehörntes Vieh abkaufen, denn ich helfe gerne fröhlichen jungen Menschen, so wie du einer bist.", sagte der Sheriff listig, denn er dachte, dass der Metzgerbursche sehr einfältig sei. "Meint ihr, ich bekomme fünfhundert Pfund dafür?", fragte Robin harmlos. Der Sheriff tat, als müsse er sich bedenken. Dann sagte er: "Nein, das glaube ich nicht. Aber vielleicht dreihundert. So viel habe ich auch gerade bei mir."
Robin funkelte den Sheriff an. "Ihr, der ihr schon graue Haare habt, wollt euch wohl die Dummheit eines jungen Draufgängers zunutze machen, oder? Ihr wisst doch sehr genau, dass fünfhundert Stück Hornvieh mindestens fünfhundert Pfund wert sind. Aber gut, wir brauchen das Geld, denn ein lustiges Leben ist teuer. Ich hoffe, es sind gute dreihundert Pfund. Ich kann euch nicht recht über den Weg trauen!"
"Ich werde das Geld bei mir haben.", sagte der Sheriff. "Aber mit wem habe ich es zu tun? Nennt euren Namen." "Ihr könnt mich Robert o'Locksley nennen.", antwortete Robin.
"Wollt Ihr denn das Land einmal ansehen? Ich wäre froh, es los zu werden." Der Sheriff war so gierig, dass er sofort aufstand. Er glaubte, ein wirklich gutes Geschäft mit dem dummen Metzger machen zu können. "Ich will nur einen Schreiber bitten, einen Vertrag aufzusetzen, damit ihr das Land auch wirklich an mich verkauft.", meinte der Sheriff und stieg auf sein Pferd.
Nach Mittag wartete Robin vor dem Tor auf den Sheriff. Er hatte seinen Wagen und das Pferd verkauft. Der Sheriff erschien und die beiden machten sich auf den Weg. Der Sheriff zu Pferd, Robin zu Fuß daneben. "Wir müssen durch diesen Wald.", sagte Robin schließlich und der Sheriff erschauerte. "Hoffentlich treffen wir nicht auf Robin Hood." Robin zuckte mit den Schultern. "Das macht nichts, ich kenne Robin Hood gut. Er wird uns nicht tun." Der Sheriff war beruhigt und dachte vor allem an das dicke Geschäft, das er zu machen glaubte.
Als sie an einer Herde Rotwild vorbeikamen, hielt Robin an. "Hier ist meine erste Herde gehörntes Vieh!", sagte er. Der Sheriff fuhr auf. "Was soll das? Das ist das Wild des Königs. Ich wollte, wir wären aus diesem Wald heraus. Ich möchte, dass du mich allein weiter reiten lässt. In deiner Gesellschaft will ich nicht länger sein." Aber Robin lachte nur und fasste nach den Zügeln des Pferdes. Dann stieß er kräftig in sein Horn und kurze Zeit später waren Robins Männer zur Stelle. " Ich bin der Herr der Wälder, hast du mich nicht erkannt?", lachte Robin. Der Sheriff schwieg, denn er fürchtete nicht nur um die dreihundert Pfund, die er bei sich hatte, sondern auch um sein Leben, denn er hatte Robin und seinen Männern das Leben ja oft schon sehr schwer gemacht.
Der Sheriff war bald von Robins Männern umringt. Sie verbanden ihm die Augen und führten ihn zu ihrem geheimen Lagerplatz. "Hier, nun kannst du von meinem Vieh auch kosten.", lachte Robin und überreicht dem Sheriff eine gebratene Hirschkeule. Er unterhielt den Sheriff in königlicher Manier, so dass der Sheriff bald vergaß, wo er eigentlich war und den Stockfechtern und Bogenschützen applaudierte. Schließlich stand er auf und bedankte sich für die Gastfreundschaft. "Es wird bald dunkel und ich sollte mich auf den Heimweg machen, ehe ich mich im Wald verirre.", sagte der Sheriff. Robin beugte sich vor und sagte: "Bester Herr, wie schön, dass es euch geschmeckt hat. Nun zahlt die Zeche, wie wir es verabredet haben. Dreihundert Pfund waren abgemacht." Er hielt die Hand auf und Little John piekte dem Sheriff das Schwert zwischen die Rippen.
Der Sheriff knirschte mit den Zähnen, aber er zahlte. Robins Männer brachten ihn mit verbundenen Augen zurück zur Stadt, wo sie ihn unter lautem Gelächter dem Stadttor zu reiten ließen. Der Sheriff aber schwor abermals Rache an Robin Hood zu nehmen. Er war an diesem Tag um dreihundert Pfund ärmer und einige Erfahrungen reicher geworden, davon sangen unzählige Spottlieder im Land.
5. Little John auf dem Jahrmarkt von Nottingham
Alle fünf Jahre wurde ein großer Jahrmarkt in Nottingham abgehalten. Der Höhepunkt eines jeden Jahrmarktes war das Bogenschießen und der Sheriff von Nottingham zögerte lange, bevor er den Jahrmarkt ankündigte. Er befürchtete, dass Robin und seine Männer zum Jahrmarkt erscheinen könnten. Seit Robin ihn um dreihundert Pfund ärmer gemacht hatte, konnte der Sheriff es nicht ertragen, wenn der Name Robin Hood in seiner Gegenwart ausgesprochen wurde. Um zu verhindern, dass Robin zum Jahrmarkte käme, suchte der Sheriff einen besonderen Preis für das Bogenschießen aus. Es gab kein Geld und kein Bier zu gewinnen, sondern zwei fette Ochsen.
Und wirklich - Robin ärgerte sich über diesen Preis. Little John aber wusste aus dem "Blauen Eber", dass der Preis nur ausgesetzt worden war, um Robin und seine Männer vom Jahrmarkt fernzuhalten. Deshalb fragte er Robin, ob er den Jahrmarkt dennoch besuchen dürfe. Robin war gegen einen Besuch, aber Little John ließ nicht locker. So riet Robin ihm, sich gut zu verkleiden und ließ ihn gehen.
Es herrschte schon munteres Treiben auf dem Jahrmarkt, als Little John dort auftauchte. Es wurde getanzt und Bier getrunken. Spielleute ließen ihre Lieder hören und einige Ringer kämpften miteinander. Little John trug rote Hosen und ein rotes Wams zu einer roten Kapuze. Seinen Eibenholzbogen und seinen Köcher mit guten Pfeilen trug er über der Schulter und viele sahen sich nach dem großen Mann um. Little John trat auf einen Bierstand zu und lud alle in der Nähe stehenden Leute ein, mit ihm zu trinken. Danach begab er sich in ein Zelt, in dem getanzt wurde und tanzte lange. Schließlich hatte er genug getanzt und schlenderte zum Stockfechten hinüber. Little John liebte das Stockfechten und so kam es, dass er sich auf einen Kampf mit Eric o'Lincoln einließ, einem Mann, der jeden mit dem Stock zusammenschlug, der gegen ihn kämpfte.
Little John lieh sich einen Stock und der Kampf begann. Die Gegner maßen sich mit wütendem Blick, bis der Schiedsrichter rief: "Los!" Schon krachten die Stöcker gegeneinander und Eric o'Lincoln glaubte zunächst, einen leichten Kampf vor sich zu haben. Aber dann holte Little John aus und traf Eric am Kopf, so dass er sich erholen musste. Die erste Runde war zu Ende.
Wieder rief der Schiedsrichter: "Los!" und Little John ließ die Schläge auf den armen Eric o'Lincoln niederprasseln. Schließlich lag er am Boden und Little John hatte den Kampf gewonnen. Er lächelte und gab den geliehenen Stock zurück. Zusammen mit den anderen Männern ging er zum Langbogenschießen.
Auch der Sheriff war inzwischen auf dem Jahrmarkt eingetroffen. Little John überragte alle Männer um mindestens einen Kopf und es wurde viel geflüstert und getuschelt. "Wer ist der Kerl in dem roten Wams?", fragte man sich und bekam zur Antwort: "Das ist der, der Eric o'Lincoln zusammengeschlagen hat." Das Bogenschießen begann und auch hier war Little John der Beste. Die Menge jubelte und der Sheriff trat auf Little John zu, um den Sieger zu ehren. Er sah Little John an und sagte: "Dein Gesicht kommt mir irgendwie bekannt vor. Wie ist dein Name?" Little John antwortete: "Ich heiße Reynold Grünblatt." Der Sheriff nickte. "Außer Robin Hood kenne ich keinen Mann, der so gut mit dem Langbogen umzugehen weiß, wie du. Willst du in meine Dienste treten?" Little John schmunzelte. "Ich bin ein freier Mann und will gerne in eure Dienste treten."
Der Sheriff freute sich darüber und gab Little John zu seinen gewonnenen zwei Ochsen noch ein Fass Märzbier dazu. "Vielen Dank, Herr Sheriff! Und weil ich mich so freue, schenke ich die Ochsen und das Märzbier den Leuten hier auf dem Jahrmarkt, damit sie alle an meiner Freude teilhaben können. Zündet doch die Feuer an, damit wir die Ochsen braten können." Und so geschah es. Die Leute auf dem Jahrmarkt sangen und tanzten und aßen. Der Sheriff aber und sein neuer Diener Reynold Grünblatt begaben sich unverzüglich zur Burg des Sheriffs.
6. Little John auf der Burg des Sheriff
Der Sheriff brachte Little John großes Vertrauen entgegen und so ging es Little John auf der Burg des Sheriffs gut. Er war immer in der Nähe des Sheriffs und hatte genug zu essen und zu trinken. Eigentlich gab es sogar zu viel zu essen und zu trinken und so wurde Little John langsam richtig fett.
Eines Morgens erwachte er. Die Sonne stand hoch am Himmel und es duftete nach Frühling. Der kalte dunkle Winter war vorbei und die Luft war zum ersten Mal seit langer Zeit weich. Da drang von Ferne ein Jagdhorn an Little Johns Ohr. Es schnitt in seine Trägheit und er fuhr zusammen. Richtig! Er war ja nur zum Spaß in die Dienste des Sheriffs getreten. Nie hatte er vorgehabt, so lange auf dessen Burg zu bleiben. Aber am Kamin war es viel wärmer als draußen in den Wäldern und das Essen schmeckte so gut. So hatte Little John seine Rückkehr in den Sherwood-Forest immer wieder aufgeschoben. Er musste nachrechnen. Tatsächlich - sechs Monate war er nun schon auf der Burg.
Auf einmal schämte sich Little John sehr. Er sehnte sich plötzlich nach seinen Kameraden und nach seinem Herren, der ihm näher stand als sonst irgendjemand. Nie hatte er sie so lange allein lassen wollen.
Rasch stand er auf und holte sich sein Frühstück. Dabei musste er sich noch mit dem Haushalter prügeln, der Little John kein Frühstück mehr geben wollte. Little John aber zögerte nicht lange und streckte den Haushalter mit einem Fausthieb zu Boden. Dann holte er sich aus der Speisekammer, was er wollte.
Der Koch hatte den Lärm gehört und kam aus seiner Küche. Er sah den Haushalter am Boden liegen und kniete sich nieder. "Was ist passiert?", fragte er. Der Haushalter kam nur langsam wieder zu sich. Als er schließlich die Augen öffnen konnte, fiel ihm alles wieder ein und er sagte zum Koch: "Dieser Bauer ist ein Dieb und er geht mir schon den ganzen Winter auf die Nerven. Wenn du ihn zur Strecke bringst, gebe ich dir zehn Schillinge und jeden Tag eine halbe Gallone vom besten Wein."
Der Koch überlegte nicht lange, sondern willigte ein. Kaum hatte sich der Haushalter zurückgezogen, da trat er zu Little John und forderte ihn lautstark heraus. Little John ließ sich nicht zweimal bitten und die Männer kämpften einen erbitterten Kampf. Schließlich sagte Little John: "Wäre es nicht schlauer, wir zwei würden zusammen schmausen als uns zu verprügeln? Ich habe noch nie einen so guten Schwertkämpfer wie dich gesehen. Ich dachte, ich hätte leichtes Spiel mit dir." Der Koch nickte und keuchte: "Das gleiche dachte ich von dir. Aber du hast Recht. Lass uns lieber etwas essen, als uns gegenseitig die Kehle aufzuschneiden."
So setzten sie sich zusammen und aßen und tranken. Sie amüsierten sich köstlich und begannen bald zu singen. Beide hatten eine sehr schöne Stimme. "He, Koch, hast du nicht Lust, mit mir in den Sherwood-Forest zu kommen und einer von Robins Gefolgsmännern zu werden? Wir führen ein lustiges Leben und du bekommst zweimal im Jahr einen Anzug aus grünem Tuch. Außerdem bekommst du noch vierzig Taler Lohn."
"Ich glaube, das würde mir gefallen.", willigte der Koch ein.
So machten sich Little John und der Koch gemeinsam auf den Weg zurück nach Sherwood-Forest. Vorher aber raubten sie noch das Silbergeschirr des Sheriffs.
Im Wald trafen sie Robin und seine Leute unter der großen Eiche. Robin war sehr erfreut, Little John wieder zu sehen und begrüßte auch den Koch herzlich. Little John wurde aufgefordert, von seinen Taten zu berichten, was er auch gerne und ausgiebig tat. Als er erzählte, wie sie das Silber des Sheriffs gestohlen hatten, sagte Robin: "Der Sheriff wurde von uns schon bestraft. Er hat nichts getan, was euch einen Grund geben würde, ihm sein Silber zu stehlen."
Little John ärgerte sich sehr über diesen Vorwurf. "Er hat's mir aus freien Stücken gegeben.", versuchte er zu scherzen. "Wenn ihr wollt, dann hole ich ihn und er wird es euch selber sagen." Damit sprang er auf und lief davon.
Er wusste, dass der Sheriff im Wald jagte und suchte ihn. Schließlich hatte er ihn gefunden. Mutig ging er auf ihn zu und beugte das Knie. Der Sheriff glaubte, Little John sei immer noch Reynold Grünblatt, sein treuer Diener. "Wo kommst du her? Wir haben dich gesucht.", schnauzte er Little John an. Der antwortete: "Oh, Herr, ich war im Wald. Dort sah ich einen grünen Hirsch und sechzig grüne Rehe um ihn herum. Ich hatte Angst, die würden mich töten, deshalb schoss ich nicht. Wollt ihr es nicht mit eigenen Augen sehen Herr? Aber ihr müsst allein mit mir kommen. Zu viele Menschen würden sie wohl erschrecken."
Der Sheriff folgte Little John und bald trafen sie auf Robin Hood. "So sieht es aus.", tobte der Sheriff. "Du hast mich in eine Falle gelockt!"
Little John lachte. "Ihr habt mich einfach nicht erkannt, Herr. Ich bin Little John und nicht Reynold Grünblatt. Euer geiziger Haushalter gab mir kein Frühstück, da ging ich zurück zu meinem wirklichen Herrn. Dieser Herr, der Hirsch im grünen Gewand, lädt euch zum Essen ein. Ihr könnt essen, was ihr wollt, denn seht nur, dort steht euer Koch."
Der Sheriff war zunächst sehr verwirrt, als er aber sah, dass sein eigenes silbernes Geschirr für das Mahl benutzt wurde, war er sehr wütend. Robin sah es und sagte: "Dieses Mal habt ihr euch nichts zuschulden kommen lassen. Wir wollen euch das, was euch gehört, auch wiedergeben."
Er packte das silberne Geschirr zurück in den Sack und forderte den Sheriff auf, ihm zu folgen. "Ich bringe euch zurück zu euren Freunden."
Eine Achtelmeile mussten sie gehen, bis sie zu der Jagdgesellschaft kamen. "Ein guter Rat zum Schluss.", sagte Robin. "Seht euch eure Diener sehr genau an, bevor ihr sie in euren Dienst nehmt." Robin drehte sich um und ging davon. Der Sheriff nahm den Sack und antwortete nicht auf die Fragen seiner Jagdgefährten. Stumm lud er den Sack auf sein Pferd und ritt zurück zur Burg.
So endete Little Johns Dienst beim Sheriff.
7. Der Gerber von Blyth
An einem schwülen Tag im Mai lagerten Robin und seine Gefährten unter der großen Eiche. Plötzlich fuhr Robin in die Höhe. "Da hätte ich doch fast vergessen, dass bald Quartalstag ist und wir kein grünes Tuch mehr haben. Little John. Du musst zum Tuchmacher Hugh Longshanks nach Ancaster gehen und vierhundert Yard grünes Tuch bestellen. Los, beweg dich. Du bist auf der Burg des Sheriffs ganz schön dick geworden."
Little John ärgerte sich zwar über die Bemerkung, denn auch die anderen Gefährten lachten über seinen dicken Bauch, nahm aber trotzdem das Geld, das Robin aus der Schatzkammer der Schar geholt hatte. Mit einem langen Stock in der Hand machte er sich auf den Weg nach Ancaster.
Er war nicht lange gegangen, als der Weg sich gabelte. Little John blieb stehen und dachte nach. "Links ruft die Pflicht, rechts wartet ein Abend mit gutem Oktoberbier und Freunden auf mich.", überlegte Little John, der wusste, dass der rechte Weg zum "Blauen Eber" führte. Er blickte in den blauen Himmel auf und sagte: "Ich fürchte, dass es heute regnet. Also, kehre ich zur Sicherheit lieber ein."
Als er am "Blauen Eber" ankam, hörte schon ein Singen und Lachen. Ein Metzger, ein Bettler und zwei Barfüßer saßen beisammen und ließen es sich gut gehen. Little John trank und sang mit ihnen und die Zeit verging rasch. Also beschloss Little John, im "Blauen Eber" zu übernachten. Am frühen Morgen zog er dann eifrig los nach Ancaster.
Zu dieser Zeit lebte in Blyth ein Gerber, der ein besonders guter Ringer und Stockfechter war. Alle Welt kannte ihn, denn er war fünf Jahre Landesmeister im Ringen gewesen. Dann hatte der große Adam aus Lincoln ihm im Kampf eine Rippe gebrochen und ihn besiegt. Im Stockfechten dagegen war er noch nie besiegt worden. Seine große Liebe aber galt dem Langbogen. Er jagte für sein Leben gern und die Förster des Königs passten sehr auf ihn auf. Zu oft gab es in Arthur a'Blands Haus Wildbret.
Arthur war in Nottingham gewesen, um gegerbte Rinderhäute zu verkaufen. Auf dem Rückweg hoffte er, ein Stück Wild zu erbeuten. Er verließ den Pfad und verschwand im Unterholz.
Auch Little John war nun unterwegs und sah mit einem Male den Gerber im Wald umherschleichen. Da Little John der Meinung war, dass das Wild nicht nur dem König sondern auch Robin Hood und seinen Mannen gehörte, wollte er der Sache auf den Grund gehen.
Er verfolgte den Gerber, bis ein laut knackender Ast ihn verriet. Der Gerber fuhr herum und starrte Little John erschrocken an. Der ging sofort zum Angriff über: "He da, was machst du hier? Du Dieb! Hast du es auf das Wild des Königs abgesehen?" Der Gerber verteidigte sich. "Ich bin kein Dieb. Ich bin ein ehrlicher Handwerker." "Und das soll ich dir glauben?", rief Little John. "Komm her und ich geb' dir eins auf den Kopf. Ich bin sozusagen hier der Förster." "Hol dich der Teufel.", fauchte Arthur a' Bland.
Beide packten ihre Stöcke und schauten sich finster an. Dann begann der Kampf.
Robin, der gehört hatte, dass Little John im "Blauen Eber" gewesen war, anstatt nach Ancaster zu wandern, ging durch den Wald und suchte Little John. Er war wütend, dass dieser nicht gehorcht hatte. Er überlegte, wie er ihn zur Rede stellen würde, als er plötzlich laute Stimmen hörte. Er schlich sich näher heran und sah Little John mit dem Gerber im Kampf. "Hoffentlich bekommt Little John eine richtige Tracht Prügel. Das wäre die richtige Strafe dafür, dass er nicht gehorchte.", dachte Robin. Und so versteckte sich Robin im Gebüsch und sah dem Kampf zu.
Es war ein harter Kampf, der fast eineinhalb Stunden dauerte. Die Männer schlugen aufeinander ein, sie keuchten und schwitzen. Schließlich traf der Gerber Little John am Kopf. Little John ging zu Boden. Der Gerber holte zu einem neuen Schlag aus. "Du wirst doch wohl keinen Wehrlosen schlagen?", rief Little John. "Aber natürlich will ich das!", antwortete der Gerber und schlug noch einmal zu. "Hör auf! Bitte. Ich gebe auf und sage gut Freund.", rief Little John. "Du gibst dich also geschlagen?", fragte der Gerber. Little John nickte. "Meine Rippen fühlen sich an, als wären sie alle gebrochen. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier in der Gegend einen Mann gibt, der mich so verprügeln kann, wie du es getan hast."
Da sprang Robin aus seinem Versteck, lachte, bis ihm die Tränen über die Wangen liefen und rief: "Das hätte ich auch nicht gedacht. Ich bin dir gefolgt. Ich wollte dich zur Rede stellen, weil du meinen Befehl nicht ausgeführt hast. Aber wie ich sehe, hast du nun schon eine gerechte Strafe erhalten."
Dann wandte sich Robin an den Gerber. "Wer bist du?" Der Gerber antwortete: "Mein Name ist Arthur a' Bland. Und wer bist du?" " Arthur a' Bland?", rief Robin erstaunt. "Ich habe viel von dir gehört. Mein Name ist Robin Hood. Willst du dich vielleicht meinen Männern anschließen? Du bist einer besten Stockfechter, die ich je gesehen habe." Arthur a' Bland überlegte nicht lange. "Ich will dir gerne folgen, Robin. Bis ans Ende der Welt." Robin lachte und drehte sich zu Little John um. "Du gehst jetzt sofort los und erfüllst deinen Auftrag, hast du gehört? Und keine Umwege mehr!"
Little John nickte betrübt und trabte sogleich davon.
8. Robin und Will
Robin und Arthur a' Bland begleiteten Little John schließlich noch ein Stück. Die Sonne schien und viele Leute drehten sich nach den drei großen und kräftigen Männern um. "Warum bist du nicht gleich nach Ancaster gegangen, wie ich es dir gesagt habe?", fragte Robin Little John. Der brummte: "Es sah nach Regen aus." "Du bist ein Esel, Little John. Es hat seit Tagen nicht geregnet und es sah auch nicht nach Regen aus." Robin schüttelte den Kopf.
Sie waren schon eine Weile gegangen, als sie eine Quelle hörten. Alle drei waren durstig und so tranken sie das klare frische Wasser und rasteten ein wenig. Plötzlich sagte Robin: "Was kommt denn da für ein lustiger Geselle daher?" Robin und Arthur a' Bland schauten die Straße hinunter. Da sahen sie einen Mann, dessen Kleidung aus scharlachrotem Tuch war. Er hatte ein stattliches Schwert bei sich und eine rote Mütze. Sein langes Haar war blond und lockig. In der Hand hielt er eine Rose, an der er ab und zu roch.
"Was für ein niedliches Kerlchen.", lachte Robin. "Aber wenn du genauer hinsiehst, dann stecken unter dieser auffälligen Kleidung festes Fleisch und kräftige Muskeln.", sagte Arthur a' Bland. "Das mag sein.", meinte Robin. "Aber ich mag solche Männer nicht. Sieh doch nur, wie herausgeputzt er ist. Sicher ist er ein Normanne." "Das glaube ich nicht.", mischte sich nun Little John ein. "Sein Haar ist viel zu hell." "Ein ehrlicher Mann ist das jedenfalls nicht.", sagte Robin. "Er trippelt daher, als hätte er Angst, sich die Schuhe schmutzig zu machen. Ich will ihn mir näher ansehen. Bleibt ihr hier und seht zu, wie ich diesem Jüngelchen eine Tracht Prügel verpasse."
Robin kletterte auf den Weg und stellte sich dem Fremden in den Weg. Der junge Mann kam heran und roch an seiner Rose. "Bleib stehen.", rief Robin. "Lass mich einen Blick in deine Tasche werfen." Der junge Mann sah Robin an. "Ich habe nichts, was ich dir geben könnte. Ich habe dir nichts getan, also lass mich gehen." "Du hast gehört, was ich gesagt habe. Ich will in deine Taschen sehen.", wiederholte Robin. Der junge Mann lächelte und sagte dann sanft: "Dann werde ich dich wohl erschlagen müssen." Er zog sein Schwert.
Robin sah ihn an und sagte: "Ich habe einen Eichenknüppel. Du hättest mit deinem Schwert keine Chance gegen mich. Schneid dir einen Knüppel dort hinten beim Eichenwäldchen. Dann kämpfe ich mit dir."
Der junge Mann warf die Rose fort und ging mit ruhigen Schritten zu dem Wäldchen. Er schnitt sich aber keinen Knüppel, sondern riss eine junge Eiche mitsamt der Wurzel aus. Dann schnitt er mit dem Schwert Äste und Wurzeln ab und tat so, als sei es das Normalste von der Welt, einen Baum mit seinen Wurzeln aus der Erde zu reißen.
Little John und Arthur a' Bland hatten gesehen, wie der Mann den Baum aus der Erde riss. Arthur a' Bland pfiff durch die Zähne. "Master Robin wird Glück brauchen, wenn er diesen Kampf gewinnen will."
Was Robin dachte, erfuhr niemand. Er wartete, bis der Mann im roten Gewand seinen Stock zurecht geschnitzt hatte, dann entbrannte ein wilder Kampf. Der Staub der Straße hüllte die Kämpfenden ein. Um es kurz zu machen: Robin verlor den Kampf. Little John und Arthur a' Bland eilten auf die Straße, um Robin zu helfen. "Hört auf!", rief Robin. "Wir haben genug gekämpft. Was ist das für ein Tag, an dem erst Little John und dann ich einen Kampf verlieren?"
Er drehte sich zu dem jungen Mann um. "Wie heißt du?" Der junge Mann antwortete: "Ich bin Will Gamwell aus Maxwell. Ich suche den jüngeren Bruder meiner Mutter. Man nennt ihn Robin Hood, könnt ihr mir vielleicht sagen...?" "Du bist Will Gamwell?", rief Robin erstaunt. "Aber natürlich. Ich hätte dich erkennen müssen. Deine mädchenhafte Art und deine affektierte Gehweise. Schau mich an, kennst du mich nicht?"
Will musterte Robin zweifelnd und sagte dann: "Bist du etwa mein Onkel Robin?" Robin nickte und die beiden fielen sich in die Arme. Sie umarten sich und lachten. "Du bist wirklich groß geworden. Und stark. Ich glaube, ich kenne keinen stärkeren Mann als dich. Was treibt dich hierher? Ist etwas geschehen?"
"Es ist eine schlimme Sache.", begann Will. "Ich habe mich über den vorlauten Verwalter auf dem Hof meines Vaters geärgert. Er war frech und vorlaut. Da habe ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Er fiel tot um. Sie sagen, ich hätte ihm das Genick gebrochen. Um dem Arm des Gesetzes zu entgehen, schickten sie mich fort. Und nun treffe ich dich."
"Du bist im Sherwood-Forest herzlich willkommen. Dies hier sind Little John und Arthur a' Bland. Er ist ein neuer Mann wie du. Da du deinen Namen ändern musst, schlage ich vor, dass wir dich Will Scarlett nennen. Deine roten Kleider brachten mich darauf." Er sah seine Weggefährten an. "Lasst uns in den Sherwood-Forest zurückwandern. Nach Ancaster kannst du auch ein anderes Mal gehen, Little John."
9. Midge, der Müller und ein lustiges Abenteuer
Robin, Will, Little und Arthur a' Bland wanderten in den Sherwood-Forest zurück. Sie verspürten bald Hunger und der Gerber zog los, um ihnen etwas zu essen zu besorgen. Er kam mit einem großen Laib Brot, einem runden Käse und einem Ziegenlederbeutel voll Bier zurück. Die Männer teilten alles und aßen mit Genuss. Als alle satt waren, meinte Robin: "Das hat gut getan. Was könnte nun unserem Mahl einen würdigen Abschluss geben? Kennt einer von euch den Burschen, der dort mit einem großen Sack die Straße herauf kommt?"
"Ist das nicht der Müller aus der Mühle zu Salisbury?", fragte Little John. "Doch, doch.", nickte der Gerber. "Das ist der Mann." Inzwischen war der Müller herangekommen. Er war staubig und trug einen schweren Mehlsack auf der Schulter. Er war noch recht jung und Robin schlug vor: "Wir machen uns einen Spaß mit ihm. Erst tun wir so, als wären wir gemeine Diebe, dann nehmen wir ihn mit in den Wald und laden ihn zu einem richtigen Festmahl ein. Und zum Schluss bekommt er für jeden Penny, den er bei sich trägt, einen ganzen Taler."
Die anderen stimmten diesem Plan zu. Kaum war also der Müller heran, da sprangen sie auf die Straßen, umringten ihn und forderten sein Geld. Der Müller jammerte und zeterte. Geld habe er nicht. Außerdem würde Robin Hood die Diebe bestrafen, da sie einen ehrlichen Handwerker überfielen. Robin gab sich nicht zu erkennen und führte den Spaß weiter. "Gib dein Geld, Bürschlein, oder wir schütten dein Mehl auf die Straße." Da gab der Müller klein bei und griff in seinen Mehlsack, in dem er sein Geld versteckt hatte. Aber statt Robin die Münzen zu geben, warf er den vier Männern Mehl ins Gesicht, so dass sie nichts mehr sehen konnten. Arthur a' Bland bekam sogar Mehl in den Hals und musste schrecklich husten.
Als die vier so hilflos und mehlbestäubt über die Straße taumelten, griff der Müller nach seinem Knüppel. Er verabreichte Robin und seinen Männern eine ordentliche Tracht Prügel. Robin schaffte es schließlich, zwischen den Schlägen in sein Horn zu stoßen. Will Stutley, der zufällig mit einigen Männern in der Nähe war, kam eilig heran. Ihnen bot sich ein wirklich seltsamer Anblick. Die Straße und die fünf Männer waren mit Mehl bestäubt. Auch der Müller hatte eine ganze Menge von seinem Mehl abbekommen. Will Stutley blickte von einem zum anderen. "Was ist hier los, Herr? Können wir dir helfen?", fragte er Robin. Robin zischte wütend: "Der verflixte Müller hätte uns fast erschlagen, dabei wollten wir ihn zum Essen einladen und uns vorher einen kleinen Scherz mit ihm erlauben."
Nun wischten sich auch die anderen Männer das Mehl aus den Augen und der Müller unternahm den Versuch, zu fliehen. "Haltet ihn!", rief Stutley und die anderen fingen den Müller ein. Sie fesselten ihn und brachten ihn zu Robin. Robin war eigentlich schrecklich wütend, denn der Müller hatte ihnen wirklich fast den Garaus gemacht, aber dann musste er doch lachen. Die anderen stimmten in sein Gelächter ein, denn die weißen Gestalten sahen sehr komisch aus. "Wie heißt du?", fragte Robin den Müller schließlich. "Ich bin der Sohn des Müllers und sie nennen mich Midge, weil ich für sie nur ein Knirps bin.", antwortete der Müller zitternd. "Für einen Knirps bist du ganz schon schlaggewaltig.", meinte Robin. "Willst du nicht mit uns in den Wald kommen? Du bist für den Mühlstein doch viel zu tapfer und mutig."
Midge folgte Robin in den Wald und Robin war stolz, dass er an diesem Tag drei Freibauern hatte gewinnen können, wenn er dafür auch eine ganze Menge Prügel hatte einstecken müssen.
10. Allan a Dale
Robin und seine Männer saßen an der großen Eiche. Will Scathelock erzählte von den Abenteuern des tapferen Sir Carodoc, der zur Zeit König Artus' lebte. Die Männer lauschten ergriffen. Als er geendet hatte sagte Robin: "Wie schön und erbaulich sind doch solche Geschichten. Da kommen einem die eigenen kleinen Sorgen doch recht läppisch vor. Aber dennoch; Stutley, unser Vermögen schrumpft zusehends. Wie wäre es, wenn du mit ein paar Männern losziehst und uns jemanden zum Abendessen mitbringst? Wir wollen für einen Festschmaus alles richten. Nimm am besten Will Scarlet mit, damit er sieht, wie es hier so zugeht."
Will Stutley sprang auf und nickt. "Darf ich auch Arthur a'Bland und Midge mitnehmen? Sie können gut mit dem Stock umgehen." Robin nickte und Will Stutley suchte sich noch drei weitere Männer aus. Dann zog die kleine Schar los, um nach einem reichen Gast Ausschau zu halten.
Sie legte sich auf die Lauer und warteten. Eine Menge Leute kam vorbei: Kesselflicker, ein Schäfer, ein paar junge Mädchen. Aber es kam niemand, der ein bisschen Geld in der Tasche hatte. Der Tag war fast zu Ende und die Männer waren enttäuscht. "Es hat keinen Sinn. Lasst uns zurück ins Lager gehen.", sagte Will Stutley schließlich. Als die Männer sich auf den Weg gemacht hatten, vernahmen sie plötzlich ein leises Wimmern. Die Männer sahen sich an und gingen dann dem Geräusch nach. Schließlich kamen sie an eine kleine Lichtung. Eine Quelle ergoss sich in ein kleines Becken und neben diesem Becken lag ein Jüngling mit zerzausten blonden Locken. Seine Kleider waren schmutzig und er weinte. Eine Leier aus Gold, Silber und blank poliertem Holz hing an einem Weidenzweig über seinem Kopf.
"Nun weine nicht wie ein junges Mädchen.", rief Will Stutley dem Jüngling zu, der aufsprang und nach Pfeil und Bogen griff. "Lass gut sein und steck die Waffen ein. Willst du uns zu einem festlichen Mahl begleiten?", fragte Will Scarlett, der Mitleid mit dem Jungen hatte. Einer der anderen Männer sagte: "Den kenne ich! Das ist ein Spielmann. Als ich ihn das letzte Mal sah, sprang er noch ganz fidel herum." Will Scarlett war zu dem Jungen getreten und zog ihn mit sich. "Komm. Unser Herr kann dir vielleicht helfen."
Sie brachten den Jüngling und seine Leier zum Lager. Die Männer starrten den Fremden an, sagten aber nichts. Sie brachten ihn zu Robin, der ihn freundlich begrüßte. "Du willst also mit uns speisen." Der Spielmann riss die Augen auf und stammelte: "Du bist der große Robin Hood, stimmt's?" Robin lachte und nickte. "Wenn du mich erkannt hast, dann weißt du ja auch, dass bei uns der Eingeladene die Zeche zahlt. Ich hoffe, deine Börse ist gut gefüllt." Der Junge wurde blass. "Ich habe gar kein Geld bei mir.", stotterte er. Robin sah ärgerlich zu Will Stutley. "Was bringst du mir denn hier für einen Gast, der kein Geld hat, die Zeche zu bezahlen?" Will Stutley grinste und antwortete: "Es ist eher Will Scarlets Gast. Er hat ihn mitgebracht, weil er dachte, du könntest dem armen Singvogel hier helfen. Wir fanden ihn weinend an der Quelle liegen."
Robin wies seine Männer an, das Mahl vorzubereiten und bat den Spielmann, seinen Namen zu nennen. "Ich heiße Allan a Dale.", sagte der Spielmann. Robin horchte auf. "Ich kenne diesen Namen. Deine Stimme soll außergewöhnlich sein. Was bedrückt dich? Sprich, vielleicht können wir dir helfen."
"Ich liebe ein Mädchen. Es heißt Ellen und ist die Tochter eines namhaften Freisassen. Wir lieben uns sehr. Wir haben uns ewige Treue geschworen und einen Silberpenny entzwei gebrochen. Seht, hier ist meine Hälfte und sie trägt ihre Hälfte an einem seidenen Band um den Hals. Ihr Vater kann mich nicht leiden und so durfte ich sie nicht mehr sehen. Eineinhalb Monate schon habe ich nicht mehr in ihr süßes Antlitz geblickt. Und nun habe ich erfahren, dass sie in zwei Tagen Sir Stephen of Trent heiraten soll. Er ist ein alter Mann!" Allan a'Dale begann wieder herzzerreißend zu schluchzen.
Little John sprang auf. "Ich hätte nicht übel Lust, diesem alten Sack das Lebenslicht auszublasen. Sicher kauft er sich das Mädchen nur.", schnaubte er. "Ich weiß nicht.", entgegnete Will Scarlet. "Wie kann sie dieser Heirat zustimmen, wenn sie doch Allan liebt? Das verstehe ich nicht." "Du siehst das falsch.", rief Allan. "Sie ist nur lieb und gehorsam. Sie tut, was ihr Vater von ihr verlangt, aber wenn sie diesen alten Mann heiraten muss, dann wird es ihr das Herz brechen und sie wird sterben. Was soll ich nur tun?"
"Sei ganz unbesorgt.", mischte sich nun Robin ein. "Wenn ihr Vater der ist, für den ich ihn halte, dann kann ich ihn dazu überreden, dass er einer Heirat letztendlich doch zustimmt. Aber hat deine Braut auch den Mut, zunächst einmal ohne den Segen des Vaters zu heiraten? Wird sie zu dir stehen?" Allan nickte. "Davon bin ich überzeugt." "Dann fehlt mir nur noch ein Mönch, der euch traut.", dachte Robin laut nach. "So einen kenn' ich.", sagte nun Will Scarlet. "Er wohnt ungefähr einen Tagesmarsch von hier. Wenn wir nur noch zwei Tagen Zeit haben, müssen wir uns sputen, aber ich denke schon, dass er die beiden trauen würde, wenn ihr es wünscht. Versprich' ihm ein gutes Mahl, dann tut er es ganz bestimmt."
In diesem Augenblick war das Mahl angerichtet und alle ließen es sich schmecken. Als sie genug gegessen und getrunken hatten, baten sie Allan a' Dale um ein Lied. Er ließ sich nicht lange bitten und sang das Lied von der Hochzeit der May Ellens, die sich einen Märchenprinzen zum Gemahl ausgesucht hatte.
Die Männer schwiegen und lauschten. So schön war der Gesang des jungen Spielmanns, dass Robin am Ende des Liedes sagte: "Junge, du darfst nie wieder von uns gehen. Willst du nicht bei uns im Wald bleiben?" Und Allan a'Dale küsste Robins Hand und bedankte sich für alles, was Robin für ihn tun würde. In diesem Moment wurde er einer aus Robins Schar.
11. Der Mönch zu den Quellen
Früh am nächsten Tag brachen Robin, Little John, Will Scarlet, David aus Doncaster und Arthur a'Bland auf, um den Mönch von den Quellen zur Trauung zu holen. Robin trug unter seinem Wams ein feines Kettenhemd. Auf dem Kopf hatte er eine eiserne Haube und darüber eine feine lederne Kappe mit einer Hahnenfeder. Seine Schwertklinge schimmerte bläulich. "Du wirst in meiner Abwesenheit hier der Anführer sein.", sagte er zu Will Stutley, als sie sich verabschiedeten.
Will Scarlett schritt voraus, denn er kannte den Weg. Sie waren wohl den halben Tag gegangen als Will Scarlett sagte: "Seht ihr den Fluss? Gleich hier befindet sich eine Furt, bei der uns das Wasser nur bis zu den Schenkeln reicht. Auf der anderen Seite finden wir die Einsiedelei im Tal der Quellen und auch den Mönch, von dem ich sprach." Robin nickte und ging davon. "Immer muss er die Abenteuer allein bestehen.", schimpfte Little John leise, blieb aber gehorsam mit den anderen zurück. Der Weg machte eine Biegung und bevor er ins Wasser waten konnte, hörte Robin Stimmen. Er machte sich darauf gefasst, zwei Männer zu treffen. Er fand allerdings nur einen stämmigen Mönch, der bei einem kräftigen Mahl saß und mit sich selbst redete. Dazwischen trank er große Schlucke Malvasier aus einer bauchigen Flasche. Schließlich begann der dicke bärtige Mann sogar mit sich selbst zu singen. Mal im tiefsten Bass und dann wieder im höchsten quietschenden Sopran sang er Strophe auf Strophe, bis Robin es nicht mehr aushalten konnte und in lautes Lachen ausbrach. Der Mönch ließ sich nicht beirren und sang weiter. Robin stimmte mit ein und so sangen sie gemeinsam das Lied zu Ende.
Kaum war der letzte Ton verklungen, stülpte der Mönch eine eiserne Haube über, die neben ihm gelegen hatte, griff nach seinem Schwert und sprang auf. "Wo ist der Mann, der hinter mir herspioniert? Ich mache Hackfleisch aus ihm." Robin sah erstaunt auf. "Tu dein Eisen weg, Mann. Wer so gut zusammen singt, der soll nicht kämpfen. Außerdem ist meine Kehle trocken. Hast du einen Schluck Malvasier für mich?" "Einem Durstigen soll man einen Schluck nicht verwehren.", antwortete der Mönch und reichte Robin die Flasche. Robin fragte: "Kennst du einen Bruder, den die Leute den Mönch von der Abtei zu den Quellen nennen? Ist er auf dieser oder auf der anderen Seite des Flusses zu finden?"
Der Mönch machte eine schlaues und Gesicht und erklärte Robin, dass es nur eine andere Seite des Flusses gebe. Robin ging nicht darauf ein sondern sagte: "Wenn der Mönch auf der anderen Seite zu finden ist, dann möchte ich gern durch die Furt gelangen, um mit ihm zu sprechen. Wie wäre es, wenn du mich über die Furt trägst? Du siehst breit und kräftig aus." "Wie bitte?", brauste der Mönch auf. "Du verlangst von mir, dem heiligen Bruder Tuck, dass ich dich über die Furt trage? Ich denke...", er mäßigte plötzlich seinen Ton und seine grauen Augen blickten listig. "Ich denke, ich werde es wohl tun, denn auch der heilige Christophorus trug Pilger über den Fluss. Komm, Fremder, ich will dir gern zu Diensten sein."
Er nahm Robin auf den Rücken und watete ins Wasser, nicht ohne ihm vorher sein Schwert abzunehmen. Auf der anderen Seite angekommen, sprang Robin vom Rücken des Mönches. "Vielen Dank. Nun gib mir mein Schwert und lass mich gehen. Ich habe es sehr eilig." Der Mönch sah Robin an. "Nun, du hast es vielleicht eilig. Aber ich habe dich über den Fluss getragen und bin dabei nass geworden. Vielleicht bekomme ich nun Muskelkrämpfe und kann meine Andachtsübungen nicht abhalten. Sei doch bitte so nett und trage du mich zurück. Bedenke auch, dass ich dein Schwert in der Hand halte und nicht du." Der Mönch lachte fröhlich.
Robin war böse. "Du hast mich hinters Licht geführt." "Tja, das habe ich wohl.", versetzte der Mönch. "Ich habe mein Schwert und dein Schwert. Und nun sei so gut." "Gib mir zuerst mein Schwert. Ich verspreche dir, dass ich es nicht gegen dich einsetzen werde.", verlangte Robin. Der Mönch reichte Robin das Schwert und stieg auf seinen Rücken. Er war eine wirklich schwere Last. Er stieß Robin die Fersen in die Seite und trieb ihn an wie einen alten Maulesel. Robin sagte nichts, löste aber die heimlich die Schließe, an der das Schwert des Mönches befestigt war. Am anderen Ufer ließ Robin den Mönch absteigen und griff schnell nach dessen Schwert. "So. Nun habe ich dein Schwert. Sei so gut und trage mich wieder auf die andere Seite. Tust du es nicht, bohre ich viele kleine Löcher in deine Haut."
Der Mönch sah Robin sehr böse an, sagte aber nichts. Schließlich brummte er: "Gib mir mein Schwert und ich trage dich wieder über den Fluss. Auch ich werde meine Waffe nicht gegen dich einsetzen." Robin gab dem Mönch das Schwert zurück und stieg dann auf seine Rücken. Schnaufend und prustend stieg der Mönch wieder ins Wasser. Kaum aber war er ungefähr in der Mitte der Furt angekommen, schüttelte er Robin ab, der kopfüber ins Wasser stürzte. Wutentbrannt tauchte Robin wieder auf. "Warte du, Mönch. Wenn ich dich erwische!", brüllte er. Der Mönch aber lachte und watete zum Ufer. Robin platschte hinter ihm her.
Als sie an Land waren, zog Robin sein Schwert. Der Mönch war darauf vorbereitet und zog ebenfalls sein Schwert. Erst jetzt bemerkte Robin, dass der Mönch wie er unter seiner Kutte ein Kettenhemd trug. Es war ein erbitterter Kampf, der fast eine Stunde andauerte. "Warte einen Moment!", rief Robin schließlich, der nicht besiegt werden wollte, aber auch den Mönch nicht besiegen konnte. "Erlaube mir, dreimal in mein Jagdhorn zu stoßen." Der Mönch musterte Robin und antwortete: "Du darfst in dein Jagdhorn blasen, wenn ich dreimal meine Pfeife ertönen lassen darf." Robin nickte und stieß dreimal in sein Horn. Der Mönch blies auf seiner Pfeife. Dann wartete beide, was wohl passieren würde.
Robins Horn war kaum verklungen, als seine Gefährten auftauchten. Alle vier waren groß und kräftig. "So hast du doch versucht, mich zu täuschen.", schnaubte der Mönch. In diesem Moment knackte es in den Büschen und vier riesige Hunde preschten heran. "Schönling, Süßmaul. Derwisch, Fangzahn!", kommandierte der Mönch. "Fass!" Die Hunde stürzten auf Robin und seine Männer zu. Robin rettete sich auf einen Baum, die anderen spannten ihre Bögen und schossen. Der Sage nach fingen die Hunde die Pfeile mit dem Maul und zerbissen sie. Nur Will Scarlett schoss nicht. Sanft rief er:" Schönling. Derwisch. Was soll denn das? Platz Fangzahn. Komm her, Süßmaul."
Die Hunde vernahmen Wills Stimme und hörten auf, die Zähne zu fletschen. Sie wedelten mit den Schwänzen und sprangen um Will herum. "Was zum Teufel...?", fuhr der Mönch auf. Da lachte Will: "Erkennst du mich denn nicht mehr? Ich war Will Gamwell. Jetzt bin ich Will Scarlett und lebe bei meinem Onkel Robin Hood im Wald. Schau Robin, dass ist der Mönch aus der Einsiedelei, zu dem ich dich bringen wollte. Er heißt Bruder Tuck." Der Mönch traute seinen Augen kaum, schließlich aber erkannte er Will und schloss ihn in seine Arme. Robin kletterte vom Baum hinunter und reichte dem streitlustigen Mönch die Hand. "Hinter dir bin ich schon den ganzen Tag her!", lachte er.
"Was wollt ihr denn von mir?", fragte Bruder Tuck. "Es tut mir leid, Bruder Tuck.", antwortete Robin. "Wir haben viel Zeit verloren. Komm mit uns nach Sherwood-Forest, dann erzähle ich dir auf dem Weg, wozu wir deine Hilfe benötigen."
12. Robin vereint zwei Liebende
Robin hatte Bruder Tuck erklärt, wozu sie seiner bedurften. Am Abend gab es festliches Mahl und der Mönch trank zweimal so viel Bier wie alle anderen. Am nächsten Morgen brachen Robin und seine Männer in aller Frühe auf. Will Scarlett blieb mit einer Handvoll Männer im Lager zurück.
Robins Schar marschierte ins Rother Valley. Dort gab es Rainhecken und endlose Gerstenäcker. Schließlich erreichten sie eine kleine Kirche, die mitten in einem Gerstenfeld stand. Das Land gehörte dem reichen Prior von Emmet. Robin und seine Männer versteckten sich hinter einer Mauer. Robin befahl David aus Doncaster Wache zu halten und zu berichten, was er sähe. Lange Zeit sah David nichts. Dann sah er einige Raben und Wacholderdrosseln. Schließlich aber sah er einen alten Mönch des Weges kommen und die Kirche aufschließen.
Rasch trat Bruder Tuck herzu und sprach den alten Mönch an: "Soll ich dir mit dem schweren Schlüssel helfen? Ich würde dafür gerne ein bisschen in der kühlen Kirche ausruhen. Ich bin nur ein armer Einsiedler aus dem Tal der Quellen." Der Alte nickte und hieß Bruder Tuck willkommen.
Robin, Little John und Will Stutley waren inzwischen auch herangekommen. Robin trug die Gewänder eines Spielmannes und sah prächtig aus in seinem gelb und roten Gewand, das geschmückt war mit bunten Bändern, Troddeln und Quasten. Auch sie gingen in die Kirche. Nur wenig später kamen einige Berittene heran. Es waren der Bischof von Hereford, der sehr fein und prächtig gekleidet war und der Prior von Emmet. Auch der Prior war festlich gekleidet, aber nicht so üppig geschmückt wie der Bischof, der zu allem Überfluss auch noch eine schwere goldene Kette umgelegt hatte. Hinter ihnen ritten zwei hohe Geistliche aus Emmet und zwei Diener des Bischofs.
Überall blitzen Edelsteine, die edlen Stoffe schimmerten und leuchteten in der Sonne. Robin gefiel das nicht, denn er dachte, dass ein Mann der Kirche sich nicht so prächtig kleiden sollte, zumal er das Geld aus seiner Gemeinde bekam und nicht selbst dafür arbeitete.
Der Prior und der Bischof unterhielten sich angeregt. Sie stiegen von ihren Pferden und gingen auf die Kirche zu. Dabei sahen sie Robin und lachten über seinen bunten Aufzug. Robin stellte sich als Spielmann aus dem hohen Norden vor. "Lasst mich bei dieser Hochzeit singen, hoher Herr. Ich werde die Braut dazu bringen, den Mann, den sie ehelicht, ewig zu lieben."
Der Bischof lachte und gestattete dem seltsamen bunten Vogel, bei der Hochzeit zu singen. Mehr noch, da der Bräutigam sein Vetter Stephen war, versprach er Robin in vernünftigen Grenzen alles zu geben, was er begehrte, wenn die Braut den Bräutigam ehrlich zu lieben begann. Dann verlangte er eine Probe von Robins Spielkunst. Der lehnte empört ab und tat sehr beleidigt. "Ich spiele erst, wenn das Brautpaar eintrifft.", sagte er hochnäsig. Der Bischof war böse, konnte es aber nicht ändern. Zum Glück näherte sich in diesem Augenblick ein zweiter Reiterzug.
Vorneweg ritt ein schlanker Mann mit grauen Haaren. Er war in dunklen Farben gekleidet und zeigte eine ritterliche Haltung. Robin erkannte Sir Stephen sofort. Daneben ritt Ellens Vater, ein kräftiger angelsächsischer Freisasse. Sein Name war Edward von Deirwold. In einer Sänfte, die von zwei Pferden getragen wurde, folgte die Braut. Am Schluss ritten sechs bewaffnete Männer.
Vor der Kirche stieg Sir Stephen ab und half Ellen aus der Sänfte. Sie war so schön, dass Robin nun verstand, warum ein Mann wie Sir Stephen die Tochter eines einfachen Freisassen heiraten wollte. Ellen war sehr blass und hielt den Blick gesenkt. Bedrückt trat sie in die Kirche ein.
"Nun spiel er doch!", rief der Bischof Robin zu. "Alles zu seiner Zeit.", antwortete der. Der Bischof ärgerte sich wieder und nahm sich vor, Robin nach der Hochzeit auspeitschen zu lassen. Inzwischen waren Sir Stephen und Ellen vor den Altar getreten. Der Bischof trat hinzu und öffnete sein Buch. Ellen sah sich hilfesuchend um. In diesem Moment trat Robin vor und stellte sich zwischen Braut und Bräutigam.
"Seht doch nur dieses arme Mädchen an.", sagte er mit lauter Stimme. "Sie sieht nicht gerade wie eine glückliche Braut aus. Ich bin sicher, dass Gott diese Hochzeit nicht gefällt. Ihr seid viel zu alt, Herr Ritter. Euer Haar ist grau. Sie ist jung und sie liebt euch nicht. Glaubt ihr, ihr habt trotzdem das Recht, sie zu heiraten?"
Alle sahen Robin erschreckt an. Der setzte sein Horn an die Lippen und blies dreimal hinein. Bevor der Freisasse oder einer der anderen etwas tun konnte, hatten Will Stutley und Little John neben Robin Stellung bezogen. Allen a Dale trat in die Kirche und Edward von Deirwold kreischte: "Ist das hier etwa dein Werk?" "Nein.", sagte Robin ruhig. "Es ist mein Werk. Ich bin Robin Hood. Ich will euch nichts Böses. Aber dieses Mädchen ist mit Allen a Dale verlobt. Sie heiratet ihn oder einige von euch werden es bereuen."
"Das kannst du nicht bestimmen.", tobte Edward von Deirwold. "Sie heiratet Sir Stephen und sonst niemanden." Da sagte Sir Stephen, der bisher geschwiegen hatte: "Oh, nein, mein Freund. Ich will deine Tochter nun nicht mehr. Ich wusste nicht, dass sie einen anderen liebt. Wenn sie einen lausigen Bänkelsänger einem Ritter vorzieht, ist das ihre Sache. Ich habe sie geliebt und hätte sie auf Händen getragen. Aber so, wie die Dinge jetzt liegen, kannst du sie wiederhaben." Damit verließ er die Kirche und deutete seinen Männern, ihm zu folgen.
Der Bischof, der Angst vor Robin hatte, wollte sogleich hinterher laufen, aber Robin hielt ihn zurück. Dann sagte er zu Ellens Vater: "Gib deinen Segen zu der Hochzeit mit Allan a Dale und alles wird gut. Wir zahlen zweihundert Goldpennys als Brautpreis. Also, gib deinen Segen. Tust du es nicht, wird sie Allan trotzdem heiraten und du bekommst nichts."
Edward von Dreiwold war wütend aber nicht dumm. Er sah, dass die Sache verloren war und wollte nun noch etwas daraus machen. "So soll sie ihn haben, wenn sie ihn unbedingt will.", knirschte er. "Ich wollte etwas Besseres für sie, aber wenn sie das nicht will, muss sie eben diesen Lump heiraten." Er zeigte verächtlich auf Allan a Dale.
"Aber das geht doch nicht!", meinte einer der Herren aus Emmet. "Es wurde kein Aufgebot bestellt und es gibt keinen Priester der sie trauen würde." Das war das Zeichen für Bruder Tuck. "Aber natürlich würde ich sie trauen.", brüllte er von der Empore herunter. "Ich verkünde das Aufgebot und dann traue ich die beiden hier auf der Stelle." Schnell kam er von der Empore herunter und vollzog die Trauung.
Robin zahlte zweihundert Goldpennys an den Brautvater. Robins Männer drängten sich um das Brautpaar und ließen es hochleben. Robin aber wandte sich an den Bischof. "Herr Bischof, darf ich euch an euer Versprechen erinnern? Ihr verspracht mir - in einem vernünftigen Rahmen - zu geben, was ich verlange, wenn die Braut den Bräutigam liebt. Und seht nur, wie sehr sie ihn liebt. Deshalb wünsche ich mir eure goldene Kette, die ihr um den Hals tragt. Ich will sie der Braut als Hochzeitsgeschenk geben." Der Bischof wurde rot vor Wut. Er hatte natürlich an seinen Vetter gedacht, als er von dem Bräutigam sprach. Ein Blick auf Robins Männer aber ließ ihn vernünftig bleiben. Er nahm die Kette ab und überreichte sie Robin.
"Ich danke Euch sehr!", sagte Robin. "Wenn ihr einmal in den Sherwood-Forest kommt, so besucht mich doch zu einem königlichen Festmahl." "Da sei Gott vor.", stöhnte der Bischof und suchte das Weite.
Robin und seine Männer nahmen das Brautpaar in ihre Mitte und kehrten heim in den Sherwood-Forest. Auf dem Weg zupfte Bruder Tuck Robin am Ärmel. "Meint ihr nicht, für euer Seelenheil wäre es von Nutzen einen charakterfesten Geistlichen zu euren Männern zu zählen?" Robin lachte und bot Bruder Tuck an, für immer bei ihm zu bleiben.
13. Robin hilft einem Ritter
Es war Herbst geworden und überall kümmerte man sich um die Ernte. An einem klaren Herbstmorgen sagte Robin zu Little John: "Geh' du mit ein paar Männern nach Osten, ich gehe mit einigen nach Westen. Jeder von uns soll einen Gast mitbringen, mit dem wir unser festliches Mahl teilen wollen." Little John nickte begeistert und zog los. Robin scharte Allan a Dale, Will Scarlett, Will Scathelock, Midge und noch einige andere um sich. Bruder Tuck blieb mit dem Rest der Schar im Lager, um das Festmahl vorzubereiten.
Robin marschierte mit seinen Männern in den Wald hinein. Bis zum Mittag hatten sie noch niemanden entdeckt, der ihr Gast hätte werden können und so ließ Robin die Männer schließlich an einer Wegkreuzung anhalten. Ein Heiligenbild stand dort und zu beiden Seiten wuchsen hohe Hecken. "Lasst uns hier rasten. Und wer weiß, vielleicht läuft uns ja doch noch ein Gast über den Weg." Robin uns seine Männer setzten sich ins Gras und aßen. Sie überblickten die Straße, die sich einen steilen Hang hinauf wand.
Sie hatten ihr Mahl gerade beendet, als ein Ritter auf der Straße sichtbar wurde. Er war stattlich, sah aber niedergeschlagen und mutlos aus. Obwohl er weder Gold, noch Silber noch Edelsteine an seiner Rüstung trug war Robin sicher, einen vornehmen Mann vor sich zu haben. Also stellte er sich ihm in den Weg und sprach ihn an: "Haltet an, Herr Ritter. Ich möchte ein paar Worte mit euch wechseln." "Wer seid ihr, dass Ihr einen Ritter einfach so anhaltet?" fragte der Fremde. "Tja, wer bin ich? Die einen sagen, ich bin ein braver, rechtschaffener Mann, die anderen dagegen nennen mich grausam und einen Dieb. Wie werdet Ihr mich wohl nennen? Entscheidet selbst. Mein Name ist Robin Hood."
Der fremde Ritter lächelte ein wenig und antwortete: "Ihr seid sehr eingebildet. Aber ich sehe euch mit wohlwollenden Augen, denn ich hörte eher Gutes als Schlechtes!" "Dass wisst Ihr auch, dass wir gerne Gäste einladen. Unser Gasthaus steht weitab von allen Straßen uns so müssen wir zuweilen unsere Gäste selber finden. Und ich will noch eins hinzufügen. Unsere Gäste zahlen ihre Rechnung selbst!" Robin lachte den fremden Ritter an. "Davon habe ich gehört.", nickte der. "Aber bei mir seid ihr an den falschen Mann geraten. Ich habe kein Geld außer den 10 Schillingen in meiner Börse. Mehr Geld hat Sir Richard of the Lea nicht mehr." Robin gab seinen Männern das verabredete Zeichen und sie traten zu ihm auf die Straße. Stumm starrten sie den Ritter an.
"Ist es wahr, dass Ihr nicht mehr Geld besitzt? Gebt Ihr mir Euer Wort als Ritter?" Der Ritter streckte Robin seine Börse hin. "Seht selbst! Ich besitze nicht mehr als diese 10 Schillinge." "Steckt Eure Börse ein und folgt uns trotzdem zu unserem Festmahl. Erzählt mir Eure Geschichte. Vielleicht kann ich Euch helfen." Der Ritter schüttelte den Kopf. "Ich wäre ein schlechter Gast. Mir ist nicht nach Feiern zumute! Aber wenn du darauf bestehst, begleite ich dich."
Während die Männer gemeinsam zum Lager zurückgingen, erzählte Sir Richard of the Lea seine Geschichte. Sein Sohn, gerade erst zwanzig, war ein erfolgreicher Ritter. Auf einem Turnier besiegte er Sir Walter von Lancaster. Die Lanzen zersplitterten und ein Splitter drang Sir Walter durch das Auge ins Gehirn. Er starb noch auf dem Turnierplatz. Die Verwandtschaft von Sir Walter entfesselte daraufhin eine Hetzte gegen den Sohn von Sir Richard. Sir Richard musste ein hohes Lösegeld zahlen, um seinen Sohn vor dem Gefängnis zu bewahren. Schließlich musste er der Priorei von Emmet Gut und Land verpfänden. "Wo ist dein Sohn?", fragte Robin, der aufmerksam zugehört hatte. "Er kämpft in Palästina für das Kreuz und das Heilige Grab. Ich werde das auch tun, wenn ich meinen Besitz verloren habe. In drei Tagen muss ich meine Schuld begleichen, oder alles fällt an die Priorei." "Wie viel schuldest du ihnen noch?" "Noch vierhundert Pfund.", erwiderte Sir Richard.
Robin war empört. "Du sollst wegen vierhundert Pfund deinen gesamten Besitz verlieren?" Der Ritter nickte. "Ich selbst finde das gar nicht so schlimm. Ich mache mir nur schreckliche Sorgen um meine Gemahlin. Sie muss dann bei einem Verwandten Zuflucht suchen und das tun, was er befiehlt. Sie wird von seiner Gnade abhängig sein. Das ist schrecklich." Robin dachte nach. "Hast du denn keine Freunde, die dir helfen können?" "Da ist niemand mehr. Seit ich meinen Besitz verloren habe, meiden mich alle. Ich stehe allein da." Robin fasste Sir Richard am Arm. "Nein. Du bist nicht allein. Schon manch einer hat in Robin Hood einen Freund in größter Not gefunden. Nun komm erst einmal und iss mit uns."
Das Feuer im Lager brannte und Little John war mit seinen Männern zurückgekehrt. Sie hatten einen Gast mitgebracht. Es war der Bischof von Hereford. Hinter ihm drängten sich angstvoll drei Mönche aneinander. Der Bischof ging aufgeregt auf und ab. Als Robin ihn begrüßte, stieß er zornig hervor: "Wie behandelt Ihr einen hohen geistlichen Würdenträger? Wir wurden hierher geschleppt und aufs Unhöflichste beschimpft. Eine Schande ist das!" Robin verbeugte sich vergnügt und sagte: "Wir sind raue Gesellen, bester Bischof. Verzeiht unsere Manieren. Wir wollen aber dennoch mit Euch das Mahl teilen. Bis es fertig ist, wollen wir euch mit Wettkämpfen unterhalten."
Und so saß Robin mit seinen beiden Gästen auf den Hirschfellen, die die Männer für sie ausgebreiteten hatten und sah den Wettkämpfen zu. Die Männer zeigten Stockkämpfe und schossen mit ihren Bögen. Robin tat einmal mit und zeigte, dass er immer noch beste Schütze weit und breit war. Dann ging er wieder zu seinen Gästen und unterhielt sie mit spannenden und amüsanten Geschichten, bis beide schließlich lachten und den Abend fast genossen.
Endlich war das Festmahl fertig und im Schein der Fackeln ließ man es sich schmecken. Als das Mahl beendet war, bat Robin um Ruhe. "Freunde, ihr wisst, dass der Bischof fünf Packpferde mit sich führte. Holt sie heran, wir wollen sehen, was der Bischof alles bei sich hatte. Wer hat eine Liste?" Einer der drei Mönche meldete sich zitternd. "Ich habe die Liste. Aber bitte, tu mir nichts." Robin lachte und meinte: "Ich habe noch nie einem unschuldigen Mann etwas zuleide getan. Also, gib mir die Liste!"
Robin gab die Liste Will Scarlett und einige Männer holten die Packpferde. Dann begann Will: "Drei Ballen Seide für Quentin, den Krämer zu Ancaster. Die Seide rühren wir nicht an, denn Quentin ist ein ordentlicher Kerl, der hart arbeitet." Die drei Ballen Seide wurden beiseite gelegt. "Einen Ballen Seidensamt für die Abtei Beaumont.", las Will. "Wozu brauchen die Mönche denn Seidensamt?", fragte Robin. "Nun gut, sie sollen einen Teil davon bekommen. Wir teilen den Seidensamt in drei Teile. Ein Teil für uns, ein Teil für die Armen und ein Teil für die Priester." Und so geschah es.
Alles, was die drei Packpferde trugen, wurde auf diese Weise aufgeteilt. Einiges blieb unberührt und einiges wurde geteilt. Schließlich war nur noch eine große Schatztruhe übrig. "Eine Kiste im Eigentum des hochlöblichen Herrn Bischofs von Hereford." Die Kiste wurde vom Pferd gehoben. "Hast du einen Schlüssel?", fragte Robin den Bischof. Dieser schüttelte den Kopf. Da nahm Will Scarlett sein Schwert und hieb dreimal auf die Truhe ein. Schließlich sprang sie auf und heraus rollten viele Goldmünzen, die im Feuerschein glänzten. "Zählt das Geld!", befahl Robin. Es dauerte eine Weile, dann aber erklärte Will Scarlett: "In der Kiste sind fünfzehnhundert Pfund! Und hier ist ein Papier, das auflistet, aus welchen Zinsen, Strafen und Pachteinnahmen das Geld stammt."
"Das ist eine Menge Geld.", begann Robin. "Zuviel, als das Ihr alles behalten dürftet. Wir halten es auch hier so: Ein Drittel für euch, ein Drittel für uns und ein Drittel für einen wohltätigen Zweck. Und den will ich hier auch gleich vorschlagen. Wir geben das Geld Sir Richard, dem die Kirche gerade alles nehmen will, weil er vierhundert Pfund nicht zurückzahlen kann."
"Ich nehme das Geld gerne.", mischte sich Sir Richard ein. "Aber nur als Leihgabe! Ich werde es innerhalb eines Jahres an die Kirche zurückzuzahlen." "Das musst du nicht.", erklärte Robin. "Aber wenn du dich besser fühlst, dann zahle das Geld bitte mir zurück. Ich habe sicherlich eine bessere Verwendung dafür als der Bischof."
Sir Richard nickte und erhob sich. "Ich kann nicht länger bleiben. Meine Gemahlin wird sich Sorgen um mich machen." Robin überreichte Sir Richard fünfhundert Pfund in einem Lederbeutel und Little John sagte: "Wir können ihn nicht so gehen lassen. Lass einige bewaffnete Männer mit ihm gehen, damit ihm kein Leid geschieht. Wir wollen Sir Richard als Knappen dienen, bis er andere gefunden hat, die unsere Plätze einnehmen können."
Sie statteten Sir Richard noch mit allerhand Dingen aus, die ein Ritter braucht und gaben ihm auch von den Waren von den Packpferden. Schließlich bedankte sich Sir Richard gerührt und versprach, Robin und seinen Männern immer zu helfen, wann immer sie in Not waren. Schließlich brachen er und zwanzig Männer aus Robins Gefolge auf.
"Ich muss mich auch auf den Weg machen.", sagte der Bischof. "Oh, nein.", antwortete Robin. "In drei Tagen muss Sir Richard seine Schuld begleichen. Solange wirst du unser Gast sein, damit du nichts Übles aushecken kannst. Verzeiht meine offenen Worte und fühlt Euch bei uns wohl. Du sollst eine fröhliche Zeit haben." Und tatsächlich, als die drei Tage um waren, tat es dem Bischof wirklich ein wenig Leid, Robin und seine Männer verlassen zu müssen. Trotzdem nahm er sich vor, sich an Robin und seinen Männern zu rächen.
14. Sir Richard bezahlt seine Schuld bei dem Prior von Emmet
Sir Richard und Robins Männer erreichten die Priorei von Emmet am Mittag. Der Pförtner der Priorei öffnete ihnen das Tor und bot an, die Pferde im Stall unterzubringen. Aber Sir Richard lehnte ab und ritt mit den Männern in den Hof, während der Prior einem beschwingten Bankett beiwohnte. Auf der Tafel war ein fürstliches Mahl angerichtet und der Prior Vincent von Emmet saß am Kopf der Tafel. Er war in kostbare Gewänder gehüllt, um den Hals trug er eine schwere Goldkette. Der Sheriff von Nottingham saß zu seiner Rechten und ein Rechtsgelehrter zu seiner Linken.
An der Tafel waren alle froh und gut gelaunt. Der Prior hatte gerade dem Sheriff versichert, dass er das Land des Sir Richards erhalten würde. "Ich habe ihn beobachten lassen.", schmatzte der Sheriff. "Er hat kein Geld, das weiß ich nicht genau!" "Und heute muss er die Schuld bezahlen oder er hat seine Länderein verwirkt.", grinste der Advokat. Der Kellermeister platzte heraus: "Also, ich finde es schändlich, einem ehrlichen Ritter den schönsten Besitz in ganz Derbyshire für schäbige vierhundert Pfund abzuluchsen." Der Prior brauste auf: "Was fällt dir ein...", als er von klappernden Hufen unterbrochen wurde. Ein Mönch, der am unteren Ende der Tafel saß berichtete: "Da kommt ein Ritter mit ungefähr zwanzig Bewaffneten. Sein Gewand ist ärmlich, aber sein Pferd ist prächtig geschmückt."
"Wer kann das wohl sein?", höhnte der Prior, obwohl er wusste, dass es Sir Richard of the Lea sein musste. Kaum hatte er ausgesprochen, da öffnete sich die Tür des Refektoriums und Sir Richard trat ein. Er trat vor den Prior, beugte das Knie und sprach: "Gott schütze Euch, Herr Prior. Ich bin gekommen, wie ich es versprochen habe." "Hast du das Geld dabei?", fragte der Prior. "Ich habe keinen Penny.", antwortete Sir Richard. "Habt Erbarmen und gewährt mir noch ein Jahr Aufschub!" "Dein Land ist verfallen, da du die Schuld nicht zahlen kannst.", mischte sich der Advokat ein. "Nun, Herr. Ihr seid ein Rechtsgelehrter. Wollt Ihr mir nicht in dieser schweren Stunde beistehen?", wandte sich Sir Richard nun an den Advokaten. "Nein, das kann ich nicht. Der Prior zahlt mein Honorar." Sir Richard sah sich um "Und Ihr, Sheriff? Steht ihr mir bei?" Der Sheriff schüttelte den Kopf und der Prior ergriff das Wort. "Nun ist es genug, Sir Richard. Du kannst deine Schuld nicht zahlen und nennst dich zu Unrecht Ritter. Übertrage mir also dein Land und dann scher' dich fort."
Blitzschnell erhob sich Sir Richard und donnerte: "Diebischer Priester! Nicht ich bin es, der hier Unrecht tut. Ihr wisst, dass ich in jedem Turnier meinen Namen hochgehalten habe. Aber du? Du hast keinen Anstand. Lässt einen Ritter vor dir knien, ohne ihm Speise oder Trank anzubieten." "Ich glaube, wir kommen so nicht weiter.", mischte sich der Advokat nun erneut ein. "Herr Prior, was wollt Ihr diesem Ritter zahlen, damit er Euch sein Land überschreibt?" "Zweihundert Pfund hätte ich ihm gegeben, aber nach dieser frechen Rede erhält er nur noch hundert!" Zornbebend trat Sir Richard auf den Prior zu. "Und selbst für tausend Pfund würdest du keinen Fußbreit von meinem Boden bekommen. Komm her und zahl die Schuld." Er winkte seiner Knappen heran, der einen Lederbeutel bei sich trug.
Schwungvoll leerte der Knappe den Beutel auf den Tisch aus. "Gib ihm nur dreihundert Pfund.", sagte Sir Richard. "Den Rest hat der Prior mir erlassen." Und so wurden dreihundert Pfund abgezählt. Der Prior ließ den Kopf hängen, denn zu gern hätte er Sir Richards Ländereien besessen. "Gib mir die achtzig Goldpennys zurück.", sagte er zu dem Advokaten. "Niemals!", ereiferte sich der. "Das ist mein Honorar!" "Die Schuld ist beglichen, die Frist eingehalten.", sagte Sir Richard. "Ich habe mit Euch nichts mehr zu schaffen!" Er drehte sich zu seinen Männern um. "Kommt, Männer. Wir gehen." Sir Richard und die Knappen verließen den Saal. Der Sheriff von Nottingham, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, stammelte plötzlich: "Reynold Grünblatt!" Da drehte Little John sich um und winkte seinem ehemaligen Herren freundlich zu. "Ich werde Robin Hood von den Geschehnissen hier berichten. Einen schönen Tag wünsche ich den Herren." Damit verließ er das Refektorium, während der Sheriff ihm verstört hinterher sah.
Auf den Tag genau ein Jahr später machte sich Sir Richard of the Lea auf, seine Schulden bei Robin Hood zu begleichen. Er hatte ein gutes Jahr hinter sich gebracht. Sein Land blühte wieder, die Ernte war reichlich ausgefallen und aller Kummer war vergessen. Dankbar dachte er an Robin Hood, der ihm die Möglichkeit gegeben hatte, sein Land zu erhalten.
An diesem Morgen brach Sir Richard mit einigen Bewaffneten auf. Die Sonne strahlte an diesem frischen Herbstmorgen. Sie kamen an Denby vorbei, eine Stadt, in der gerade ein Jahrmarkt stattfand. Die Hauptattraktion war ein Ringkampf. Der Gewinner sollte einen Ring, ein Fass Wein und ein paar Handschuhe bekommen. Sir Richard liebte Jahrmärkte, als ließ er anhalten und schlenderte über den Jahrmarkt. Im Ring lief ein Mann herum, den die Einheimischen William mit der Narbe nannten. Er hatte alle anderen Männer besiegt und glaubte nun, der Gewinner des Wettkampfes zu sein. Keiner wagte, ihn zum Kampf zu fordern.
Sir Richard sah sich den Mann an, als ein fremder Jüngling in den Ring trat und William mit der Narbe zum Kampf aufforderte. Niemand kannte den fremden jungen Mann, aber Sir Richard hatte dennoch das Gefühl ihn zu kennen.
Es wurde ein harter Kampf aber schließlich siegte der Fremde. Keine Hand rührte sich, niemand spendete dem fremden Sieger Applaus. Dieser zog sein Hemd wieder an, das er beim Kampf abgelegt hatte und nahm den Siegerpreis entgegen. Niemand hätte gewagt, gegen diesen jungen Mann zu kämpfen.
Die Menge war aber wütend, dass William mit der Narbe geschlagen worden war. Sie verfolgte den jungen Mann. Ein Schmied ging auf ihn los, aber der Junge parierte den Schlag und warf den Schmied zu Boden. Da wurde die Menge so wütend, dass sie über den fremden Jungen herfiel. Sicherlich hätten die aufgebrachten Männer den Fremden erschlagen, wenn nicht Sir Richard dazu gekommen wäre. Mit seinem Schwert brachte er schnell Ordnung in das wilde Kampfgeschehen. Der fremde Mann lag am Boden und blutete. Sir Richard half ihm beim Aufstehen. "Geht es?", fragte er den Mann. Der nickte. "Ja, danke! Ich bin David aus Doncaster. Vielen Dank Sir Richard, dass Ihr mir das Leben gerettet habt." "Ich habe doch gleich gewusst, dass ich Euch kenne!", triumphierte Sir Richard. "Ihr seid einer von Robins Männern. Wie schön, dass ich Euch heute helfen konnte. Nun geht aber und wascht Euch das Gesicht. Ich lasse Euch ein sauberes Wams bringen. So könnt ihr schließlich nicht nach Hause reiten."
David aus Doncaster wusch sich das Gesicht und kleidete sich um. Sir Richard aber erzählte draußen den wartenden Menschen, wer David aus Doncaster war. "Er ist einer der größten Ringkämpfer in unserem Lande. Lasst euch das eine Lehre sein und seid zu Fremden lieber immer freundlich. Und nun seid nicht mehr beleidigt, dass er euren William besiegte. Er trägt euch nichts nach. Ich habe ihm sein Weinfass abgekauft. Hier! Ihr könnt es haben." Alle jubelten und als David sauber wieder vor die Männer trat, ließen sie ihn hochleben. Noch viele Jahre erzählte man sich von diesem aufregenden Ringkampf.
Robin Hood stand mit Little John und den anderen auf dem Versammlungsplatz. Sie warteten auf die Ankunft von Sir Richard. Schließlich konnten sie ihn und sein Gefolge sehen. Der Ritter näherte sich Robin Hood und begrüßte ihn herzlich.
"Du siehst fröhlicher aus als noch vor einem Jahr.", bemerkte Robin. "Und du weißt, dass ich das dir zu verdanken habe.", erwiderte Sir Richard. "Du hast mich vor einem schrecklichen Leben in einem fremden Land bewahrt, hast mein Land und meine Familie geschützt. Nun halte ich mich mein Wort und bringe das geliehene Geld zurück, das ich zweimal verdoppeln konnte. Ich habe auch ein paar Geschenke für euch dabei." Robin lachte. Nun wurde zuerst gegessen und getrunken und erzählt. Schließlich musste Sir Richard auch erklären, warum David aus Doncaster mit ihm in den Sherwood-Forest gekommen war. So erzählte er die Begebenheit aus Denby und Robin zeigte sich sehr bewegt, denn er hing an dem jungen David. Robin dankte Sir Richard für seine Hilfe und bat ihn, das Geld als Geschenk anzunehmen und nicht zurück zu zahlen. Sir Richard aber lehnte dies ab. "Ich danke Euch noch einmal, dass Ihr mir dieses Geld geliehen habt. Aber ich kann es nicht behalten." So ließ Robin den Lederbeutel mit fünfhundert Pfund in seine Schatzkammer bringen. Und dann zeigte Sir Richard seine Geschenke. Es hatte zweihundert allerbeste Bögen aus spanischem Buchenholz, zweihundert mit Goldfäden bestickte Lederköcher bestückt mit zwanzig Pfeilen mit polierter Spitze. Die Männer jubelten. Robins Bogen aber hatte eine eingelegte Goldarbeit und auch jeder Pfeil in seinem Köcher war mit Gold belegt. Die Freibauern schworen Sir Richard Treue und sie alle geleiteten Sir Richard mit brennenden Fackeln aus dem Wald. So halfen die Männer vom Sherwood-Forest einem Ritter in Not.
15. Little John als Barfüßer
Der Winter war vorüber und der Frühling wärmte das Land. Robin und Little Jahn saßen zusammen im Lager und freuten sich an ihrem Leben. "Der Frühling ist einfach wunderbar.", sagte Robin. "Aber der Winter war auch nicht schlecht, wenn man an die fröhlichen Stunden im "Blauen Eber" denkt.", erinnerte Little John. "Die Lieder der Mönche oder die lustigen Geschichten der Bettler waren doch wirklich einen Winter wert."
"Ich wüsste zu gerne, wer ein lustigeres Leben führt. Die Mönche oder die Bettler.", überlegte Robin übermütig. "Lass es uns ausprobieren, Little John. Du gehst als Mönch nach Gainsborough und ich werde mit einem Bettler die Kleidung tauschen und nach Blyth wandern. Später treffen wir uns wieder hier und erzählen uns, was wir alles erlebt haben!"
Little John, der immer für einen Spaß zu haben war, verkleidete sich also als Mönch und ging davon. Auf dem Weg nach Gainsborough traf er drei Mädchen, die Eier zum Markt trugen. Little John machte den Mädchen Komplimente und trug ihnen die Körbe fast bis nach Gainsborough. In die Stadt hinein wagte er sich nicht, denn er wollte nicht den Soldaten des Sheriffs in die Hände fallen. Die Mädchen dankten ihm herzlich und verabschiedeten sich von dem seltsamen Mönch.
Little John ging weiter und kam an eine Schenke. Zwei hübsche Pferde waren davor angebunden. Auf der Bank in der Sonne saßen ein Kesselflicker, ein Hausierer und ein Bettler. Der Kesselflicker und der Hausierer luden Little John zum Bier ein, da sie dachten, er wäre ein Mönch. So saßen sie zu viert draußen in der Sonne und ließen es sich gut gehen. "Wem gehören die beiden Pferde?", fragte Little John neugierig. "Oh, in der Schenke sind zwei heilige Brüder, so wie du einer bist. Sie kommen aus der Abtei zu den Quellen in York. Der eine ist dünn wie eine Bohnenstange, der andere fett wie ein Pudding.", berichtete der Kesselflicker. Der Hausierer betrachtete den seltsamen Mönch: "Kannst du vielleicht ein Lied singen?" "Aber natürlich kann ich das.", antwortete Little John. Sofort begann er zu singen:
"Wohin eilst du schöne Maid?
Willst den Liebsten nicht freien?
Lass uns in den Garten gehen,
in dem die roten Rosen stehen..."
Weiter kam Little John nicht. Die Tür zur Schenke öffnete sich und die beiden Mönche, von denen der Kesselflicker gesprochen hatte, traten vor die Tür. "Was fällt dir ein? Du trägst eine Mönchskutte und singst schmutzige Lieder? Hör sofort damit auf. Du entehrst dein geistliches Gewand." Little John sah die Mönche frech an. "Ich entehre mein geistliches Gewand? Ist es nicht viel schlimmer, armen Bauern schwer verdientes Geld abzuluchsen und es sich dann damit wohl sein zu lassen? Das ist das, was Ihr tut." Die beiden Mönche wurden rot vor Zorn, wussten aber keine Antwort. Stumm gingen sie zu ihren Pferden. Da rief Little John: "Wartet. Nehmt mich mit. Eure Worte haben mich tief getroffen und ich will Buße tun." Der Hausierer, der Kesselflicker und der Bettler grinsten, denn sie hatten sehr wohl verstanden, dass der Mönch die geistlichen Herren zum Narren halten wollte. Den beiden war es auch gar nicht recht, dass sie Little John mitnehmen sollten, aber sie fürchteten sich vor seine Kraft. Also stiegen sie auf ihre Pferde und ritten los. Little John blieb neben ihnen und hatte auch keine Mühe, als sie einen leichten Galopp anschlugen. Nur der dicke Mönch konnte sich kaum noch im Sattel halten. Also parierten sie die Pferde durch und gingen wieder in gemächlichem Schritt. Little John ging zwischen ihnen und hielt mit großer Geste den Weg frei.
An einer Kreuzung hielt der dünne Mönch sein Pferd an. "Hört zu, ihr habt uns nun lange genug gedemütigt. Lasst uns unserer Wege ziehen." Little John lachte ihn an. "Habt Ihr Geld? Gebt mir Euer Geld und ich werde einen anderen Weg einschlagen." "Wir haben kein Geld.", rief der dicke Mönch schnell. "Dann lasst uns zum heiligen Dunstan beten, auf dass er euch ein wenig Geld schicken möge. Kommt und kniet mit mir nieder." Der dünne Mönch kreischte empört auf: "Ich soll auf der staubigen Straße knien und zu einem dahergelaufenen angelsächsischen Heiligen beten. Niemals." "Du kommst sofort zu mir auf die Knie oder ich ziehe dir eins über den Schädel.", brüllte Little John. Schließlich knieten die drei Mönche auf der Straße und Little John betete: "Oh heiliger Dunstan. Schick diesen beiden Mönchen doch zehn Schilling. Aber nicht mehr, sondern werden sie noch eingebildet."
Nach dem Gebet fragte Little John die Mönche: "Habt ihr nun Geld in den Taschen?" Aber die Mönche schüttelten wieder den Kopf. "Dann müssen wir noch einmal beten.", bestimmte Little John aber auch das neue Gebet brachte den Mönchen kein Geld. "Lasst mich einmal in Eure Taschen fassen.", sagte Little John. "Vielleicht versteckt sich das Geld ja im Saum." Und er langte in die Taschen der Mönche. Dem hageren Mönch zog er einen Lederbeutel aus der Tasche, in dem hundertzehn Pfund in Gold waren. Der dicke Mönch führte einen Beutel mit siebzig Pfund mit sich. "Oh, danke. Danke heiliger Dunstan.", betete Little John scheinheilig. "So viel Geld und alles für mich! Ich bat den heiligen Dunstan, Euch nicht mehr als zehn Schillinge zu schicken. Nun habt ihr viel mehr. Vorher hattet Ihr gar kein Geld und da Ihr heilige Männer seid, glaube ich Euch. Ihr hättet mich nicht angelogen. Nun lasse ich Euch die zehn Schillinge, nehme den Rest, danke dem heiligen Dunstan und lasse Euch Eurer Wege ziehen."
Die beiden Mönche schwiegen und sahen Little John nach, der fröhlich pfeifend seiner Wege ging. Dann saßen sie auf und ritten davon.
16. Robin als Bettler
Während Little John als Mönch sein Glück versuchte, war Robin in Richtung Blyth unterwegs. Zunächst schien er kein Glück zu haben, denn es wurde Mittag und er hatte noch keinen Bettler getroffen. Robin war hungrig und durstig. Da sah er plötzlich einen lustigen Gesellen auf einem Zauntritt sitzen. Er hatte braune Augen und schwarze Locken. Seine Kleidung war geflickt und er hatte viele Beutel und Taschen umgehängt. "Sei mir gegrüßt, lieber Freund.", sagte Robin. "Was machst du hier? Ich würde gerne zwei Dinge mit dir besprechen." Der Bettler sah Robin an und antwortete: "Ich bin kein Kumpel für ernsthafte Dinge. Und du siehst auch nicht aus, als hättest du etwas Ernsthaftes im Kopf." "Wo bekomme ich etwas zu essen zu und zu trinken?", fragte Robin. Der Bettler lachte. "Das ist dein Problem, nicht meins. Ich esse, wenn ich etwas zu essen habe und habe ich kein Bier trinke ich Wasser." Robin deutete auf all die Taschen und meinte: "Und du hast nichts zu essen in den Taschen? Und auch nichts zu trinken?"
"Vielleicht habe ich etwas zu essen.", antwortete der Bettler. "Vielleicht gebe ich dir etwas ab, wenn du mich zu einem Bier einlädst. Das Wirtshaus dort unten braut das beste Bier weit und breit." Robin erklärte sich einverstanden und holte das Bier. In der Zwischenzeit holte der Bettler seine Schätze aus den Taschen und bereitete das Mahl vor. Als Robin zurückkam, gab es einen Schmaus, wie er Robin behagte. Als beide satt waren, sagte Robin: "Und nun zu dem zweiten Ding, dass ich mit dir besprechen wollte. Ich würde gern deine Kleider haben, um das Leben als Bettler kennen zu lernen. Ich gebe dir zwei Goldpennys, wenn du mit mir die Kleider tauschst." "Nicht jeder kann ein Bettler sein.", wehrte der Bettler ab. "Ich tausche meine Kleider nicht mit dir." "Ich geb' dir gleich mit dem Stock eins über den Schädel.", drohte Robin und nahm seinen Stock zur Hand. "Ich will die Kleider ja bezahlen." "Du bekommst keinen Zipfel von meinem Wams.", schrie der Bettler und griff ebenfalls nach seinem Stock.
Robin sprang auf die Füße und hieb dem Bettler den Stock auf den Kopf. Dieser fiel benommen ins Gras und blieb liegen. Als er wieder zu sich kam, fragte Robin: "Wie sieht es nun aus? Bekomme ich deine Kleider oder muss ich dir noch eins auf den Schädel geben?" Der Bettler sah Robin an. "Du nimmst mir nur meine Kleider?" "Versprochen." "Gut." Der Bettler nahm ein Messer, schlitze sein Wams auf und holte zehn Pfund in Gold daraus hervor. Robin pfiff durch die Zähne. "Wenn ich das gewusst hätte...", grinste er. Dann tauschten die beiden die Kleider und trennten sich.
Robin ging weiter und traf schließlich auf vier Bettler, die schmausten und zechten. Jeder trug ein Schild um den Hals. "Bin blind", "Bin taub", "Bin stumm", "Bin lahm" stand darauf. Aber alle vier Bettler erfreuten sich bester Gesundheit. Als sie erkannten, dass Robin zu ihrer Zunft gehörte luden sie ihn. "Setz dich Bruder und trink mit uns. Wir freuen uns, dich zu sehen." "Das glaube ich gern.", lächelte Robin. "Immerhin habe ich den Blinden sehend, den Tauben hörend, den Stummen sprechend und den Lahmen gehend gemacht." Da lachten die Bettler und fragten Robin, woher er käme. Als er erzählte, er sei die letzte Nacht im Sherwood-Forest gewesen, sahen sie ihn bewundernd an. "Das würde ich nicht wagen!", gab der Taube zu. "Robin Hood schneidet uns die Ohren ab, wenn er uns erwischt. Für alles Geld, das wir nach Lincoln tragen, würde ich nicht durch den Sherwood-Forest gehen."
Robin lachte und erwiderte: "Vielleicht würde er euch ja wirklich die Ohren abschneiden. Aber von welchem Geld redet ihr? Ich denke, gerade Geld haben die Bettler nicht?" "Ach, Peter York, unser König, hat uns mit diesem Geld nach Lincoln geschickt...", begann der Lahme, aber der Blinde fiel ihm ins Wort: "Still. Wir kennen ihn doch gar nicht!" Dann wendete er sich an Robin: "Nichts für ungut, Bruder. Sag zuerst, was du eigentlich bist? Bist du ein Klinkenputzer oder Fechtbruder? Spielst du den Aussätzigen oder vielleicht sogar den Verrückten? Oder bist du einfach ein Stromer?"
Robin sah die Bettler an. "Wovon redet ihr? Ich verstehe kein Wort." Die Bettler erschraken. Der Blinde fragte: "Du treibst Scherze mit uns, oder? Natürlich weißt du, wovon wir reden! Beantworte mir diese Frage: Brauchst du eine Lauseharke, um die Sore zu köpfen?" Robin schüttelte den Kopf. "Seid ihr denn alle verrückt geworden? Lasst mich mit diesem Unsinn in Ruhe!"
Der Blinde sprang auf und schrie: "Er ist ein Spion! Los, Männer! Er hat zu viel gehört. Er muss sterben. Auf ihn!" Und die Bettler stürzten sich auf Robin, der blitzschnell aufsprang und nach seinem Stock griff. Zweimal sauste sein Stock durch die Luft, dann lag der Blinde im Gras und rührte sich nicht mehr. Robin sprang auf den Stummen los, der ebenfalls wenig später regungslos im Gras lag. Die beiden anderen rannten davon so schnell sie nur konnten. Der eine nach links, der andere nach rechts. Robin lachte und beugte sich über die beiden, die zu Boden gegangen waren. Da beide keinen Mucks von sich gaben, durchsuchte Robin ihre Kleidung, denn er wollte wissen, von welchem Geld die Bettler geredet hatten.
Im Wams des Blinden fand er einen Beutel in dem sich vier in gegerbte Schafshaut gewickelte Rollen befanden. Robin staunte nicht schlecht, als er in jeder dieser Rollen fünfzig Pfund in Gold fand. "Ich habe schon oft gehört, dass die Bettlergilde schwer reich sein soll.", dachte Robin. "Aber dass sie Bettler mit solchen Summen übers Land schickt, hätte ich nicht gedacht. Besser ist, wenn ich das Geld an mich nehme. Ich werde es für wohltätige Zwecke verwenden." Rasch steckte er das Geld ein und ging seiner Wege. Die vier Bettler aber ärgerten sich sehr, dass sie das Geld für die Schatzkammer in Lincoln an Robin Hood verloren hatten.
Robin pfiff ein fröhliches Lied. Das Bettler-Leben begann ihm zu gefallen. Als er an die Wegkreuzung bei Ollerton kam, beschloss er, ein wenig zu rasten und dann umzukehren. Als er so im Gras saß und sich ausruhte, sah er einen Reiter herankommen. Der Mann war schrecklich mager und sein Pferd hatte ebenso hervorstehende Rippen wie er. Robin erkannte den Mann sofort. Es war ein reicher Kornhändler aus Worksop. Robin musste über lachen, denn statt Schuhen trug der Kornhändler Holzpantinen mit einer dicken Sohle.
Als der Mann heran gekommen war, sagte Robin: "Habt Mitleid mit einem armen Bettler. Schenkt mir ein paar Pennys, damit ich Brot kaufen kann." "Lass mich mit deinem Geschwätz in Ruhe. Ich habe keinen Penny. Und wenn du Robin Hood persönlich wärst, du würdest kein Geld bei mir finden. Ich bin nicht so dumm, dass ich Geld dabei habe, wenn ich so nahe am Sherwood-Forest vorbeireite."
"Nun, dann sind wir beide schlau.", meinte Robin. "Ich bin kein Bettler. Siehst du, wie sauber ich bin? Ich habe mich nur verkleidet, damit Robin Hood dies hier nicht findet!" Er holte das Geld der Bettlergilde hervor und zeigte es dem Kornhändler. "Um Himmels Willen!", entfuhr es hageren Mann. "Steck' das weg! Bist du verrückt, so viel Geld bei dir zu tragen, wenn du in der Nähe des Sherwood-Forest herum laufen musst? Ich muss nach Grantham. Ich werde Newark übernachten, denn es wird bald dunkel. Wohin für dich dein Weg?" "Wie der Zufall will, muss ich nach Newark. Wir können zusammen gehen, wenn ich nicht störe." "Jetzt, da ich weiß, dass Ihr kein Bettler seid, könnt Ihr mit mir gehen. Nur Bettler verabscheue wirklich!"
Der Kornhändler gab seinem mageren Pferd die Sporen und Robin lief gemächlich daneben her. Kurz vor Sherwood warnte der Kornhändler: "Jetzt kommt der gefährlichste Teil der Strecke." "Hoffentlich kommt nicht Robin Hood aus dem Gebüsch.", jammerte Robin und tat sehr ängstlich. "Sicher nimmt er mir mein ganzes Geld ab. Hätte ich doch so wenig Geld dabei wie du!" "Hör mit dem Gejammer auf!", fuhr der Kornhändler ihn an. "Sei still. Ich habe nicht viel weniger Geld bei mir als du. Aber ich habe es besser versteckt und Robin Hood wird es nie finden! Du bist ein ehrlicher Mann, also will ich dir mein Versteck verraten. Hast du meine Holzpantinen gesehen?" Robin nickte. "Die kann man ja gar nicht übersehen!" Der Kornhändler lachte. "Und genau dort ist mein ganzes Geld versteckt. In meinen Schuhsohlen. Da kommt nicht einmal Robin Hood drauf. Soll er ruhig kommen. Ich fürchte mich nicht!"
Robin brach in schallendes Gelächter aus und griff in den Zügel des Pferdes. "Kein schlauerer Fuchs ist mir untergekommen als du!", lachte er. "In den Sohlen deiner Schuhe. Nein, da wäre ich wirklich nicht drauf gekommen." Der Kornhändler war blass geworden. "Was soll das? Lass mein Pferd los. Und rede nicht so laut über mein Geld. Nicht hier! Das kannst du machen, wenn wir in Newark sind."
"Oh!", meinte Robin. "Ich glaube, ich bleibe doch hier in der Gegend. Ich habe viele gute Freunde hier. Und außerdem gefallen mir deine Pantinen. Also, runter damit. Gib sie mir." "Wer bist du, dass du auf einmal so mit mir redest?", stotterte der Kornhändler. "Nun, man nennt mich Robin Hood. Ich möchte deine Pantinen haben. Gib sie mir schnell. Und dann sieh zu, dass du noch vor Einbruch der Dunkelheit Newark erreichst!"
Der Kornhändler bekam Angst als er sah, dass er Robin Hood vor sich hatte. Er streifte die Pantinen von den Füßen und reichte sie Robin. "Guter Mann, eigentlich lade ich die Leute, mit denen ich zu tun habe, zu einem Festmahl in mein Lager ein. Aber ich denke, meine Männer kennen dich, genauso wie dich kenne. Sie würden nicht sehr nett mit dir umspringen. Also, reite rasch weiter und wage dich nie wieder so dicht an den Sherwood-Forest heran. Ich bin nicht immer bei dir und kann auf dein Wohl acht geben." Damit versetzte er dem Pferd einen Klaps, so dass es sich in Bewegung setzte.
Robin kehrte in den Sherwood-Forest zurück. Dort brannten die Lagerfeuer und Robin und Little John gaben ihre Abenteuer zum Besten. Obwohl alle aufmerksam lauschten, konnte man sich nicht einigen, ob nun das Leben des Mönches Little John oder das des Bettlers Robin lustiger gewesen war.
17. Das Wettschießen auf dem Finsbury-Feld
An einem besonders heißen Tag saßen Will Stutley und Little John im Gasthaus zum "Blauen Eber" und genossen ihr Bier. Ein Reiter auf einem Schimmel kam heran. Das Pferd war kostbar geschmückt und der Reiter auf das Feinste gekleidet. "Kann ich hier Robin Hood finden?", rief er den Kameraden zu. "Wer will das wissen?", fragte Little John. "Mein Name ist Richard Partington. Ich bin der Page unserer Königin Eleonore. Wenn ihr wisst, wo ich Robin Hood finde, würdet ihr ihm einen großen Dienst erweisen und meiner Königin eine große Freude machen."
Will und Little John berieten sich kurz. "Nun gut. Wir halten dich für eine ehrliche Haut. Komm mit, wir führen dich zu Robin Hood." Es dauerte nicht lange, da trafen sie auf der Lichtung ein, auf der die anderen Männer in der Sonne saßen und Allan a Dale lauschten. "Wenn bringt ihr da?", fragte Robin als er Richard Partington sah. Der Page stellte sich vor und erklärte: "Ich bringe Grüße von unserer Königin Eleonore. Sie hat viele Geschichten vernommen und wünscht nun, Robin Hood persönlich kennen zu lernen. Ihr sollt nach London kommen. Unsere Königin gewährt euch Geleitschutz." Robin sah seine Männer an. "Wenn die Königin es wünscht, werde ich nach London kommen.", nickte er. "Aber vorher würde ich euch gern zu einem Festmahl einladen." Der Page schüttelte den Kopf. "In vier Tagen hält König Heinrich auf dem Feld von Finsbury ein Wettschießen ab. Die Königin will Robin Hood dabei haben. Wir haben also keine Zeit zu verlieren." "Ich verstehe.", sagte Robin.
Robin, Little John, Will Scarlett, Allan a Dale und Richard Partington verließen nur wenig später das Lager. Will Stutley übernahm das Kommando im Lager. Es dauerte einige Tage, bis die Männer London erreichten und Robin der Königin vorgestellt werden konnte. Königin Eleonore zeigte sich entzückt, Robin kennen zu lernen. Sie ließ ihm und seinen Männern die besten Speisen bringen und lauschte den Geschichten, die die Männer erzählten. Als Allan a Dale für die Königin sang, war es totenstill.
Am vierten Tag sollte das Wettschießen beginnen. Das Feld bei Finsbury war festlich geschmückt. Die Zelte der Schützengruppen leuchteten in den verschiedensten Farben, überall flatterten Wimpel und zu beiden Seiten des Feldes erhoben sich hohe Tribünen. In der Mitte der nördlichen Tribüne fanden sich die Sitze für das Königspaar. Ein bunter Baldachin spendete Schatten und alles war für das große Turnier bereit.
Der König und die Königin erschienen auf ihren edlen Pferden auf dem Turnierplatz. Ihnen folgte der gesamte Hofstaat und der Rasen war bald ein wogendes Meer aus buntem Samt und wallenden Federbüschen. Die Menschen schrieen und jubelten als das Königspaar sich zu seinen Plätzen begab. Dann ertönte ein Hornsignal und die Bogenschützen - insgesamt achthundert Mann - marschierten auf. Der König gab die Spielregeln bekannt. Jeder sollte sieben Pfeile auf die Zielscheibe schießen, die seiner Gruppe zugeteilt worden war. Von den achtzig Angehörigen einer Kompanie sollten die drei besten Schützen ausgewählt werden. Diese würden wiederum drei Pfeile abschießen. Hier sollte dann der beste Schütze ausgewählt werden. Von den besten Schützen sollten erneut drei Pfeile abgeschossen werden. Der beste Schütze von allen sollte den ersten Preis, der Zweitbeste den zweiten Preis und der Drittbeste den dritten Preis erhalten. Alle anderen sollten achtzig Silberpennys für die Teilnahme bekommen. Der erste Preis bestand aus fünfzig Pfund in Gold, einem silbernen Jagdhorn und einem Köcher mit zehn weißen Pfeilen verziert mit Goldköpfen, der zweite Preis waren hundert fette Hirsche, die der Preisträger selbst schießen durfte. Zwei Fässer Rheinwein waren für den dritten Platz vorgesehen.
Der Wettkampf begann und der die erste Runde dauerte bei fünftausendsechshundert abgeschossenen Pfeilen recht lange. Die zweite Runde dauerte nicht mehr so lange. Als die letzten zehn Schützen feststanden, wurde eine Pause eingelegt. Die Königin fragte den König lächelnd: "Seid Ihr sicher, dass Ihr hier die besten Schützen ganz Englands vor Euch habt?" Der König erwiderte: "Aber sicher, meine Liebe. Es sind die besten Bogenschützen Englands und der ganzen Welt. "Was würdet Ihr sagen, wenn ich Euch drei Schützen zeigen könnte, die weitaus besser schießen als diese Männer? Ich kenne drei Freibauern, die ohne zu zögern gegen die Sieger des Wettkampfes antreten. Ihr müsst Ihnen allerdings freies Geleit zusichern, denn das habe ich ihnen versprochen.", sagte die Königin. "Was ist das für eine seltsame Geschichte?", wunderte sich der König. "Aber gut. Ich bin neugierig. Ich sichere den Burschen vierzig Tage lang freies Geleit zu. Und mehr noch: Wenn sie wirklich besser schießen als meine Männer, dürfen sie die Preise mitnehmen. Wie also wäre es mit einer Wette?"
Und so kam es, dass der König und die Königin wetteten. Der König setzte zehn Fass Wein, zehn Fass Bier und zweihundert Langbogen aus Eibenholz auf seine Männer, während die Königin einen juwelengeschmückten Gürtel auf Robin und seine Gefährten setzte. So ging zunächst der Wettkampf weiter und am Ende standen die Sieger fest: Gilbert war der beste Schütze, Tepus der zweite und den dritten Platz erreichte Hubert aus Suffolk. "Nun lass deine Männer antreten.", wisperte der König seiner Gemahlin zu. Auf einen Wink der Königin traten die vier Freibauern vor und beugten vor der Königin das Knie. Der anwesende Bischof von Hereford zuckte bei ihrem Anblick heftig zusammen, denn er erkannte Robin und seine Männer. Die Königin sagte: "Locksley, es gilt eine Wette zu gewinnen. Ich setzte auf Euch, mein Gemahl auf seine besten Schützen. Wollt Ihr also um meinetwillen Euer Bestes geben?"
Die Freibauern nickten und die Königin lächelte.
"Wen habt Ihr uns da gebracht?", fragte der König. Der Bischof von Hereford konnte nicht länger seinen Mund halten. "Das ist das Diebespack aus dem Sherwood-Forest!", kreischte er. "Ich kenne sie alle ganz genau. Der da in Blau ist Robin Hood. Die anderen sind Little John, Will Scarlet und Allan a Dale." Der König sah seine Gemahlin verärgert an. "Ist das wahr?" Sie lächelte und nickte. Der König wurde zornig, aber er beherrschte sich. "Ich habe ihnen freies Geleit für die nächsten vierzig Tage zugesichert. Ich halte mein Versprechen. Aber danach soll sich dieses Pack in Acht nehmen."
Er wendete sich an seine Schützen. "Ihr müsst noch gegen diese Freibauern antreten. Besiegt ihr sie, werde ich Euch das mein Leben lang nicht vergessen und außerdem Eure Mützen mit Silberpennys füllen. Verliert ihr, müsst ihr die schon gewonnenen Preise hergeben. Tut also Euer Bestes."
So wurden sechs neue Zielscheiben aufgestellt und das Wettschießen begann erneut. Hubert von Suffolk schoss die besten Schüsse an diesem Tag und Will Scarlett unterlag ihm. Little John schoss um einiges besser als Tepus, aber es gab keinen Beifall für ihn, da die Leute sich ärgerten, dass ihr Schütze besiegt worden war. Dann traten Gilbert und Robin gegeneinander an. Robin traf die Zielscheibe dreimal so, dass seine drei Pfeile zu einem Pfeil zusammen zu schmelzen schienen. Gilbert traf auch dreimal das Schwarze, aber nicht so genau in der Mitte. "Ihr habt gewonnen.", sagte Gilbert ohne Neid, denn er bewunderte Robin Hood. "Nein, haben sie nicht.", ließ sich der König vernehmen. "Ihr habt beide in Schwarze getroffen. Jetzt schießt ihr so lange, bis einer eindeutig daneben schießt." Er ärgerte sich maßlos, dass die Freibauern seine Schützen besiegt hatten.
Robin zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Wie Ihr es wünscht. Los, Gilbert. Fang an." Gilbert schoss, aber ein leichter Wind lenkte seinen Pfeil ab, so dass er nur knapp das Schwarze berührte. Robin ließ seinen Pfeil fliegen und traf genau ins Schwarze. Mit zornrotem Gesicht erhob sich der König und verließ das Feld. Der oberste Preisrichter aber trat vor und verlieh die ersten beiden Preise an die tapferen Freibauern. Den dritten Preis erhielt Hubert von Suffolk.
Robin behielt von seinem Preis nur das silberne Jagdhorn. Das Gold gab er Gilbert und die zehn letzten Schützen des Königs erhielten jeweils einen weißen Pfeil mit Goldkopf. Little John verschenkte seinen Preis an Tepus, der fünfzig Hirsche erhielt und die Kompanien bekamen den Rest. Die Menschen jubelten und warfen ihre Mützen. Robin freute sich noch mit ihnen, als plötzlich jemand an seinem Ärmel zupfte. Ein Leibgardist flüsterte ihm ins Ohr: "Ich habe ein Nachricht von einer gewissen Dame. Ich soll dir folgende Worte ausrichten: >Der Löwe brüllt. Hüte dich!
Robin wusste sofort, dass die Nachricht von Königin Eleonore stammte. Auch hatte er den Zorn in den Augen des Königs gesehen. Rasch rief er seine Gefährten zusammen und sie verließen London so schnell sie konnten. So endete das Preisschießen auf dem Feld von Finsbury.
18. Robin Hood wird gejagt
Die Warnung, die Robin ereichte, war keineswegs zu früh gekommen. Robin und seine Männer hatten noch nicht mehr als drei oder vier Meilen zurückgelegt, als Soldaten auf dem Turnierplatz erschienen und Robin und seine Männer festnehmen wollten. Der König hatte sein Versprechen, Robin vierzig Tage lang freies Geleit zu garantieren, gebrochen. Dies geschah auf den Rat des Bischof von Hereford, der den König davon überzeugte, eine Frau könne nichts vom Regieren verstehen. Deshalb sei auch das Versprechen, dass er Königin Eleonore gegeben hatte nicht bindend. Robin müsse gefasst werden und zwar sofort. Natürlich war das die Rache, die der Bischof von Hereford an Robin nehmen wollte. Sir Robert of the Lee war entsetzt, dass der König sein Wort brach und führt den Befehl, die Soldaten zu schicken erst aus, nachdem er mit der Königin gesprochen hatte. Er tat dies, um die Ehre seines Herrn zu retten.
Robin und seine Männer hatten inzwischen das kleine Städtchen Barnet erreicht. Sie kehrten in einem Wirtshaus ein und aßen und tranken. Little John schäkerte mit der Wirtstochter und alle ließen es sich gut gehen. Da trat plötzlich Richard Partington ein und eilte zu Robin: "Wie gut, dass ich Euch antreffe. Ihr müsst fort. Schnell. Der König hat sein Versprechen gebrochen und macht nun Jagd auf euch. Er hat Bewaffnete entsendet, die euch festsetzen sollen. Zwei Reitertrupps sind schon hinter Euch her. Der Bischof von Hereford befehligt sie. Verschwindet von hier, aber schnell." Robin dankte dem Pagen, bezahlte den Wirt und sagte: "Wir müssen fort von hier. Wir müssen weiter nach St. Anbans."
Draußen auf der Straße schlug Robin vor, dass sie sich trennten. Sie sollten nach Osten gehen und dann auf Nebenstrecken zurück zum Sherwood-Forest gelangen. Er selbst wollte nach Westen ziehen. Sie verabschiedeten sich und gingen auseinander. Will Scarlett, Little John und Alla a Dale brauchten acht Tage, bis sie wieder zu Hause unter der alten Eiche standen. Von Robin Hood fehlte jede Spur.
Robin war zunächst nach Westen gegangen, vorbei an Aylesbury bis hin nach Woodstock in Oxfordshire. Von dort aus war er nach Norden gewandert bis nach Dudley. Sieben tage war er unterwegs und glaubte, weit genug im Norden zu sein. Also ging er nun wieder nach Westen, direkt auf den Sherwood-Forest zu. Er war guter Dinge, denn er glaubte, alle Gefahren hinter sich gelassen zu haben.
Der Bischof von Hereford aber tobte, als seine Soldaten bei St.Albans merkten, dass Robin ihnen entkommen war. Dorthin hatte der Wirt des Gasthauses in Barnet sie geschickt, denn er hatte ja gehört, dass Robin dorthin wollte. Unverzüglich setzten der Bischof und seine Soldaten den Marsch fort und erreichten bald Nottingham. Dort baten sie den Sheriff von Nottingham um Hilfe, der sich gern an Robin Hood rächen wollte. Gemeinsam blockierten sie alle Straßen und Wege, die nach Sherwood führten. Robin ahnte von alledem nichts, als er fröhlich pfeifend dem Sherwood-Forest zustrebte.
Bei Stanton wanderte er frohen Mutes über die Straße als etwas an seinem Ohr vorbei sauste. Robin wusste sofort, dass es ein Pfeil war und warf sich ins Dickicht. Sieben Soldaten taten es ihm brüllend nach. Robin aber kannte sich besser aus und konnte die Soldaten abschütteln. Schnell hastete er durch den Wald auf einen Hügel zu, als er einen zweiten Trupp Soldaten erkannte. Sofort drehte er um und rannte um sein Leben. Unter einer Hecke ruhte er schließlich aus. Dort fand ihn Quince, der Flickschuster. "Was tust du da?", rief Quince, dessen Geisteslicht nicht allzu hell strahlte. "Ich streue goldenen Vögeln Salz auf den Schwanz, um sie zu fangen." "Es gibt goldene Vögel dort in der Hecke? Ich würde auch gern einen haben.", sagte Quince. "Dann erzähle mir zuerst, was du da in deinem Beutel hast.", sagte Robin, den inzwischen der Hunger plagte. "Oh, ich habe einen fetten Kapaun und Bier. Ich habe Schuhe geliefert.", plapperte Quince. "Pass auf, Quince. Mir gefallen deine Kleider. Gib sie mir und du bekommst meine. Dann gebe ich dir noch zehn Schillinge und wir essen gemeinsam. Wie hört sich das an?" Quince erklärte sich mit allem einverstanden und war stolz auf das feine Tuch, das er nun am Leibe trug.
Robin öffnete den Beutel des Flickschusters und sie nahmen gemeinsam ein schmackhaftes Mahl ein. Kaum waren sie fertig, als die Soldaten auf die beiden Schmausenden stießen. "Da, haltet ihn. Nehmt ihn fest. Das ist er!", schrieen sie und packten den armen Flickschuster, der gar nicht wusste wie ihm geschah. "Ich bin Robin Hood?", wunderte er sich. "Nun, wenn Ihr das sagt, so wird es so sein. Ich bin der tapferste Freibauer in ganz Sherwood." Die Soldaten nahmen Quince mit und Robin lachte Tränen, denn er wusste, dass Quince nichts zustoßen würde. Der Bischof würde erkennen, dass Quince nicht Robin Hood war.
Robin aber eilte weiter. Schließlich war er so müde, dass er in einem Wirtshaus einkehrte und sofort schlafen ging. In dieser Nacht zog ein furchtbarer Sturm über das Land, der auch einen Mönch der Priorei von Emmet dazu zwang einzukehren. Nachdem sein Maultier versorgt war und er selbst ausreichend gespeist hatte, begab er sich zur Ruhe. Er war zunächst ungehalten, als der Wirt ihm mitteilte, er müsse in einem Bett mit einem Flickschuster schlafen. Dann aber sah er, dass der Flickschuster, der schon im tiefsten Schlummer lag, reinlich war und so entkleidete er sich und schlief ein.
Robin erwachte am nächsten Morgen und entdeckte den schlafenden Mönch neben sich. Rasch stand er auf und kleidete sich mit der Kutte des Mönchs an. Dann schlich aus dem Zimmer, nahm das Maultier des Mönchs und verschwand. Dem Mönch blieb, als er erwachte, nichts anderes übrig, als die Kleider des Flickschusters anzuziehen. Die Soldaten des Königs, die den Mönch nur wenig später festsetzten, glaubten ihm natürlich nicht, dass er nicht Robin Hood war.
Robin aber ritt frohen Mutes dem Sherwood-Forest zu. Er glaubte, nun wirklich alle Gefahren überwunden zu haben. Plötzlich trat ihm ein Ritter in den Weg und Robin erkannte Sir Richard of the Lee. Beide begrüßten sich überschwänglich und Sir Richard warnte Robin. "Du bist in allergrößter Gefahr. Hinter dir sind die Soldaten des Königs, vor dir die Leute des Sheriffs von Nottingham. Du kommst nicht hindurch. Ich kann dich nicht auf meiner Burg unterbringen. Ich könnte sie gegen eine Übermacht nicht verteidigen. Außerdem kennen die Verfolger deine Verkleidung schon. Du hast nur eine Chance. Geh zurück nach London und stelle dich unter den Schutz der Königin. Folge mir auf meine Burg. Dort tauschst du die Kutte gegen die Kleidung meiner Männer. Und dann musst du zurück nach London."
Königin Eleonore wandelte mir ihren Hofdamen im Garten als plötzlich ein über die Mauer in den Garten hinabsprang. Die Hofdamen kreischten erschreckt auf. Der Mann trat auf die Königin zu und beugte das Knie vor ihr. Es war Robin Hood. "Robin!", rief die Königin. "Was tust du hier? Der König lässt dich im ganzen Land suchen." "Ich weiß, meine Königin. Darum bin ich hier." Die Königin senkte den Blick. "Ich verstehe. Du machst mir Vorwürfe und du hast Recht. Ich hätte dich nicht nach London rufen dürfen. Aber ich verspreche dir noch einmal meine Hilfe. Warte hier auf mich."
Die Königin ließ Robin im Garten zurück. Nach einiger Zeit kehrte sie mit Sir Robert Lee zurück. Sie war rot und sah aus, als hätte sie sich heftig gestritten. Sir Robert trat auf Robin zu. "Du hast Glück. Der König sichert dir ein zweites Mal freies Geleit zu. Sei froh darüber, dass die Königin sich für dich verwendet hat, sonst wärst du schon längst ein toter Mann. Ziehe deine Lehren daraus und werde ehrlicher. Und streife nicht einfach überall herum Und nun höre: In drei Tagen wird dich ein Page des Königs in den Sherwood-Forest geleiten, auf dass dir auf dem Weg dorthin kein Leid zustoße." Damit verließ Sir Robert Lee Robin und die Königin. Und wie er gesagt hatte geschah es. Ein Page brachte Robin in den Sherwood-Forest und endete das Abenteuer des Wettschießens dann wirklich.
19. Guy von Gisbourne sucht Robin Hood
Nach dem Wettschießen verging viel Zeit. Robin blieb von nun an immer in der Nähe des Sherwood-Forest. König Heinrich starb und König Richard bestieg den Thron. Im Sherwood-Forest aber veränderte sich nicht viel. Robin und seine Männer jagten, sangen und tafelten so vergnügt wie eh und je.
An einem schönen Sommermorgen sagte Robin zu Little John: "Mich jucken die Beine. Wollen wir nach einem Abenteuer ausgehen?" Little John antwortete: "Ich bin immer dabei. Wir haben hier zwei Wege. Du nimmst den einen und ich den anderen. Mal sehen, was uns Lustiges passiert." "Das ist ein guter Plan.", lobte Robin. "Auf, denn und gib auf dich Acht!" Little John winkte noch einmal und die beiden trennten sich. Robin schritt munter durch den Wald, direkt auf das gefährlichste Abenteuer zu, dass er jemals zu bestehen hatte.
Er war noch nicht lange gegangen als er einen seltsamen Mann bemerkte, der auf einer moosbewachsenen Wurzel einer riesigen Eiche saß. Dieser Mann war von Kopf bis Fuß in Pferdefell gekleidet, selbst auf dem Kopf trug er eine Kapuze aus Pferdefell. Da der Mann Robin nicht bemerkt hatte, konnte dieser ihn ausgiebig betrachten. Der Mann war mit einem Schwert bewaffnet, außerdem hatte er einen scharfen, zweischneidigen Dolch und einen Köcher voller Pfeile. Ein Bogen aus Eibenholz lehnte neben ihm.
Robin war neugierig und trat auf den Mann zu. "He, Freund.", rief er ihn an. "Wer bist du? Was trägst du nur für eine sonderbare Kleidung?" Der Mann sah auf und Robin blickte in zwei wilde, stechende Augen. Der grausame Mund unter der Hakennase und das böse Glitzern in den kalten Augen ließen Robin an einen Falken denken. "Was willst du von mir?", fragte der Fremde drohend. "Wer bist du? Verschwinde!" Robin sah den Fremden an und blieb. Die beiden starrten sich lange Zeit an ohne ein Wort zu sagen. "Wer bist du?", fragte der Fremde schließlich noch einmal. "Oh,", antwortet Robin. "Ich dachte schon, es hätte dir bei meinem Anblick die Sprache verschlagen. Nenn' du zuerst deinen Namen, denn du bist hier fremd. Und verrate mir doch bitte, wozu du diese ausgefallene Kleidung trägst."
Der Mann in der Pferdekleidung lachte rau. "Meine Güte, bist du frech. Noch nie hat jemand es gewagt, so mit mir zu sprechen. Vor zwei Tagen erst hab' ich einen aufgespießt, der nur halb so frech war wie du. Aber gut, das Fell schützt so gut wie ein Kettenhemd und es hält mich warm und trocken. Mein Name ist Guy von Gisbourne. Ich bin vogelfrei. Ich komme aus den Wäldern von Hereforshire aber der Sheriff von Nottingham hat mich gebeten, hier einen gewissen Robin Hood zu erschlagen, Dann gewährt er mir Pardon und ich bekomme zweihundert Pfund. Für die Hälfte würde ich meinen Bruder kalt machen." Er lachte wieder rau. "Sie haben hier wohl keinen gefunden, der diesen Robin umbringen kann."
Robin mustere Guy von Gisbourne und sagte dann: "Ich habe von dir gehört. Ich glaube auch, dass Robin Hood dich nicht treffen will." "Das Glaube ich gerne.", grinste Guy von Gisbourne. "Es ist schon lustige. Zwei Geächtete treffen aufeinander. Ein Geächteter stirbt. Armer Robin." "Wieso bist du so sicher, dass Robin sterben wird? Ich kenne ihn recht gut und viele halten ihn für den tapfersten und stärksten Mann hier in der Gegend." "Er ist ein Feigling.", bellte Guy von Gisbourne. "Er hat nur einmal fremdes Blut vergossen. Auch wenn er ein guter Bogenschütze sein soll, hat er nie mehr jemanden getötet. Ich würde jederzeit gegen ihn antreten."
"Wir können hier alle gut mit dem Langbogen umgehen.", warf Robin ein. "Ich würde auch jederzeit gegen dich antreten." Herausfordernd sah er Guy von Gisbourne an. Der lachte wieder. "Du bist wirklich bemerkenswert frech. Aber mir gefällt dein Mut. Also schön, lass uns um die Wette schießen."
Robin brach einen Zweig von einem Haselstrauch und entfernte die Rinde. Den Zweig steckte er in den Boden und ging achtzehn Schritt zu dem Platz, an dem der Fremde saß. "Komm, wir versuchen den Ast zu spalten.", forderte er Guy von Gisbourne auf. "Das kann nur der Teufel.", fluchte der, spannte seinen Bogen und schoss zweimal daneben. "Du wirst es auch nicht können.", höhnte er. Robin lächelte nur und sagte: "Wenn du mit dem Schwert nicht besser umzugehen weißt, dann wird Robin Hood vielleicht nicht sterben." Dann spannte er seinen Bogen und schoss ebenfalls zweimal. Das erste Mal verfehlte der Pfeil sein Ziel um einen Zoll, der zweite Pfeil spaltete den Ast.
"Da kann man sehen, wie wenig du vom Bogenschießen verstehst.", schrie Robin und sprang auf. "Und jetzt kämpfe um dein Leben. Ich bin Robin Hood." Guy von Gisbourne sprang ebenfalls auf und griff nach seinem Schwert. Es entbrannte ein schrecklicher Kampf, der lange Zeit hin und her wogte. Schließlich aber gelang es Robin mit letzter Kraft, Guy von Gisbourne mit seinem Schwert tödlich zu verletzen. Als er tot im Gras lag, säuberte Robin sein Schwert und sah auf den Toten nieder. "Nun habe ich zum zweiten Male einen Menschen getötet.", seufzte er traurig.
Er barg den Toten und legte dessen Kleidung an. Er machte sich auf zum Sheriff von Nottingham, der ihm Guy von Gisbourne geschickt hatte. Die Kapuze zog er tief ins Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Auf seinem Weg zum Sheriff liefen die Menschen davon, wenn sie Gisbournes Kleidung erkannten, denn alle wussten, wie grausam er war. Zunächst aber wollen wir sehen, was Little John erlebte.
Little John hatte auf seinem Weg das Weinen einer Frau gehört. Die Frau saß in ihrer kleinen Kate und als Little John eintrat und sie tröstete, erzählte sie ihm alles. Ihr ältester Sohn hatte in der Nacht eine Hirschkuh geschossen, weil die Not im Haus so groß war. Die Wildhüter hatten die Blutspur verfolgt und nun alle drei Söhne mitgenommen, da die jüngeren den älteren nicht verraten wollten, obwohl der Älteste zugab, die Hirschkuh geschossen zu haben. Weinend berichtete die Frau, dass sie gehört hatte, wie der Sheriff sagte, er wolle dem Wildfrevel ein für alle Mal ein Ende setzen. Der erste, der erwischte würde, müsse aufgehängt werden. Die drei Burschen waren zum "King's Head" gebrachte worden. Dort wartete der Sheriff auf die Rückkehr eines Mannes, den er zu Robin Hood geschickt hatte.
Little John schüttelte den Kopf. "Das ist ja eine böse Geschichte. Aber was für einen Mann hat der Sheriff zu Robin Hood geschickt? Warum ist nur Robin jetzt nicht hier, um mir zu raten? Pass auf, Weib. Hast du andere Kleider für mich? Wenn der Sheriff mich in der grünen Tracht sieht, dann knüpft er mich eher auf als deine Jungs." Die Bäuerin gab Little John andere Sachen, er machte sich eine Perücke und einen Bart aus aufgerauter Wolle und setzte dazu noch einen großen Hut auf. So verkleidet machte er sich eilends auf nach "King's Head".
In dem gemütlichen Gasthof "King's Head" herrschte ein reges Treiben. Der Sheriff hatte mit ungefähr zwanzig Männern hier Quartier bezogen. Die Knappen schwatzten und lachten, die Pferde wieherten und stampften. Der Sheriff saß in der Gaststube beim Essen. Dorthin brachte man die drei Söhne der alten Frau. Als man sie dem Sheriff vorführte, rief er: "Sie müssen hängen, damit endlich klar ist, dass Diebesgesindel hier keinen Platz hat. Bringt sie aber erst einmal hinaus. Ich will in Ruhe essen. Außerdem können wir sie nicht hier hängen. Das würde dem Gasthaus vielleicht Unglück bringen. Wir werden ein Stück in den Wald hinein reiten. Ich komme gleich."
Der Sheriff beendete sein Mahl und trat dann vor das Gasthaus. Die drei Söhne fielen auf die Knie und flehten um Gnade, aber der Sheriff zeigte unerbittlich auf eine Lichtung und bestieg sein Pferd. Als alle auf der Lichtung angekommen waren, Legten sie den jungen Männern einen Strick um den Hals und warfen das andere Ende über einen dicken Ast. "Ein Priester, der euch die Beichte abnimmt, wäre nicht schlecht. Aber da es hier niemanden gibt, müsst ihr eben mit euren Sünden ins Paradies hinein.", lachte der Sheriff schadenfroh.
Da kam ein alter weißhaariger Mann des Weges. "He, du!", rief der Sheriff. "Wie heißt du? Irgendwie kommst du mir bekannt vor." Der alte Mann näherte sich langsam. Der Langbogen auf seinem Rücken war sicherlich zu schwer für ihn. Mit brüchiger Stimme sagte Little John - denn niemand anderes als Little John war der Alte - "Mein Name ist Giles Hobble. Stets zu Diensten" "Giles Hobble, Giles Hobble.", murmelte der Sheriff. "Nein, den Namen kenne ich nicht. Sei's drum. Willst du dir sechs Pennys verdienen und die drei dort drüben aufhängen? Ich möchte nicht, dass meine Knappen diese Arbeit tun."
"Das ist leicht verdientes Geld.", sagte Little John. "Haben diese Burschen denn schon gebeichtet?" Der Sheriff lachte. "Nimm du ihnen die Beichte ab, wenn du möchtest. Aber beeil dich, ich möchte zum Gasthof zurück." Little John nickte und ging zu dem ersten der Brüder. Er legte seine Wange an dessen Gesicht, als lausche er den Sünden, aber dabei flüsterte er: "Ich schneide dir jetzt die Fesseln durch. Rühre dich nicht von der Stelle. Wenn du aber siehst, dass ich Bart und Perücke abwerfe, dann lauf so schnell du kannst in den Wald hinein." Damit schnitt er die dicke Schnur durch, mit denen er an den Händen gefesselt war und tat das Gleiche bei den anderen beiden. Der Sheriff, der auf seinem Pferd saß und lachte und scherzte, bemerkte nichts.
Nun trat Little John an den Sheriff heran. "Darf ich meinen Bogen spannen, Euer Gnaden? Wenn die drei schon hängen sollen, möchte ich ihnen mit einem Pfeil zwischen die Rippen auf den Weg helfen." "Nur zu.", antwortete der Sheriff. "Aber beeile dich endlich." Little John spannte seinen Bogen und sah sich um. Dann riss er blitzschnell Perücke und Bart herunter. Die drei Burschen zogen die Köpfe aus den Schlingen und rannten in den Wald. Little Jahn rannte hinter ihnen her. Der Sheriff schaute verblüfft auf das Geschehen, fasste sich dann aber rasch. "Ihnen nach!", brüllte er und wusste nun auch, woher ihm Giles Hobble so bekannt vorgekommen war.
Little John hörte den Sheriff schreien und blieb stehen. Er wusste, dass er den Wald nicht vor seinen Verfolgern erreichen konnte. Deshalb drehte er sich um und rief: "Der erste, der versucht, einen Pfeil abzuschießen, ist des Todes." Die Männer des Sheriffs wussten, dass Little John ein außergewöhnlich guter Schütze war und blieben sofort stehen. Der Sheriff, der nicht ertragen konnte, dass Little John davon kommen könnte, gab seinem Pferd die Sporen. Little John spannte seinen Bogen, der ihm immer gute Dienste geleistet hatte. Aber was geschah? Der Bogen zerbrach in Little Johns Händen und der Pfeil fiel zu Boden. Nun kam auch Bewegung in die Männer des Sheriffs, die sich auf Little John stürzten. Der Sheriff erreichte ihn als Erster und holte mit seinem Schwert zu einem mächtigen Schlag aus. Er traf Little John mit der Breitseite, so dass dieser bewusstlos zu Boden sank.
Little John war nicht tot. Der Sheriff schüttet ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und ließ ihn festbinden. Dann ging er zurück in die Gaststube. Er freute sich sehr, dass es ihm endlich gelungen, war einen von Robins Männern festsetzen zu können. "Morgen hängen wir den Verbrecher. Und zwar vor dem großen Tor von Nottingham.", sagte der Sheriff zu seinen Gefolgsmännern. Dann überlegte er noch einen Moment und sagte: "Vielleicht sollten wir auch nicht bis morgen warten. Sonst entschlüpft uns der Schurke noch. Das wäre schlimm. Und wer weiß, ob Guy von Gisbourne Robin Hood wirklich besiegen konnte. Robin ist der allerschlimmste von allen. Nein, wir werden mit dem Hängen nicht warten. Wir hängen ihn auf der Stelle und zwar genau dort, wo er die drei Wilddiebe befreit hat."
Sie zerrten Little John auf die kleine Lichtung, um ihn zu hängen. Da rief ein Knappe: "Sheriff, seht. Da kommt Guy von Gisbourne, den ihr los schicktet, um Robin Hood zu töten." Der Sheriff sah sich um und erblickte einen Mann in Pferdefell gehüllt. "Guy von Gisbourne!", rief er. "So ist es Euch gelungen? Was ist passiert? Euer Gewand ist voller Blut!" "Seht einfach nicht hin, wenn es Euch nicht passt!", antwortete Robin so unfreundlich, wie es Guy von Gisbourne wohl getan hätte. "Sieh her, ich habe Robins Jagdhorn, seinen Bogen und sein Schwert. Glaubst du, diese Dinge hätte Robin mir freiwillig gegeben? Und das Blut auf meinem Gewand ist das Blut des gemeinsten Verbrechers, der sich je im Sherwood-Forest aufgehalten hat."
Little John hörte Robin reden, ohne ihn zu erkennen. Er hob den Kopf und rief: "Guy von Gisbourne. Wer hätte nicht von deinen Schandtaten gehört. Du bist das richtige Werkzeug für den feigen Sheriff von Nottingham gewesen. Nun ist es mir gleich, ob ich sterbe. Das Leben bedeutet nichts mehr für mich!" Die Tränen strömten über Little Johns Gesicht und der Sheriff frohlockte. Was für ein Tag. Robin Hood tot und seine rechte Hand kurz davor ins Jenseits befördert zu werden, wie herrlich!
"Du kannst von mir verlangen, was du willst.", sagte der Sheriff zu dem vermeintlichen Guy von Gisbourne. Der Mann im Pferdefell überlegte nicht lange. "Nun, so will ich den Knecht des Mannes, den ich heute tötete, um auch ihn zu töten. Gib mir diesen Mann!" Der Sheriff lachte. "Was bist du doch für ein blutgieriger Narr. Ich hätte dir alles gegeben. Gold, Geld, Edelsteine. Und was du willst ist das Lebens dieses Mannes. Aber ich halte mein Versprechen. Der Mann gehört dir."
"Da danke ich für das Geschenk.", rief Robin. "Ich zeige euch nun, wie man bei uns zu Hause ein Schwein schlachtet." Und obwohl die Gefolgsmänner des Sheriffs raue Gesellen waren, wollten sie einem so blutigen Schauspiel eher nicht ansehen. Sie lehnten Little John gegen einen Baum und Robin zog Guy von Gisbournes scharfen zweischneidigen Dolch. "Zurück!", rief er und die Knappen wichen zurück. "Ja, stoß' ihn mir ins Herz. Ich bin froh, wenn die Hand, die meinen teuren Herren getötet hat auch mich abschlachtet.", rief Little John. "Still!", wisperte Robin. "Hast du mich immer noch nicht erkannt? Vor dir liegen mein Schwert, mein Bogen und die Pfeile. Wenn ich dir die Fesseln durchschneide, nimm sie!"
Little John nickte verwirrt und Robin schob die Kapuze aus Pferdefell aus dem Gesicht. Mit einem schnellen Schnitt durchtrennte er Little Johns Fesseln. Beide griffen nach den Bögen und Robin blies in sein Jagdhorn. Dann rief er: "Der Erste, der es wagt, sich zu bewegen, ist des Todes." Der Sheriff erkannte nun Robin Hood, schrie erschreckt auf, wendete sein Pferd und verschwand. Als die Gefolgsmänner das sahen, liefen auch sie davon. Little John schickte dem feigen Sheriff einen Pfeil hinterher, der in dessen Hinterteil landete. Einen Monat lang konnte der Sheriff nur auf dem allerweichesten Kissen sitzen. Als Will Stutley und die anderen auf der Lichtung ankamen, hatten Robin und Little John schon alle in die Flucht geschlagen.
Die drei Brüder aber, die Little John vor dem Galgen bewahrt hatte, kamen noch am selben Abend zur großen Eiche, um sich Robin Hood und seiner Schar anzuschließen.
20. Hoher Besuch im Sherwood-Forest
Das Abenteuer war noch keine zwei Monate her, als ganz Nottinghamshire schier aus dem Häuschen geriet. König Richard Löwenherz wollte eine Reise durch England unternehmen und auch Nottingham besuchen. Überall bereiteten die Leute sich auf den Besuch des Königs vor und es gab viel zu tun. Und schließlich war es so weit. König Richard Löwenherz erschien mit seinem prächtigen Gefolge in Nottingham. Achtundzwanzig Herolde in golddurchwirkten Gewändern ritten der Prozession voran. Ihnen folgten hundert Ritter mit ihren Pagen. Die Waffen und Rüstungen blinkten in der Sonne und alle waren in Samt und Seide gehüllt. Dann kamen die Barone und Landedelleute, denen eine große Zahl Bewaffneter folgte.
Auch der Sheriff von Nottingham ritt in der Prozession. Er ritt neben einem großen stattlichen Mann mit blauen Augen, dessen Gewand zwar kostbarer aber schmuckloser war als die Gewänder der anderen. Das war König Richard. Er verbeugte sich nach links und rechts und ein nicht endender Jubel begleitete den König durch Nottingham.
In der Zunfthalle gab es ein Bankett zu Ehren des Königs. Der Wein floss in Strömen und tausend Wachskerzen erhellten den Raum. Als alle satt waren, sagte der König zum Sheriff: "Ich habe schon viel von Robin Hood und seiner Bande gehört. Könnt Ihr mir Geschichten von diesen Männern erzählen?" Der Sheriff blickte düster vor sich hin der Bischof von Hereford, der ebenfalls zugegen war, biss sich auf die Lippen. Da meldete sich Sir Henry of the Lea zu Wort. "Ich habe viel von Robin Hood gehört. Mein Vater erzählte mir Geschichten von ihm. Ich kann eine aus dem Gedächtnis erzählen, wenn mein König es wünscht." Der König nickte und Sir Henry of the Lea erzählte die Geschichte, wie sein Vater sich Geld vom Bischof geliehen hatte. Der König und sein Gefolge lachten herzlich.
Spät am Abend sagte der König zu Sir Henry of the Lea: "Ich würde hundert Pfund dafür geben, wenn ich Robin Hood von Angesicht zu Angesicht treffen könnte. Ich würde zu gerne sehen, was er im Sherwood-Forest so treibt." Sir Hubert von Bingham hörte den Wunsch des Königs und sagte: "Nichts leichter als das, mein König. Ihr gebt die versprochenen hundert Pfund, die wir in einem Beutel an unserem Leib tragen. Wir verkleiden uns als Domimikaner und reiten von hier nach Mansfield. Ich müsste mich schon sehr irren, wenn Ihr Robin Hood nicht nur kennen lerntet, sondern auch mit ihm tafeltet." Der König lachte alles wurde vorbereitet. Der Sheriff von Nottingham wurde aufgefordert, den König zu begleiten, aber er lehnte erschrocken ab.
So ritt eine kleine Gruppe von Reitern lachend und scherzend über freies Gelände. Sie waren schon einige Zeit unterwegs und der König wurde durstig. "Keiner hat daran gedacht, etwas zu trinken mitzunehmen. Fünfzig Pfund würde ich dafür geben, meinen Durst zu löschen!" Kaum hatte der König dies ausgesprochen, als ein groß gewachsener Mann mit blonden Haaren und blauen Augen auf den Weg trat. "Das höre ich gern.", rief er lachend. "Wir betreiben eine Gastwirtschaft nicht weit von hier. Für das Geld bekommst du nicht nur einen guten Tropfen Wein, sondern auch einen wirklichen Festschmaus." Er stieß einen durchdringenden Pfiff aus und aus dem Unterholz erschienen ungefähr sechzig Freibauern.
Der König sah den ersten Mann durchdringend an. "Was fällt dir ein? Hast du keinen Respekt vor den heiligen Gewändern?" "Nein.", antwortete Robin Hood freimütig. "Gerade die heiligen Brüder haben es oft faustdick hinter den Ohren. Und mein Name ist Robin Hood, damit du weiß, mit wem du es zu tun hast." "Du bist wahrlich frech und unverschämt. So nimm das Geld aber lass uns in Ruhe ziehen. Und wage es nicht, dich an uns zu vergreifen.", donnerte der verkleidete König. "Nun, nun.", beruhigte ihn Robin. "Du hast fünfzig Pfund für einen Schluck Wein geboten. Lass sehen, wie viel Geld du wirklich dabei hast." Will Scarlett zählte das Geld. Es waren hundert Pfund. "Nimm fünfzig und gib Ihnen den Rest zurück.", ordnete Robin an. "Und dann nimm' sie mit ins Lager. Wir lassen Euch doch nicht mit leeren Mägen ziehen."
Als Robin mit den Mönchen ins Lager kam, sprangen die anderen auf. "Da hast du aber feine Gesellschaft.", lachte Little John. "Wer sind sie?" "Keine Ahnung.", antwortete Robin. "Sie haben ein Gelübde abgelegt vierundzwanzig Stunden die Kapuzen nicht abzunehmen. Nichts liegt mir ferner, als ihr Gelübde zu brechen." Little John nickte und half den Männern, aus dem Sattel zu kommen. "Ihr habe eine stattliche Anzahl Männer um Euch versammelt.", sagte der König. "Sogar König Richard wäre darauf stolz." Robin nickte. "Das sind noch nicht alle. Und was König Richard angeht, alle hier Anwesenden würden ihr Leben für ihn geben. Ihr Kirchenmänner versteht das nicht, aber wir lieben König Richard, weil er so tapfer ist wie wir." Bruder Tuck trat zu den vermeintlichen Dominikanern und sagte: "Seid willkommen an diesem üblen Ort, der noch übler wäre, wenn ich nicht immer brav für alle hier beten würde."
Der König konnte sich ein Lachen kaum verbeißen. "Wer ist dieser Hanswurst?", fragte er mit strenger Miene. "Ich bin kein Hanswurst.", ereiferte sich Bruder Tuck. "Ich bin Bruder Tuck und ich erschlage dich, wenn du mich weiter einen Hanswurst nennst." Robin kam schnell dazu und sagte: "Lass gut sein, Bruder Tuck. Die ehrwürdigen Mönche hier wollen ihren Durst löschen." Wein wurde für die Brüder gebracht und Robin erhob seinen Becher. "Auf König Richard. Tod seinen Feinden." Alle tranken auf das Wohl des Königs. Dann sagte der König: "Aber du bist doch selbst einer seiner Feinde." Robin schüttelte entsetzt den Kopf. "Wir sind dem König treu ergeben und würden unser Leben für ihn opfern, während ihr in Euren Klöstern sitzt!" "Das Wohlergehen des Königs liegt mir viel mehr am Herzen als du ahnst.", lachte der König. "Aber was könnt ihr uns an Unterhaltung bieten?"
Da ließ Robin ein Wettschießen zu Ehren der Gäste abhalten. Der König kam aus dem Staunen kaum heraus, da alle Männer sehr gute Bogenschützen waren. Als Robin schoss, sagte der König zu sich: "Ich würde tausend Pfund dafür geben, den Burschen in meiner Leidgarde zu haben." Robins letzter Pfeil allerdings hatte schlechte Federn und verfehlte sein Ziel. Die Freibauern lachten, denn es war abgemacht, dass jeder, der einen Pfeil daneben schoss, eine Ohrfeige von Will Scarlett erhalten sollte. "So komm und lass dich streicheln.", höhnten die Männer. Robin aber sagte: "Ich bin hier der König und lasse mich von niemandem von Euch schlagen. Meine Strafe will ich aber trotzdem erhalten. Selbst König Richard könnte vor dem Papst das Knie beugen, also frage ich unsere Gäste, ob einer von ihnen meine Strafe auszahlen will?" Er blickte die Dominikaner an.
Der König krempelte sofort seine Ärmel hoch und sagte: "Mir soll es recht sein." Robin lächelte. Der verkleidete König holte aus und Robin bekam eine Ohrfeige, dass er wie vom Blitz getroffen zu Boden fiel. Die Freibauern lachten und johlten. Robin setzte sich mit dröhnendem Schädel auf. "Zahl ihm seine fünfzig Pfund zurück.", sagte er zu Will Scarlett. "Ich will sein Geld nicht. Sag ihm, er soll verschwinden." Will Scarlett zahlte das Geld zurück und der König steckte es ein. Er lächelte und sagte freundlich: "Wenn du eine zweite Ohrfeige bekommen möchtest, sag nur Bescheid. Du bekommst sie auch ganz kostenlos." Robin wollte gerade etwas erwidern als Sir Richard of the Lea und einige andere Männer zu der Eiche gelaufen kamen. "Schnell, Robin. Der König hat heute Morgen Nottingham verlassen, um dich im Wald aufzuspüren. Komm mit zu meiner Burg. Ich werde dich verstecken." Er warf einen Blick auf die fremden Mönche. "Wer ist das?" Robin antwortete: "Das sind nur ein paar Gäste. Ich habe gerade ein taubes Ohr bekommen und fünfzig Pfund zurückgezahlt. Dieser hier hat eine wahrlich harte Hand." Er deutete auf den König, der sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Sir Richard of the Lea musterte den Mönch, dann wurden seine Augen groß und er erkannte, wen er vor sich hatte. Er sprang vom Pferd und warf sich vor dem Mönch auf den Boden. Da schlug König Richard die Kapuze zurück und alle anderen erkannten den König in ihm. Ehrfürchtig sanken auch sie auf die Knie.
König Richard sah sich um und sagte dann zu Sir Richard of the Lea: "Du würdest diese Burschen bei dir aufnehmen und sie vor mir verstecken? Weißt du nicht, dass sie geächtet sind?" Sir Richard sah den König an. "Ich weiß es, Herr. Aber ich würde Robin Hood und seine Männer auch beschützen, wenn ich mit Eurem Groll rechnen müsste. Sie haben mir einmal mein Leben, meine Ehre und alles was ich besitze wieder gegeben." Während er sprach, war einer der verkleideten Mönche zu ihm getreten. Es war sein Sohn Henry, der nun auch niederkniete und dem König versicherte, er würde ebenfalls Robin Hood als ehrenwerten Mann ansehen und ihn jeder Zeit schützen.
Der König sah von einem zum anderen. "Ich nehme Euch Eure Offenheit nicht übel. So steht denn auf. Heute soll keiner durch mich ein Leid erfahren. Der Tag hat so fröhlich begonnen." Alle erhoben sich und der König winkte Robin zu sich heran. "Kannst du mich hören?", fragte er. Robin rieb sich das Ohr und antwortete: "Oh ja. Und mit dieser königlichen Ohrfeige sind denn auch meine Sünden abgebüßt." Der König lachte. "Du nimmst deine Sünden recht leicht. Aber höre. Ich gewähre dir und deinen Männern ein Pardon. Trotzdem könnt ihr hier nicht bleiben. Du und Little John, Will Scarlett und Alla a Dale folgen mir nach London. Die anderen ernennen wir zu königlichen Förstern, damit sie keine Wilddiebe mehr sind. Und nun bereite eine festliche Tafel, schließlich wollte ich ja sehen, wie ihr im Sherwood-Forest lebt."
Da wurden die Feuer angezündet und die besten Speisen bereitet. Allan a Dale sang und als das Essen fertig war, nahm man auf weichem Moos an weißen Leinentüchern Platz und schmauste und zechte. Die Nacht war ruhig und am nächsten Morgen verließen Robin und seine Männer den Wald. Sie gingen nach Nottingham. Als der Sheriff sah, dass die Geächteten die Gunst des Königs erlangt hatten, ärgerte er sich maßlos. In Nottingham aber musste sich Robin von seiner Schar trennen, denn er, Little John, Will Scarlett und Alla a Dale folgten dem König nach London.
So endeten Robins Abenteuer im Sherwood-Forest. Während Little John und Will Scarlett bald wieder in ihre alte Heimat zurückkehrten und ehrbare Männer wurden, blieben Robin und Allan am Hofe. Robin wurde zum Hauptmann der königlichen Reiterei ernannt, da der König ihn als besten Bogenschützen schätze. Robin diente dem König so treu, dass dieser ihn schließlich zum Grafen von Huntingdon ernannte. Robin, Allan a Dale und seine schöne Gemahlin Ellen, blieben eng verbunden und teilten die Höhen und Tiefen im Leben.
21. Nachwort
König Richard fiel auf dem Schlachtfeld und der Graf von Huntingdon - wir wollen lieber sagen: Robin Hood - kehrte mit Alla a Dale und dessen Frau nach Nottingham zurück. Es war Frühling und Robin sehnte sich nach dem Sherwood-Forest. Deshalb begab er sich zu König Johann und bat ihn um Erlaubnis, den Wald aufsuchen zu dürfen. Der König gewährte ihm drei Tage im Sherwood-Forest und so machten sich Robin und Alla a Dale sogleich auf den Weg. Sie machten einen Bogen um Nottingham und drangen immer tiefer in den Wald. Robin meinte, sich an jeden Stock und jeden Stein erinnern zu können. Schließlich erreichten sie die große Eiche, die ihnen so viele Jahre lang Schutz gewährt hatte. Robin hatte vor Rührung Tränen in den Augen und aus alter Gewohnheit setzte er sein Jagdhorn an die Lippen und blies hinein. Zufällig aber war an diesem Morgen Little John im Wald. Als den Klang des Jagdhorns vernahm, stürmte er mit einem wilden Schrei zur Lichtung. Als er Robin erkannte, warf er sich auf Knie und umschlang Robins Beine. Robin, Little John und Alla a Dale standen nah beieinander und weinten vor Freude.
Es dauerte nicht lange als noch acht weitere Männer auf die Lichtung stürmten. Es waren Will Stutley und sieben Förster, die ebenfalls den Ton des Horns vernommen hatten. Es gab ein lautes Wiedersehen und die Nachricht, dass Robin Hood zurück im Sherwood-Forest sei, verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Es dauerte nur eine Woche und Robin hatte seine alte Schar um sich versammelt. Dies kam nun König Johann zu Ohren, der Robin drei Tage gewährt hatte. Er war sehr zornig und befahl, Robin ergreifen zu lassen. Sir William Dale, ein Ritter, der den Sherwood-Forest gut kannte, wurde mit dieser Aufgabe betraut. Wäre nun Robin so friedliebend gewesen wie früher, wäre nichts geschehen. Aber unter dem König hatte er sich verändert und wollte nun nicht fliehen wie ein gehetzter Fuchs. Er stellte sich mit seinen Männern dem Kampf mit Sir Williams Leuten. Es wurde eine blutige Schlacht, die Robins Schar siegreich überstand.
Robin konnte sich aber an dem Sieg nicht freuen. Er wurde traurig, weil so viele rechtschaffene Männer gestorben waren. Er grübelte immer mehr und bekam schließlich hohes Fieber. Schließlich konnten seine Männer ihn überreden, sich in einem Kloster behandeln zu lassen. Die Äbtissin dort war seine Base und sie verstand sich auf Heilkunst. Robin wurde also in das Kloster bei Kirklees gebracht und dort in einer Kammer zur Ruhe gebettet. Die Äbtissin hatte ihren Rang ihrem Vetter zu verdanken, denn Robin hatte sich bei König Richard für sie verwendet. Nun aber war sie sehr verdrossen, dass er seinen Titel als Graf zurückgegeben hatte und wieder im Sherwood-Forest lebte. Sie fürchtete, dass sie als Äbtissin abgelöst werden könnte.
Um dies zu verhindern dachte sie sofort daran, Robin eher zu schaden, als ihm zu helfen. Sie wollte sich bei seinen Feinden einschmeicheln, um selbst ihre Gunst zu erwerben. So lag Robin nun schwach in seinem Bett als die Äbtissin erschien. Sie band seinen Arm ab, als wolle sie ihn zur Ader lassen. Aber sie schnitt viel tiefer und verletzte eine Ader, durch die das rote Blut aus dem Herzen sprudelt. Robin wusste von alledem nichts. Er sah das Blut fließen und dachte sich nichts dabei, da der Strahl sehr fein war.
Kaum war der Schnitt gesetzt, verließ die undankbare Äbtissin das Krankenlager. Sie verschloss die Tür und kehrte nicht zurück. Den ganzen Tag sah Robin das Blut aus seinem Arm laufen und so sehr er sich auch bemühte, er konnte den Blutfluss nicht stillen. Er rief um Hilfe, aber niemand hörte ihn. Schließlich merkte er, wie ihn die Kräfte verließen und taumelnd erhob er sich, um sein Jagdhorn zu blasen. Es war nur ein schwacher, leiser Ton, aber Little John, der Robin begleitet hatte, hörte ihn. Er sprang auf und begehrte Einlass am Klostertor. Die Nonnen aber ließen ihn auf Geheiß der Äbtissin nicht ein. Da packte Little John einen Felsbrocken und schleuderte ihn gegen das Tor. Die Nonnen schrieen, als die Pforte aufsprang. Little John rannte an ihnen vorbei zum Krankenzimmer seines Herrn.
Little John fand die Tür zum Zimmer seines Herrn verschlossen und warf sich mit aller Kraft dagegen. Die Tür sprang auf und Little John sah den kreidebleichen Robin auf dem Bett liegen. Zärtlich nahm er ihn in den Arm und wiegte ihn. Die Äbtissin kam herbei, denn sie fürchtete den Zorn der Gefährten. Sie stillte die Blutung und verband Robin. Little John versuchte, Robin zu trösten. "Das dauerte nur ein paar Tage, dann bist du wieder auf den Beinen." Aber Robin wusste es besser und schüttelte nur den Kopf. "Du bist ein guter Mann, Little John. Wir beide werden nie wieder zusammen durch den Wald streifen. Gib mir meinen Bogen. Und einen Pfeil. Dort, wo der Pfeil stecken bleibt, begrabt mich, das Gesicht nach Osten gerichtet. Bitte sorgt dafür, dass meine Ruhestätte immer grünt und niemand mich in meiner Ruhe stört." Little John liefen die Tränen über das Gesicht, als er Robin alles versprach, was dieser sich wünschte.
Plötzlich richtete sich Robin auf und spannte seinen Bogen fast mit alter Kraft. Der Pfeil schwirrte aus dem Fenster hinaus und Robin sank in Little Johns Arme zurück. Sein Leben war zu Ende gegangen. Little John hielt Robin Hood noch eine Weile in den Armen. Dann faltete er dessen Hände und schloss ihm die Augen. Ohne ein Wort verließ er das Zimmer. Als er der Äbtissin begegnete, drohte er: "Wagt es nicht, Euch ihm zu näher, sonst mache ich Euer Kloster dem Erdboden gleich." Die Äbtissin schrak zurück und wagte nicht, Robins Zimmer zu betreten.
Am nächsten Morgen holten sieben Freibauern ihren Herrn aus dem Kloster heim in den Wald. Little John führte die kleine Schar an, die Robin dort begruben, wo sein Pfeil niedergegangen war.
Robin Hood starb im Kloster von Kirklees und seine Männer zerstreuten sich in alle Winde. Fortan konnten sie friedlich und still leben, denn der neue Sheriff war ein gerechterer Mann als sein Vorgänger. Am Grab von Robin Hood müssen wir uns nun Auf Wiedersehen sagen und auseinander gehen, denn jeder muss von hier aus seinen eigenen Weg finden.
ENDE