Der Erbsenfinder
[von Josef Haltrich]
Es war einmal ein Junge, der fand eine Erbse und war über alle Maßen froh. "Was für ein glücklicher Mensch du doch bist!", sprach er zu sich selbst. "Nun wirst du keine Not mehr leiden, denn jetzt kannst du die Erbse säen. In einem Jahr bekommst du davon eine Hand voll Erbsen, in zwei Jahren einen Kübel, in drei Jahren hundert Kübel, in vier Jahren tausend Kübel, also immer mehr!"
Da fiel dem Jungen aber ein, dass er nichts hatte, wo er die vielen Erbsen hineinschütten konnte. "Du gehst gleich zum König", sprach er zu sich, "und leihst dir tausend Säcke." Wie er nun den König darum bat, fragte dieser: "Wozu brauchst du denn so viele Säcke?" "Für meine Erbsen!", sprach der Junge. "Ich habe aber nicht so viele Säcke", erwiderte der König, "aber bleibe doch bis morgen hier!"
Der König hatte eine schöne Tochter, die er gerne einem reichen Jüngling zum Weibe geben wollte. "Der wäre mir gerade recht", dachte der König, "denn wenn er so viele Erbsen hat, hat er auch noch andere Reichtümer!" Der König ließ ihm aber nur ein Strohlager für die Nacht machen, um zu prüfen, ob er wirklich reich sei. Denn reiche Leute sind das Rauschen im Stroh nicht gewöhnt und können darin nicht schlafen. Würde es also die Nacht über rascheln, wäre es ein Zeichen, dass der Jüngling nicht arm sei.
Da mussten einige Mägde nun an der Türe horchen. Kaum hatte sich der Junge niedergelegt, verlor er seine Erbse im Stroh. Er war voller Sorge und warf das Stroh auseinander, dass es nur so rauschte. Nun liefen die Mägde gleich zum König und brachten ihm die erwünschte Botschaft. Der war sehr froh. Am frühen Morgen kam er gleich zu dem Jungen und sagte, wenn er nichts dagegen hätte, könne er die Königstochter zur Frau bekommen. Es sei ja offensichtlich, dass er ein reicher Herr sei.
"Dagegen habe ich ganz und gar nichts einzuwenden", sagte der Junge und dachte: "Eine Königstochter, die auch noch schön ist, wird nicht alle Tage angeboten." Und so feierte er an demselben Tage die Hochzeit mit ihr und war ganz vergnügt und glücklich.
Am folgenden Morgen ließ der König aber die Pferde anspannen und sprach: "Wohlan, ich möchte gerne dein Schloss sehen, ziehen wir gleich los!" Da musste sich der Junge mit seiner Gemahlin und dem alten König in den Wagen setzen und zeigen, wohin es gehen sollte.
Er zeigte aber einfach in eine Richtung, ohne es recht zu wissen. Als sie dann in einen Wald kamen, stieg er vom Wagen, als wollte er sich die Beine vertreten. Doch er wollte entlaufen und hatte Angst, dass der König ihn suchen und finden werde.
Plötzlich stand der Teufel vor ihm und fragte, warum er denn so ein Narr sei und die Königstochter im Stiche ließe. "Ja", sprach der Junge, "wie sollt' ich das nicht! Der König will zu meinem Schlosse fahren, und ich habe doch keines!" Da sagte der Teufel: "Ein Schloss sollst du haben, und neun Schweine im Stall, doch nur unter einer Bedingung: Nach sieben Jahren sollst du mir neun Fragen passend beantworten. Bleibst du mir auch nur eine schuldig, so sollst du mir gehören." Der Junge überlegte nicht lange und willigte ein. Der Teufel führte ihn sofort auf eine Waldlichtung und zeigte ihm in der Ferne ein Schloss. Er sprach: "Ziehe nur dahin, es ist dein!"
Der Junge lief jetzt schnell wieder zum Wagen zurück. Der König und seine Tochter waren schon ungeduldig geworden, weil sie so lange warten mussten. Schnell wurden die Pferde angetrieben, und schon bald sahen sie das schöne Schloss. Das gefiel dem alten König sehr, denn es war alles da, was man sich nur wünschen konnte. Nach einigen Tagen zog er heim und ließ das junge Paar froh und vergnügt zurück.
So verging ein Jahr nach dem anderen, bis die sieben Jahre fast vergangen waren. Da wurde der Junge ganz unruhig und dachte mit Grauen an die neun Fragen. Als er so auf dem Felde herumging und nachdachte, kam ein alter Mann zu ihm und fragte, was ihm denn fehle. Der Junge erzählte ihm von seiner Not. "Kümmere dich nicht weiter darum", sagte der alte Mann, "ich werde dir bei Zeiten eingeben, was du antworten musst."
Kaum war die Zeit gekommen, da stellte sich der Teufel wieder ein und fing an zu fragen: "Was ist eins und ist viel wert?" Der Junge sprach: "Ein guter Brunnen auf dem Hof ist dem Gastwirt viel wert!" Der Teufel war mit der Antwort zufrieden und fragte weiter: "Was ist zwei und lässt sich schwer entbehren?" Der Junge antwortete: "Wer zwei gesunde Augen hat, dem steht die Welt und der Himmel offen. Wer sie verliert, dem werden beide verschlossen!"
Der Teufel ärgerte sich nun, dass auch diese Antwort passend war und fragte: "Was ist drei und lässt sich gut brauchen?" "Wenn jemand eine gute Gabel mir drei Zinken hat, so kann er gut essen und Heu machen!" Auch diese Antwort passte. Der Teufel kochte vor Zorn und fragte weiter: "Was ist vier und ist sehr nützlich?" "Wer vier starke Räder am Wagen und vier gute Pferde hat, kann weit fahren!"
"Was ist fünf und ist ein nützlich Ding?", fragte der Teufel hastig weiter. "Wer fünf starke Ochsen hat, kann eine große Last aufladen, denn wenn der vierte fällt, spannt er den fünften ein!" "Was ist sechs und kann schon glücklich machen?" "Wer sechs Joch Acker besitzt, der hat ein gutes Einkommen und braucht nicht zu betteln!"
Jetzt fragte der Teufel immer schneller: "Was ist sieben und ist was Gutes?" "Wer sieben tüchtige Söhne hat, kann alle Arbeit im Jahr verrichten und sich freuen!" "Was ist acht und macht was rechtes aus?" "Acht Mädchen geben eine rechte Gesellschaft!"
Der Teufel ballte die Fäuste und schrie: "Warte nur, du bist dennoch mein, wenn du mir die neunte Frage schuldig bleibst. - Was ist neun und ist was Gutes?" "Die neun Schweine im Stall sind was Gutes - nicht wahr? Und die gehören jetzt mir!"
Der Teufel zog fluchend davon. So hatte sich der Junge nun ein Schloss und neun Schweine verschafft und lebte mit der schönen Königstochter bis an sein Ende in Frieden und Glück.