Ali Pascha
- Autor: Dumas, Alexander
Der Graf von Monte Christo hatte nach einem Besuch bei Danglars Albert von Morcerf eingeladen, ein Stündchen mit ihm zu plaudern. Sobald sie das Haus des Grafen betreten hatten, ließ der Graf Tee, Biskuits und türkische Pfeifen bringen.
Morcerf neigte sich zur Tür, durch die süße Töne drangen. Als er sich erkundigte, wer dort Gitarre spielt, erfuhr er, dass es Haydee war.
"Haydee! Welch ein bewunderungswürdiger Name! Ist sie eine liebe Person?"
"Das ist ihre Pflicht als meine Sklavin", entgegnete der Graf.
"Wie? Sklavinnen in Frankreich, das gibt es doch gar nicht."
"Das ist richtig. Aber sie will es nicht anders. Würden Sie sie gerne kennen lernen und ihre Geschichte aus eigenen Munde hören?"
"Ich wäre überglücklich."
"Unter zwei Bedingungen: Einmal dürfen Sie niemandem von diesem Gespräch erzählen. Zum anderen dürfen Sie ihr nicht sagen, dass ihr Vater ihrigem gedient hat."
Der junge Vicomte streckte die Hand aus: "Ich schwöre."
Kurze Zeit später saß Albert von Morcerf der schönen Haydee in ihrem Boudoir gegenüber. Monte Christo hatte sie in griechischer Sprache, sodass Albert ihn nicht verstehen konnte, gebeten, ihm alles zu erzählen - mit einer Ausnahme: Sie durfte den Namen des Mannes nicht nennen, der am Tod ihres Vaters und an ihrer Sklaverei Schuld trug.
Willig gehorchte Haydee, auch wenn es ihr schwer fiel. Nun sprach man italienisch miteinander, denn diese melodische Sprache beherrschten alle in diesem orientalisch geschmückten und wohl duftenden Raum. Doch die Geschichte, die Haydee erzählte, war düster:
Ihr Vater war der legendäre Ali Pascha gewesen, in Ioannina, der Hauptstadt des Epirus, hatte er sehr verschwenderisch gelebt und geherrscht. Sein Reichtum war unermesslich gewesen. Dem mächtigen Sultan von Konstantinopel war er ein Dorn im Auge. Haydees Vater, Ali Pascha, machte einen Offizier aus Frankreich zum Chef seiner Truppen und schenkte ihm sein ganzes Vertrauen. Doch der Offizier missbrauchte es schändlich. Ali Pascha wurde das Opfer einer schändlichen Intrige. Er wurde vom Sultan zum Tode verurteilt und der französische Offizier öffnete den feindlichen Truppen die Tore des Palastes.
Ali Pascha wurde ermordet, Mutter und Tochter gefangen genommen. Bevor sie die Mauer Konstantinopels durchschritten, stieß Haydees Mutter einen Schrei aus und stürzte tot zu Boden, denn dort oben war ein Haupt aufgespießt, über dem die Worte hingen: "Dies ist der Kopf von Ali, Pascha von Ioannina."
Es war eine grauenvolle Erzählung es gab niemanden, der mehr Schuld auf sich geladen hatte, als der junge Offizier, dessen Namen Haydee nicht aussprechen durfte.
Albert hatte tief ergriffen, in bangem Schweigen zugehört: "Und Ihr wurdet das Eigentum dieses schrecklichen, verbrecherischen Mannes?", fragte er, angeekelt von sie viel Niedertracht.
"Nein, das wagte er nicht. Er verschacherte mich an einen Sklavenhändler, von diesem erwarb mich ein reicher Armenier, der mir gute Lehrer gab. Als ich dreizehn Jahre alt war, verkaufte er mich weiter."
"Ja, ich erwarb diese zarte Schönheit für einen Smaragd", erklärte Monte Christo.
"Und ich bin sehr glücklich, dass ich dir gehöre", beendete Haydee ihre Lebensgeschichte, indem sie ihm die Hand küsste.