Die heilige Quelle
- Autor: Twain, Mark
Als ich endlich ins Bett kam, war ich unglaublich müde. Aber Schlaf war mir nicht vergönnt. Der Adel, der quiekend in den Sälen und Gängen herumsauste, veranstaltete ein Höllenspektakel.
Es war fatal. Jedermann in meiner Umgebung glaubte an Zauberei, niemand zweifelte daran, dass eine Burg in einen Stall und deren Bewohner in Schweine verwandelt werden können. Mein Weltverständnis war ein völlig anderes. Ich glaubte nicht, dass die Erde flach sei und auf Stützpfeilern ruhe.
Hätte ich dieses Wissen laut ausgesprochen, wäre ich es, der für verrückt erklärt werden würde.
Am nächsten Morgen trieb Sandy die Schweine ins Speisezimmer und bediente jedes persönlich. Wir nahmen unser Frühstück an einem Nebentisch ein, von Sandys Familie ließ sich immer noch keiner blicken.
"Wie viele Personen gehören zu deiner Familie und wo stecken sie?"
"Familie? Ich habe keine Familie."
"Ist das hier nicht dein Zuhause?"
"Nein, ich habe auch kein Zuhause."
"Aber wem gehört dieses Haus?"
"Woher soll ich das wissen."
"Du kennst die Leute nicht und belagerst einfach ihr Haus mit deinen tierischen Adelsfreunden?"
"Aber Herr, es ist für die Menschen, die hier wohnen doch eine große Ehre, eine Gesellschaft von solch hohem Stand zu beherbergen. Sie werden dankbar dafür sein."
Die Situation gefiel mir gar nicht. Daher sagte ich:
"Lass uns die Herrschaften nach Hause bringen und unsere Mission damit abschließen."
"Oh hört, sie kommen aus allen Gegenden der Erde, wir können diese Wege in einem Leben gar nicht begehen. Ihre Freunde werden aus den fernsten Teilen der Welt kommen, um sie abzuholen."
Ich war beruhigt. Sandy würde natürlich hierbleiben, um die Ware zu übergeben und ich war somit ein freier Mann. Aber da hatte ich die Rechnung ohne meine Jungfrau gemacht. Sandy dachte nicht im geringsten daran, von meiner Seite zu weichen.
Während sie sich tränenreich von den Schweinen verabschiedete, verschenkte ich den Hochadel an die Dienerschaft des Hauses. Kurz darauf brachen wir auf.
Das erste, worauf wir an diesem Tag trafen, war ein Pilgerzug. Er bewegte sich nicht in unsere Richtung, aber wir schlossen uns ihm dennoch an. In meiner Amtszeit wurde mir immer bewusster, dass ich über alle Bereiche des Lebens in meinem Land Bescheid wissen musste, um es klug zu regieren.
Die Pilger waren ein bunter und angenehm geselliger Haufen. Sandy kannte Ziel und Absicht ihrer Fahrt und sie unterrichtete mich davon.
"Sie reisen in das Tal der Heiligkeit, um von den gottesfürchtigen Einsiedlern gesegnet zu werden und von dem wundertätigen Wasser zu trinken."
Ich erfuhr, dass dieses Tal zwei Tagesreisen von hier entfernt lag. Sandys Plappermühlen waren bald voll in Fahrt. In den wenigen Momenten, in denen ich zuhörte erfuhr ich, dass durch das Gebet eines Abtes in dieser völlig trockenen Gegend wie durch ein Wunder ein mächtiger Strom klaren Wassers aus einem Felsen hervor sprudelte. Als sich ein Mann darin waschen wollte, versiegte die Quelle für viele Jahre und nur durch dass demütige Leben des Abtes, begann sie eines Tages wieder zu fließen. Dies war natürlich nur die Kurzfassung. Gegen Ende erklärte sie noch etwas über die Einsiedler, die sich an jenem Ort niedergelassen hatten.
Bei Anbruch der Nacht fanden wir Unterkunft in einem Dorfgasthof. Als ich am nächsten Morgen hinaussah, bemerkte ich einen Ritter, der sich im Schein des neuen Tages näherte. Ich erkannte einen meiner Handelsritter - Sir Ozana.
Von ihm erfuhr ich, dass die wundersame Quelle schon seit neun Tagen aufgehört hat, zu fließen. Als alles Beten nichts half, sandten sie einen Boten nach mir, dem Boss. Dieser Bote hatte die Anweisung, sollte er mich nicht finden, wenigstens Merlin holen sollte.
Der zauberte jetzt schon drei Tage vor sich hin, ohne einen Hauch Feuchtigkeit aus dem Fels gebracht zu haben.
Augenblicklich schrieb ich einen Brief an Clarence, in dem ich wichtige Zubehörteile, sowie zwei meiner ausgebildeten Assistenten anforderte, und schickte Sir Ozana mit diesem Schreiben nach Camelot.
Am nächsten Tag erreichten wir das Mönchskloster vor Einbruch der Dunkelheit. Die Freude des Abts, mich zu sehen, war rührend. Er erklärte mir, dass Merlin mit allen Mitteln versuche, der Quelle Wasser zu entlocken.
Da ich Zeit brauchte, bis meine kleine Delegation aus Camelot eintraf, meinte ich:
"Es ist nicht gut, die Methoden zu vermengen, Vater. Lasst Merlin fortfahren. Es würde sich nicht mit der Berufsehre vertragen, wenn ich mich einmischen würde."
Der Abt versuchte verzweifelt mich zu überzeugen, Merlin zu helfen. Ich überzeugte ihn, dass Merlin die Quelle verzaubern würde, wenn wir ihm nun verbieten würden, es weiterhin zu versuchen. Und solch ein Zauber braucht einige Wochen, bis er gelöst wird.
Das wirkte und der Abt gab nach. Allein meine Anwesenheit gab ihm Hoffnung. Mir war klar, dass es Merlin niemals gelingen würde.
Ich begab mich am nächsten Tag frühzeitig zur Quelle. Merlin war schon dort und zauberte emsig wie ein Biber vor sich hin. Die Dinge standen ungefähr so, wie ich sie erwartet hatte. Die "Quelle" war ein gewöhnlicher Brunnen. Er stand in der Mitte einer dunklen Kapelle. Mein erster Gedanke war, dass es eine undichte Stelle geben musste.
Ohne Merlin besondere Beachtung zu schenken, ließ ich mich von Helfern in einem großen Eimer und mit einer Kerze in den Brunnen hinab. Tatsächlich die Brunnenwand hatte einen großen Riss. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis meine Leute hier ankamen und dann konnte ich mit großem Brimborium die Quelle wieder instand setzen.
Als ich aus dem Brunnen stieg, hörte ich wie Merlin sich mit dem Abt unterhielt und eine Erklärung parat hatte, wie nur er sie erfinden konnte. Der mächtigste Geist, den die Magier des Ostens kennen, habe die Quelle mit einem Fluch belegt. Keiner könne diesen Fluch brechen und damit sei das Wasser für immer versiegt.
Diese Nachricht versetzte den Abt in große Bestürzung. Er wandte sich zu mir und fragte:
"Spricht er die Wahrheit?"
"Zum Teil", antwortete ich. Es lag mir fern, den alten Merlin vollkommen lächerlich zu machen. Daher erklärte ich, dass es noch eine winzige Möglichkeit gab, den Bann des russischen Geistes zu brechen. Der alte Quacksalber regte sich trotz meiner Zurückhaltung fürchterlich auf und meinte, ich würde beim Versuch den Gegenfluch zu sprechen zu Tode kommen, und er würde es Artus als Erster melden.
Am Abend kamen meine zwei Experten. Das Gebiet um den Brunnen hatte ich weiträumig absperren lassen und so konnten wir ohne Probleme das Werkzeug an Ort und Stelle bringen. Ein Bündel großer Raketen, Leuchtkugeln und farbigen Sprühregens machte meine Ausstattung zur Vollbringung eines imposanten Wunders perfekt.
In der folgenden Nacht war es soweit. Der Himmel war schwarz und sternenlos. Die Menschenmengen, die sich zur Besichtigung meines Wunders eingefunden hatten, strömten in einer Prozession ins Tal. Allen voran Merlin, der sich in die erste Reihe setzte.
Die Mönche stimmten einen von mir organisierten lateinischen Gesang an. Als er zu Ende war, stellte ich mich mit ausgebreiteten Armen zum Himmel gewandt auf eine Plattform. Auf ein Zeichen von mir, erstrahlte die Nacht plötzlich in blauem Licht und die Menge schrie entsetzt auf. Die Mönche bekreuzigten sich, und begannen zu beten.
Ich hielt den Zeitpunkt für gekommen, das magische Zauberwort zu sprechen und so sagte ich:
"KONSTANTINOPOLITIANISCHEDUDELSACKPFEIFENMACHERGESELLSCHAFT!"
Im selben Moment sprühten das rote, das grüne und das blaue Feuerwerk wie drei wütende Vulkane los. Ich sprach weiter:
"Ich gebiete dem grausamen Geist, von dem die heilige Quelle besessen ist, seinen Zauber aufzuheben. Das befehle ich mit seinem Namen: BGWJJILLIGKKK!"
Mit diesen Worten vermischte sich plötzlicher Jubelschrei, denn das befreite Wasser sprudelte wieder. Ihr hättet sehen sollen, wie die Leute ins Wasser stürzten und es küssten und mit ihm sprachen, als wäre es lebendig.
Merlin war zusammengebrochen, als ich den schrecklichen Namen ausgesprochen hatte. Er hatte ihn nie zuvor gehört - ich im Übrigen auch nicht, aber für diese gutgläubigen Narren reichte jedes Kauderwelsch.
Es war eine großartige Nacht. Sie versprach Ruhm und Ehre. Ich konnte kaum einschlafen, so freute ich mich darüber.