Das Gewitter
[Gustav Schwab]
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl
Wie wehen die Lüfte so schwül!
Das Kind spricht: "Morgen ists Feiertag!
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!"
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Die Mutter spricht: "Morgen ists Feiertag!
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!"
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Großmutter spricht: "Morgen ists Feiertag!
Großmutter hat keinen Feiertag.
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!"
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Urahne spricht: "Morgen ists Feiertag!
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?"
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
Sie hörens nicht, sie sehens nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag
Und morgen ists Feiertag.