Ankunft in Marseille
- Autor: Dumas, Alexander
Es war der 25. Februar 1815, als der Dreimaster "Pharao" in den Hafen von Marseille einfuhr. Eine unbestimmte Unruhe schwebte über der Menge und ein Zuschauer hielt es vor Anspannung nicht mehr aus. Er sprang in ein kleines Boot, und befahl der Pharao entgegen zu rudern. Es war der Eigner des Schiffes, der Reeder Morel. An der Reling des Schiffes erkannte er den jungen Seemann Edmond Dantes.
"Was ist geschehen, Dantes, wo ist der Kapitän?", rief er vom Boot hinauf.
"Ich überbringe Ihnen leider eine traurige Nachricht, Herr Morel. Kapitän Leclère ist innerhalb von drei Tagen an einer Hirnhautentzündung gestorben. Er hat mir befohlen die Pharao nach Hause zu bringen. Ich bin froh, dass Schiff und Ladung sich in gutem Zustand befinden. Wenn Sie heraufkommen wollen, zeigt Ihnen Herr Danglars, der Rechnungsführer die Bücher und Abrechnungen."
Während Dantes sich um die Ankerung kümmerte, ging Danglars dem Reeder Morel entgegen. Er war ungefähr 25 Jahre alt, klein und untersetzt. Zu seinen Vorgesetzten verhielt er sich unterwürfig und gegenüber seinen Untergebenen war er barsch und unfreundlich. Dadurch wurde er von der Mannschaft ebenso gehasst, wie Edmond Dantes geliebt wurde.
Morel wandte sich an Danglars: "Ihr seid verspätet, warum?"
"Das hat Dantes zu verantworten", erwiderte dieser scharf aber leise. "Kaum war der Kapitän verstorben, übernahm er das Kommando und befahl die Insel Elba anzusteuern."
"Elba? Der Zufluchtsort Napoleons - weshalb?"
"Das weiß allein Dantes - und unser verstorbener Kapitän."
"Nun, es ist gut, dass ihr wieder da seid!" Morel wollte sich die gute Laune über die sichere Landung von Schiff und Ladung nicht vermiesen lassen. Er ging auf Edmond Dantes zu: "Was wollten Sie auf Elba?"
"Es war der letzte Wunsch unseres Kapitäns, dass ich dem Großmarschall Bertrand ein Paket übergeben solle."
"Sie haben den Großmarschall gesprochen?", Herr Morel zog Dantes beiseite.
"Ja, auch den Kaiser Napoleon. Er war sehr interessiert an der Pharao."
"Dantes, ich muss Ihnen nicht erklären, dass es in der heutigen Zeit gefährlich ist, mit Napoleon gesehen zu werden. Seit seiner Verbannung auf die Insel Elba, verfolgt der neue Kaiser Ludwig der XVIII. jeden, der noch mit Napoleon sympathisiert. Die Strafen sind hart. Am besten Sie schweigen über diese Begegnung."
"Warum sollte es für mich gefährlich sein?" Dantes zuckte unbekümmert die Schultern, "ich weiß nicht einmal, was in dem Päckchen war, das ich überbracht habe."
Morel wollte nach der Ladung sehen, als Danglars ihn aufhielt: "Da wäre noch der Brief, Herr Morel", raunte er ihm zu. "Der Brief, den Dantes auf Elba erhielt und jedem verschwiegen hat."
"Ihr wisst trotzdem davon?", meinte Morel kühl.
Danglars verzog die Lippen: "Ein Schiff ist klein, ich ging an der geöffneten Kapitänskajüte vorbei, und sah, wie Dantes ihn in der Hand hielt."
"Das ist alles Edmonds Sache", schloss Morel mit Nachdruck. Danglars schwieg.
Da kehrte Dantes zurück und Morel sprach ihn an: "Nun, mein lieber Edmond, haben Sie Zeit mit mir Mittag zu essen?"
"Verzeihen Sie vielmals, Herr Morel. Zwei Menschen warten auf mich. Mein Vater und "
" die bezaubernde Mercedes", fiel ihm Morel lachend ins Wort. "Sie war bereits drei Mal bei mir, um Neuigkeiten über den Verbleib der Pharao zu erfahren. So gehen Sie zu ihren Lieben. Bis das Schiff wieder klar zum Auslaufen ist, dauert es gut drei Monate. Bis dahin können Sie Ihre Angelegenheiten erledigen. Doch dann brauche ich Sie hier als Kapitän der Pharao!"
Dantes wurde rot: "Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken kann, Herr Morel. Meine geheimsten Wünsche werden gerade wahr. Ich danke Ihnen im Namen meines Vaters und im Namen von Mercedes."
"Es ist gut, Edmond. Es gibt einen Gott im Himmel für die braven Leute. Und nun gehen Sie."
Edmond Dantes ließ sich das nicht zweimal sagen. Seine schlanke Gestalt flog davon. Aber Danglars Blicke folgten ihm feindlich. Er wäre selbst gern Kapitän geworden.