Pelops
- Autor: Schwab, Gustav
Pelops war fromm und ehrte die Götter. Das unterschied ihn von seinem Vater Tantalos, der sich an den Göttern versündigt hatte und dafür ewige Höllenqualen erleiden musste.
Nach der Verbannung von Tantalos in die Unterwelt war Pelops nun der Herrscher am Berge Sipylos in Kleinasien. Der König von Troja vertrieb ihn aber in einem Kriege aus seinem Reich. So wanderte Pelops nach Griechenland aus.
Das Kinn des Jünglings bekleidete sich gerade erst mit dunklem Flaum, aber sein Herz hatte schon eine Gemahlin ausersehen. Es war die schöne Hippodameia, Tochter des Königs von Elis, doch sie war nicht leicht zu erringen.
Ein Orakel hatte ihrem königlichen Vater geweissagt, er werde sterben, wenn seine Tochter einen Gatten bekäme. Darum tat der erschrockene König alles, um die Bewerber zu entmutigen. Der König ließ im ganzen Lande verkünden, dass nur derjenige die Hand seiner Tochter erhalte, der im Wagenrennen den König überwinden könne. Wenn aber er, der König siege, müsse der Herausforderer sein Leben lassen.
Der Wettlauf sollte von Pisa aus zum Altar des Poseidon führen, der an der Meerenge bei Korinth [1] stand. Die Zeit für die Abfahrt der Wagen bestimmte der König nach seinem Belieben. Demnach sollte der Herausforderer mit seinem Wagen vorausfahren. Der König aber wollte zunächst dem Zeus [2] einen Widder opfern und danach erst den Lauf beginnen. Dafür nahm er sich das Recht, einen Wagenlenker und einen Spieß mitzuführen. Und sollte es dem König gelingen, den Bewerber einzuholen, durfte er ihn tödlich durchbohren.
Als die Bewerber dieses vernahmen, waren sie guten Mutes. Sie hielten den König für einen altersschwachen Greis. So viel Vorsprung konnte doch nur bedeuten, dass der König einer schändlichen Niederlage unter einheitlichen Bedingungen entgehen wollte.
Daher kam ein Bewerber nach dem anderen nach Elis gezogen und begehrte die Königstochter zum Weibe. Der König empfing sie freundlich, überließ ihnen ein schönes Viergespann zur Fahrt und opferte dem Zeus ohne Eile einen Widder. Dann erst bestieg er einen leichten Wagen, vor dem seine beiden besten Rosse standen. Mit ihnen holte der Wagenlenker den Bewerber stets vor dem Wettlaufende ein, und der Speer des Königs tat seinen blutigen Dienst.
Nun war es Pelops, der sich mutig der Herausforderung stellen wollte. Am Meeresufer rief er seinen Schutzgott, den mächtigen Poseidon [3], um Beistand an. Tosende Wellen rauschten plötzlich heran und ein goldener Wagen mit vier Flügelrossen löste sich aus den Fluten. Pelops war erhört worden, schwang sich mit Dankesrufen auf den Wagen und fuhr nach Elis.
Der König war zutiefst erschreckt, als er das göttliche Gespann des Meergottes kommen sah. Den Wettkampf verweigerte er aber nicht, vertraute er doch auf die Stärke seiner eigenen Rosse.
Der Wettlauf begann und Pelops näherte sich schon dem Ziele. Da spürte er, dass der König ihm schon recht nahe war, bereit, den tödlichen Speerstoß zu vollbringen.
In dieser Not fügte es Poseidon, dass ein Rad am königlichen Wagen sich löste und in tausend Stücke zerbrach. Mit großer Wucht stürzte der König hart zu Boden und beendete darauf sein Leben. Pelops hingegen fuhr wohlbehalten bis zum Altar des Poseidon, dem ausgewählten Ziel.
Als Pelops aber nach dem Verbleib des Königs schaute, sah er dessen Palast in Flammen stehen. Ein Blitzstrahl hatte ihn entzündet und drohte alles bis auf die Grundmauern zu verzehren. Da trieb Pelops sogleich seine Flügelrosse an und rettete die Tochter des verstorbenen Königs, die nun seine Gemahlin werden sollte.
Erklärungen:
[1] Korinth ist eine griechische Stadt am Meeresgolf von Korinth.
[2] Zeus ist der oberste Gott der Griechen, der Vater der Götterfamilie.
[3] Poseidon ist der Gott des Meeres. Sein Wahrzeichen ist der Dreizack. Bei den Römern steht Neptun an seiner Stelle.