Die Farm am Red River
- Autor: Beecher Stowe, Harriet
Tom und die anderen schleppten sich müde hinter dem Karren her, auf dem Legree zu seiner Plantage fuhr. Die Frauen durften auf dem Wagen sitzen. Die Landschaft war eintönig und öde. Der steinige Weg schlängelte sich durch endloses Sumpfland und dürre Kiefernwälder. Legrees Plantage lag einsam und völlig allein. Legree, der auf dem Kutschbock saß und immer wieder einen Schluck aus seiner Schnapsflasche nahm, war guter Dinge und ließ die Sklaven singen. Sie sangen mit erzwungener Fröhlichkeit. Legree drehte sich zufrieden zu Emmeline um, und kraulte sie unter dem Kinn. Das Mädchen schrak zurück. Legree bemerkte es nicht, sondern sagte: "Wenn du brav bist, schenke ich dir Zuhause ein paar Ohrringe."
Schließlich war die Fahrt zu Ende und die Plantage kam in Sicht. Sie wirkte verwahrlost und ungepflegt, genutzt allein zum Geldverdienen, ohne Liebe und ohne Verantwortung. Als sie vor dem Haus ankamen, sprangen verwilderte Hunde auf und bellten wütend. Zwei Sklaven kamen angelaufen und hielten die Hunde zurück. Diese Sklaven - Sambo und Quimbo - waren die Vorarbeiter auf der Plantage. Sie hassten sich und die Leute hassten beide. Legree regierte mit Hass auf der Plantage und indem er den Hass der verschiedenen Gruppen aufeinander schürte, war er immer im Bilde, was auf der Plantage gerade lief.
Er ließ die Frauen vom Karren absteigen. Eine ältere Frau, die an Emmeline gekettet gewesen war, schubste er Sambo in die Arme. "Hier. Das ist jetzt deine Frau. Nimm sie mit." Er drehte sich zu Emmeline um. "Du kommst mit mir. Ihr anderen geht mit Sambo." Emmeline riss ängstlich die Augen auf, schwieg aber. Tom ging wortlos mit Sambo zu den Quartieren, rohe Holzhütten, die in einer langen Reihe nebeneinander standen. Toms Mut sank. Es gab keine Hütte, die er sauber und ordentlich hätte halten können. Dies hier waren Unterstände ohne jedes Mobiliar. In jeder Hütte schienen viele Menschen wohnen zu müssen. "Geh da rein.", sagte Sambo. "Ist mir eigentlich egal, wo du schläfst. Ist überall voll." Tom nickte und schwieg.
Auf der Gasse wurde es plötzlich laut und die Arbeiter kamen vom Feld zurück. Es war ein langer Zug von schmutzigen und erschöpften Männern, Frauen und Kindern. Sie drängten in die Hütten und hatten kaum etwas Menschliches an sich. Die Stärkeren vertrieben die Schwächeren, niemand kümmerte sich um den anderen. Ein Gerangel um die Maismühlen entstand, denn die Arbeiter erhielten als Lohn Mais, der nun, nach getaner Arbeit gemahlen und zu Kuchen oder Brot gebacken werden musste. Auch an den Mühlen gab es Streit und die Schwächsten kamen erst spät an die Reihe, ihren Mais zu mahlen. Tom sah das alles mit Erschrecken. Er wartete lange, bis er seinen Mais erhielt. Die Frau, die Sambo als Frau zugeteilt worden war, bekam von Sambo einen Fußtritt, als sie sich weigerte, ihm seinen Mais zu mahlen. Quimbo, der Sambo hasste, war sofort zur Stelle. "Wenn du sie umbringst, verringerst du den Sklavenbestand. Das muss ich melden." Sambo ließ von der Frau ab und Tom schüttelte entsetzt den Kopf. Was war aus diesen Menschen geworden? Spät in der Nacht durfte schließlich auch Tom seinen Mais mahlen. Aber er mahlte erst noch den Mais von zwei Frauen, die völlig erschöpft waren. Seine liebevolle Geste wurde erstaunt wahrgenommen. Ein leises Echo ging durch die Frauen, die für Tom dann das Brot buken. Nach dem Essen nahm Tom das kleine Säckchen Mais, das ihm gegeben worden war an sich, denn es musste für eine ganze Woche reichen. Müde ließ er sich in der stickigen Luft auf dem Fußboden nieder und schlief erschöpft ein.
Nach wenigen Tagen wusste, Tom, was ihn auf Legrees Plantage erwartete. Da er aus Prinzip fleißig und zuverlässig war, hoffte er, mit fleißiger Arbeit und freundlichem Wesen dem schlimmsten zu entgehen. Legree sah sehr wohl, wie tüchtig, geschickt und zuverlässig Tom war. Er hatte ihn ja auch mit dem Gedanken gekauft, ihn mit der Führung der Farm zu betrauen, wenn er selbst einmal fort musste. Aber Legree war der Meinung, dass Härte ein wichtiges Merkmal eines Aufsehers zu sein hatte und Tom war nicht hart. Im Gegenteil. Wo er konnte, half er, arbeitete er mehr als andere und gab ab, obwohl er selbst kaum etwas hatte. Legree wusste genau, was Tom dachte, wenn er wieder einmal seinen Zorn an einem hilflosen Sklaven ausließ. Deshalb beschloss Legree, Tom zunächst selbst zu härten, bevor er Härte zeigen konnte.
Eines Morgens, als die Feldarbeiter zur Arbeit aufbrachen, bemerkte Tom ein fremdes Gesicht. Das Gesicht gehört einer großen, schlanken Frau, die bei den anderen keine Unbekannte zu sein schien. Sie mochte zwischen fünfunddreißig und vierzig Jahren alt sein, wirkte intelligent und gepflegt. Sie sprach kein Wort. Um sie herum wurde getuschelt. "Muss die jetzt auch mal arbeiten." "Wenn die mal ein paar Hiebe bekommt, schadet es nicht." Tom hörte noch andere, boshafte Kommentare. Die Frau aber tat so, als hätte sie nichts gehört, schwieg und hielt sich auf dem Weg zum Baumwollpflücken dicht an Toms Seite. In ihren Augen entdeckte Tom eine erschreckende Hoffnungslosigkeit, die im krassen Gegensatz zu dem unbeugsamen Stolz ihrer Haltung stand.
Auf dem Feld war die Arbeit hart und anstrengend. Die unbekannte Frau arbeitete schweigend, geschickt und genau. Sie pflückte schnell und zuverlässig, aber ihre Mine war finster. Tom beobachtete die Frau verstohlen. Beim Pflücken geriet er in die Nähe der älteren Frau, die mit ihm zusammen gekauft worden war. Sie hieß Lucy. Anscheinend hatte sie große Schmerzen und war völlig erschöpft. Sie taumelte während sie hektisch versuchte, genug Baumwolle in ihren Sack zu pflücken. Als Tom das sah, wartete er ein wenig, dann stopfte er Baumwolle aus seinem Sack in Lucys Sack. Lucy sah überrascht auf. "Nicht doch! Du handelst dir nur Ärger ein!" Und so war es auch. Sambo hat dieses Manöver gesehen, kam heran und schlug Tom mit der Peitsche. "Mogelst du etwa? Lass das. Das Weib muss selbst seine Baumwolle pflücken." Lucy trat er mit seinem schweren Stiefel, so dass sie umfiel und liegen blieb. "Die wird schon wieder!", höhnte Sambo und ging davon. Lucy kam langsam wieder zu sich und entwickelte angestachelt von der Angst zunächst schier übermenschliche Kräfte. Rasch pflückte sie, aber bald taumelte sie schon wieder und Tom steckte ihr wieder etwas Baumwolle aus seinem Sack zu. "Du weißt nicht, was sie mit dir machen, wenn sie sehen, dass du mir hilfst.", schluchzte Lucy. "Ich kann es tragen.", entgegnete Tom ruhig. "Besser als du!" Die fremde Frau hatte gesehen, was Tom tat. Nun trat sie zu ihm und leerte ihren gesamten Korb mit Baumwolle in seinen Sack. "Du kennst dich hier nicht aus. Sonst hättest du das nicht getan. Du musst erst noch lernen, wie schwer es ist, die eigene Haut zu retten." "Gott verhüte, dass ich das lerne!", meinte Tom. Die Frau sah ihn an. "Hier gibt es keinen Gott!"
Sambo hatte die beiden misstrauisch beobachtet und kam heran. "Was macht ihr hier? Wollt ihr etwa betrügen? Sieh dich vor, Frau, sonst bekommst du es mit mir zu tun." Er schwang die Peitsche in ihre Richtung. Da richtete sich die Frau hoch auf, musterte ihn finster und sagte mit schneidender Stimme: "Ich habe noch genug Macht, dich von den Hunden zerreißen oder dich lebendig verbrennen zu lassen. Rühr' mich an, wenn du es wagst!" Sambo zuckte erschrocken zurück. "Ich hab's nicht so gemeint, Miss Cassy!" "Dann bleib' mir vom Leib und scher' dich auf deinen Platz.", zischte Cassy und Sambo trat eilig den Rückzug an.
Danach arbeitete Cassy schweigend weiter und gab verschiedentlich ihre gepflückte Baumwolle an Tom ab. Als es dunkel wurde, kehrten die Feldarbeiter heim. Ihre Wolle wurde gewogen und Tom hoffte sehr, dass Lucy das geforderte Maß an Wolle gepflückt hatte. Lucys Sack wurde gewogen. Er enthielt genug Baumwolle, dennoch wurde sie ausgesondert und musste am Rand warten. Legree kam heran. "Tom.", sagte er. "Du weißt, dass ich dich zum Aufseher befördern möchte. Du bist zu schade für diese niedere Arbeit. Hier kannst du gleich dein neues Amt versehen. Schau, dieses Weib hat nicht genug Wolle in ihrem Sack. Peitsch sie aus, damit sie lernt, nicht faul zu sein." "Der Herr wird mich entschuldigen müssen, aber ich bin nicht gewöhnt, andere Menschen zu schlagen. Ich kann das nicht tun." Legree lief rot an. "Du wirst noch eine Menge lernen müssen, was du nicht gewöhnt bist. Schlag' sie." Tom schüttelte den Kopf. "Herr, die Frau ist krank und schwach. Es wäre grausam, sie zu schlagen. Ich kann das nicht tun. Wenn Sie mich nun töten wollen, müssen Sie das tun. Niemals werde ich diese Frau schlagen. Lieber sterbe ich." Legree geriet völlig außer sich. "Du bist doch so fromm, oder? Hast du in deiner Bibel noch nie gelesen >Diener, gehorcht Eurem Herrn Ich bin dein Herr. Ich habe zwölfhundert Dollar für dich bezahlt. Du gehörst mir, mit Leib und Seele." Er trat heftig nach Tom. Tom richtete sich auf. "Nein! Meine Seele habt Ihr nicht gekauft. Die hat ein anderer gekauft und bezahlt, und er behält sie auch. Daran könnt Ihr nichts ändern und mir kann nichts passieren!" Legree lachte höhnisch. "Dir kann nichts passieren? Das wollen wir doch mal sehen." Er rief Sambo und Quimbo. "Los, Ihr zwei. Gebt ihm eine ordentliche Tracht Prügel, die er so schnell nicht wieder vergisst." Und während Lucy angstvoll aufschrie, ergriffen Sambo und Quimbo Tom mit einem teuflischen Grinsen. Tom ließ sich ohne Widerstand abführen.