Gespenstergeschichten
- Autor: Beecher Stowe, Harriet
Legree war nach Toms Tod nicht mehr derselbe. Zuerst vermehrten sich die Gerüchte um das Geistertreiben auf seinem Dachboden. Die Haussklaven wollten nachts Schritte auf dem Dachboden hören und leise Stimmen. Man hatte die obere Flurtür zugeriegelt, aber die Gespenster schien das nicht zu stören. Legree tat so, als höre er diese Gerüchte nicht, trank aber mehr Schnaps als gewöhnlich. An einem Abend, an dem er lange und ausgiebig gefeiert hatte, legte er sich zu Bett. In der Nacht erschien ihm das Leichentuch seiner Mutter oder war es nur Cassy, die dieses Tuch hoch hielt? Legree war unfähig, sich zu bewegen, sah aber etwas Weißes in die Stube schweben, an sein Bett treten und dreimal "Komm! Komm! Komm!" rufen. Seitdem trank Legree noch stärker als vorher, solange, bis er letztendlich starb. In der Nacht seines Todes sahen einige Sklaven zwei Frauen die Straße hinunter schweben.
Cassy und Emmeline waren entkommen. Niemand hatte sie aufgehalten, denn alle dachten, sie sähen Gespenster. Cassy trug elegante Kleider nach der Art der spanischen Kreolinnen, Emmeline ging als Zofe hinter ihr und trug den Koffer. Niemand zweifelte an der Identität der beiden Frauen, da Cassy von frühester Jugend an in der höchsten Gesellschaftsklasse aufgewachsen war. Vom Dachboden aus hatten sie Georg Shelby gesehen und sich vertrauensvoll zu ihm hingezogen gefühlt. Aus diesem Grund nahmen sie denselben Dampfer wie Georg und wurden seine Reisegefährten.
Sie reisten gemeinsam stromaufwärts und Cassy hatte schon mehrfach gesehen, dass der junge Herr sie aufmerksam musterte. Sie fühlte sich unbehaglich und fragte sich, ob er etwas ahnte. Auf ihrer Reise trafen sie eine französische Dame mit Namen de Thoux. Sie reiste in Begleitung eines etwa zwölfjährigen Mädchens. Madame de Thoux interessierte sich sehr für Kentucky, wo sie selbst einmal gelebt hatte. Sie fragte Georg nach seinen Nachbarn, speziell nach einem Mann der Harris hieß. Georg erklärte, dass dieser Mann zwar sein Nachbar sei, dass sie aber wenig mit ihm zu tun gehabt hätten, da er ein großer Sklavenhalter gewesen sei. "Kanntet Ihr einen Sklaven mit dem Namen Georg Harris?", fragte Madame de Thoux. Georg nickte. "Natürlich. Er war mit einem Mädchen meiner Mutter verheiratet. Aber er floh mit ihr nach Kanada." "Gott sei Dank!", brach aus Madame de Thoux heraus und sie begann zu weinen. "Er war mein Bruder. Er wurde in den Süden verkauft, als er noch ein Knabe war. Ich dagegen wurde von einem großzügigen Mann gekauft, der mich nach Indien brachte und mich heiratete. Als er starb, kehrte ich hierher zurück, um meinen Bruder zu finden." "Er ist ein prächtiger Mann. Und Elisa, seine Frau, ist eine schöne, kluge und liebenswürdige Frau." "Wurde sie bei Ihnen im Haus geboren?", fragte Madame de Thoux. Georg schüttelte den Kopf. "Nein. Vater kaufte sie in New Orleans und brachte sie Mutter als Geschenk mit. Sie war acht oder neun Jahre alt. Ich habe gerade den alten Kaufvertrag gelesen. Er hat sie einem Mr. Simmons abgekauft und viel Geld bezahlt, wahrscheinlich weil sie so hübsch war." Kaum hatte er den Namen Simmons ausgesprochen war Cassy, die bei der Unterhaltung dabei gesessen hatte, mit einem Aufschrei aufgesprungen und ohnmächtig zusammengebrochen. Als Cassy sich erholte, weinte sie wie ein kleines Kind. Sie hatte ihre Tochter Elisa wieder gefunden.
Die restliche Geschichte ist schnell erzählt. Madame de Thoux und Cassy reisten zusammen nach Kanada, um Georg und Elisa zu finden. Sie nahmen Emmeline mit. Ein Geistlicher half ihnen bei der Suche. Die Familien beschlossen, zusammen zu bleiben. Madame de Thoux hatte ein ansehnliches Vermögen geerbt, mit dem sie ihrem Bruder Georg ein Studium in Frankreich finanzierte. Auf dem Weg dorthin verliebte Emmeline sich in den Steuermann des Schiffes und wurde im ersten Hafen, den sie anliefen, seine Frau. Georg studierte und als es in Frankreich zu politischen Unruhen kam, kehrte die Familie nach Kanada zurück.
Miss Ophelia dagegen hatte Topsy mit nach Vermont genommen. Dort wuchs Topsy heran und ließ sich mit fünfzehn Jahren taufen. Nach der Ausbildung empfahl man sie als Missionarin nach Afrika.