Ende

  • Autor: Verne, Jules

Michael Strogoff war nicht blind und war es nie gewesen! Als er bei der Blendung seiner Mutter gegenüberstand, traten ihm die Tränen in die Augen. Diese Tränen sammelten sich zwischen den Augenlidern und verdampften unter der Hitze des glühenden Schwertes.

Dieses Dampfpolster hatte seine Sehkraft gerettet. Schnell hatte er begriffen, dass er diese Tatsache keiner Menschenseele verraten durfte. Nur weil man ihn für blind hielt, ließ man ihn einfach frei. So spielte er seine Rolle auch vor Nadja.

Eine Person kannte die Wahrheit: Seine Mutter. Als er sich auf dem Felsplateau von Tomsk über sie gebeugt hatte, flüsterte er es ihr ins Ohr.

Als Iwan Ogareff ihm nach der Blendung den Brief vor die Augen gehalten hatte, überflog er ihn schnell und war nun genau informiert. Daher seine Eile: Er musste vor Iwan Ogareff in Irkutsk sein und den Großfürsten wenigstens mündlich von der Gefahr in Kenntnis setzen.

Mit wenigen Worten erzählte er dem Großfürsten, was er seit dem 15. Juli erlebt hatte und vergaß dabei nicht Nadjas Verdienst hervorzuheben.

"Wer ist das junge Mädchen?", fragte der Großfürst.

"Die Tochter Wassili Fedors, eines Verbannten."

"Die Tochter von Kommandant Fedor. In Irkutsk gibt es keine Verbannten mehr."

Von ihrer Freude überwältigt fiel Nadja vor dem Großfürsten auf die Knie.

Eine Stunde später war sie bei ihrem Vater.

Der Sturmangriff wurde für die Tataren zu einem Desaster. Wassili Fedor hatte mit seiner Einheit den Durchbruch am Bolchaiator verhindert. Gleichzeitig gelang es ziemlich rasch, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Der Erdölfilm auf der Angara brannte aus und so konnte schnell mit den Löscharbeiten begonnen werden.

Die Tataren hatten bei den Angriffen auf die Erdwälle ihre besten Männer verloren und zogen sich noch vor Tagesanbruch zurück. Unter den Toten war auch Sangarre, die noch versuchen wollte, ihren Herrn zu warnen.

Der Tod von Iwan Ogareff hatte die Angreifer vollkommen aus dem Konzept gebracht und es folgten keine neuen Angriffe. Am 7. Oktober traf die russische Armee ein und so konnte Irkutsk von der Tatarenbelagerung befreit werden.

Mit der russischen Armee kamen auch zwei gute alte Bekannte. Die inzwischen unzertrennlich gewordenen Reporter Alcide Jolivet und Harry Blount. Sie freuten sich sehr, Nadja und Michael Strogoff gesund wiederzusehen.

Der Rückzug der Tataren erfolgte schneller als erwartet und bald war auch die Straße von Irkutsk bis zum Ural wieder frei. Der Großfürst wollte so schnell wie möglich nach Moskau zurück. Aber er verschob seine Abreise für ein wichtiges Fest:

Michael Strogoff sagte zu Nadja:

"Der Himmel hat uns nicht nur zusammengeführt, um diese kurze und anstrengende Reise gemeinsam zu meistern. Meinst du nicht, dass wir für immer zusammenbleiben sollten?"

Er hielt die Arme geöffnet und Nadja ließ sich nicht lange bitten. Die Hochzeit fand in der Kathedrale von Irkutsk statt. Zusammen mit Wassili Fedor reisten sie nach Europa zurück. In Omsk machten sie Halt und besuchten Marfa Strogoff.

Sie war glücklich, die beiden Kinder wiederzuhaben. Sie blieben ein paar Tage und reisten dann weiter.

Wassili Fedor ließ sich in Petersburg nieder und Michael und Nadja blieben bei ihm. Einmal im Jahr besuchten sie die Mutter in Omsk.

Der junge Kurier wurde vom Zaren mit dem Ehrenkreuz des heiligen Georgs geehrt. Bald kam er zu Rang und Würden und war zuletzt einer der einflussreichsten Männer am Hof.

Aber wir wollen hier nicht die Geschichte einer ganzen Karriere, sondern die einer großen Tat erzählen.